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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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haupt nicht sagen, daß ich während meiner ganzen
Krankheit einen Augenblick Langeweile gefühlt hätte.
Ja die große Ruhe und Leidenschaftlosigkeit einer sol-
chen Zeit thut sogar meiner Seele wohl. -- Uebri-
gens wird der Körper nun auch bald gänzlich wieder
hergestellt seyn, und sobald der Himmel sich etwas
aufklärt, denke ich mich von neuem unter die Men-
schen zu begeben.

A., der ich Deinen Brief zugeschickt, läßt Dich
vielmals grüßen. Wenn der König stirbt, wird sie
als intime Freundin der neuen Monarchin vielleicht
eine bedeutende Rolle hier spielen. Man behandelt
sie im Publikum ohnedem schon ganz als eine Prin-
cesse du sang.
Sie fängt auch an ihre Wichtigkeit
selbst zu fühlen, hat sich in ihrer frühern schüchter-
nen Tournure sehr zu ihrem Vortheil verändert, und
weiß recht gut, sich mit Affabilität ein Air zu geben.
Die Sonne des Glücks und der Gunst verändert ei-
nen Menschen, wie die Himmelssonne eine Pflanze,
die im Dunkeln kümmerte, und nun im lichten Strahle
bald ihr gesenktes Haupt emporhebt, und von der
wohlthuenden Wärme durchströmt, duftende Blüthen
dem Lichte öffnet. Wir, gute Julie, liegen vor der
Hand noch im Keller, wie Hyacinthenzwiebeln, aber
der Gärtner kann uns zum Frühjahr auch noch in
bessern Boden und an die Sonne bringen, wenn
er will
. --


haupt nicht ſagen, daß ich während meiner ganzen
Krankheit einen Augenblick Langeweile gefühlt hätte.
Ja die große Ruhe und Leidenſchaftloſigkeit einer ſol-
chen Zeit thut ſogar meiner Seele wohl. — Uebri-
gens wird der Körper nun auch bald gänzlich wieder
hergeſtellt ſeyn, und ſobald der Himmel ſich etwas
aufklärt, denke ich mich von neuem unter die Men-
ſchen zu begeben.

A., der ich Deinen Brief zugeſchickt, läßt Dich
vielmals grüßen. Wenn der König ſtirbt, wird ſie
als intime Freundin der neuen Monarchin vielleicht
eine bedeutende Rolle hier ſpielen. Man behandelt
ſie im Publikum ohnedem ſchon ganz als eine Prin-
cesse du sang.
Sie fängt auch an ihre Wichtigkeit
ſelbſt zu fühlen, hat ſich in ihrer frühern ſchüchter-
nen Tournure ſehr zu ihrem Vortheil verändert, und
weiß recht gut, ſich mit Affabilität ein Air zu geben.
Die Sonne des Glücks und der Gunſt verändert ei-
nen Menſchen, wie die Himmelsſonne eine Pflanze,
die im Dunkeln kümmerte, und nun im lichten Strahle
bald ihr geſenktes Haupt emporhebt, und von der
wohlthuenden Wärme durchſtrömt, duftende Blüthen
dem Lichte öffnet. Wir, gute Julie, liegen vor der
Hand noch im Keller, wie Hyacinthenzwiebeln, aber
der Gärtner kann uns zum Frühjahr auch noch in
beſſern Boden und an die Sonne bringen, wenn
er will
. —


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[317/0335] haupt nicht ſagen, daß ich während meiner ganzen Krankheit einen Augenblick Langeweile gefühlt hätte. Ja die große Ruhe und Leidenſchaftloſigkeit einer ſol- chen Zeit thut ſogar meiner Seele wohl. — Uebri- gens wird der Körper nun auch bald gänzlich wieder hergeſtellt ſeyn, und ſobald der Himmel ſich etwas aufklärt, denke ich mich von neuem unter die Men- ſchen zu begeben. A., der ich Deinen Brief zugeſchickt, läßt Dich vielmals grüßen. Wenn der König ſtirbt, wird ſie als intime Freundin der neuen Monarchin vielleicht eine bedeutende Rolle hier ſpielen. Man behandelt ſie im Publikum ohnedem ſchon ganz als eine Prin- cesse du sang. Sie fängt auch an ihre Wichtigkeit ſelbſt zu fühlen, hat ſich in ihrer frühern ſchüchter- nen Tournure ſehr zu ihrem Vortheil verändert, und weiß recht gut, ſich mit Affabilität ein Air zu geben. Die Sonne des Glücks und der Gunſt verändert ei- nen Menſchen, wie die Himmelsſonne eine Pflanze, die im Dunkeln kümmerte, und nun im lichten Strahle bald ihr geſenktes Haupt emporhebt, und von der wohlthuenden Wärme durchſtrömt, duftende Blüthen dem Lichte öffnet. Wir, gute Julie, liegen vor der Hand noch im Keller, wie Hyacinthenzwiebeln, aber der Gärtner kann uns zum Frühjahr auch noch in beſſern Boden und an die Sonne bringen, wenn er will. —

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/335>, abgerufen am 29.04.2024.