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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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8) Henrich der V. 1106-1125.
Aber so groß der Ruf dieser neuen Stiftungen we-
gen ihrer strengeren Einrichtung anfangs war, so
bald zog die eben dadurch vermehrte Freygebigkeit
milder Stifter wieder eben die Fehler nach sich,
die man den vorigen Stiftungen vorgeworfen hatte.
Die ältere Klosterzucht fieng aber vollends an Noth
zu leiden, da erst einzelne Klöster, hernach gar
ganze Orden durch päbstliche Gnadenbriefe der bis-
herigen Aufsicht der Bischöfe entzogen, und un-
mittelbar dem päbstlichen Stuhle unterworfen wur-
den, und da man endlich durch Aufnahme eigner
Laienbrüder die Mönche von ihren bisherigen nütz-
lichen Beschäfftigungen mit Handarbeiten und Kün-
sten ganz abbrachte (k), statt deren jetzt Müßig-

gang
1120. einen neuen Orden von regulirten Chorher-
ren aufzurichten, welche man Prämonstratenser,
auch weisse Canonicos nannte. Wegen ihrer schar-
fen Klosterzucht wurden sie bald in ganz Europa
eingeführt; unter andern in Baiern 1127 -- 1147.
an sechs Orten. Lori Bair. Gesch. S. 655.
(k) "Nach der ersten Einrichtung in den Klöstern
wurden alle Handarbeiten durch die Mönche ver-
richtet; sie waren Zimmerleute und Maurer, und
Becker, und sorgten für alles, was zur Erhal-
tung der Klosteröconomie nöthig war. Vielleicht
Bequemlichkeit, vielleicht Liebe zum ungehinderteren
Studieren veranlaßte im Anfange des elften Jahr-
hunderts erst nur in einigen Klöstern die Verände-
rung, daß Laien ins Kloster aufgenommen wur-
den, deren Fleisse der vornehmere Mönch alle diese
niedrige Verrichtungen überließ, die er dafür mit
dem Brudertitel beehrte, und mit dem reichesten
Segen seiner Klostergebete und seiner Klostermessen.
Zu Hirschau in Schwaben hatte ein redlichgesinn-
ter Abt einen Anfang dieser Art gemacht. Aber
in kurzem wurde es allgemeine Klostersitte, weil
das
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8) Henrich der V. 1106-1125.
Aber ſo groß der Ruf dieſer neuen Stiftungen we-
gen ihrer ſtrengeren Einrichtung anfangs war, ſo
bald zog die eben dadurch vermehrte Freygebigkeit
milder Stifter wieder eben die Fehler nach ſich,
die man den vorigen Stiftungen vorgeworfen hatte.
Die aͤltere Kloſterzucht fieng aber vollends an Noth
zu leiden, da erſt einzelne Kloͤſter, hernach gar
ganze Orden durch paͤbſtliche Gnadenbriefe der bis-
herigen Aufſicht der Biſchoͤfe entzogen, und un-
mittelbar dem paͤbſtlichen Stuhle unterworfen wur-
den, und da man endlich durch Aufnahme eigner
Laienbruͤder die Moͤnche von ihren bisherigen nuͤtz-
lichen Beſchaͤfftigungen mit Handarbeiten und Kuͤn-
ſten ganz abbrachte (k), ſtatt deren jetzt Muͤßig-

gang
1120. einen neuen Orden von regulirten Chorher-
ren aufzurichten, welche man Praͤmonſtratenſer,
auch weiſſe Canonicos nannte. Wegen ihrer ſchar-
fen Kloſterzucht wurden ſie bald in ganz Europa
eingefuͤhrt; unter andern in Baiern 1127 — 1147.
an ſechs Orten. Lori Bair. Geſch. S. 655.
(k) ”Nach der erſten Einrichtung in den Kloͤſtern
wurden alle Handarbeiten durch die Moͤnche ver-
richtet; ſie waren Zimmerleute und Maurer, und
Becker, und ſorgten fuͤr alles, was zur Erhal-
tung der Kloſteroͤconomie noͤthig war. Vielleicht
Bequemlichkeit, vielleicht Liebe zum ungehinderteren
Studieren veranlaßte im Anfange des elften Jahr-
hunderts erſt nur in einigen Kloͤſtern die Veraͤnde-
rung, daß Laien ins Kloſter aufgenommen wur-
den, deren Fleiſſe der vornehmere Moͤnch alle dieſe
niedrige Verrichtungen uͤberließ, die er dafuͤr mit
dem Brudertitel beehrte, und mit dem reicheſten
Segen ſeiner Kloſtergebete und ſeiner Kloſtermeſſen.
Zu Hirſchau in Schwaben hatte ein redlichgeſinn-
ter Abt einen Anfang dieſer Art gemacht. Aber
in kurzem wurde es allgemeine Kloſterſitte, weil
das
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[161/0195] 8) Henrich der V. 1106-1125. Aber ſo groß der Ruf dieſer neuen Stiftungen we- gen ihrer ſtrengeren Einrichtung anfangs war, ſo bald zog die eben dadurch vermehrte Freygebigkeit milder Stifter wieder eben die Fehler nach ſich, die man den vorigen Stiftungen vorgeworfen hatte. Die aͤltere Kloſterzucht fieng aber vollends an Noth zu leiden, da erſt einzelne Kloͤſter, hernach gar ganze Orden durch paͤbſtliche Gnadenbriefe der bis- herigen Aufſicht der Biſchoͤfe entzogen, und un- mittelbar dem paͤbſtlichen Stuhle unterworfen wur- den, und da man endlich durch Aufnahme eigner Laienbruͤder die Moͤnche von ihren bisherigen nuͤtz- lichen Beſchaͤfftigungen mit Handarbeiten und Kuͤn- ſten ganz abbrachte (k), ſtatt deren jetzt Muͤßig- gang (i) (k) ”Nach der erſten Einrichtung in den Kloͤſtern wurden alle Handarbeiten durch die Moͤnche ver- richtet; ſie waren Zimmerleute und Maurer, und Becker, und ſorgten fuͤr alles, was zur Erhal- tung der Kloſteroͤconomie noͤthig war. Vielleicht Bequemlichkeit, vielleicht Liebe zum ungehinderteren Studieren veranlaßte im Anfange des elften Jahr- hunderts erſt nur in einigen Kloͤſtern die Veraͤnde- rung, daß Laien ins Kloſter aufgenommen wur- den, deren Fleiſſe der vornehmere Moͤnch alle dieſe niedrige Verrichtungen uͤberließ, die er dafuͤr mit dem Brudertitel beehrte, und mit dem reicheſten Segen ſeiner Kloſtergebete und ſeiner Kloſtermeſſen. Zu Hirſchau in Schwaben hatte ein redlichgeſinn- ter Abt einen Anfang dieſer Art gemacht. Aber in kurzem wurde es allgemeine Kloſterſitte, weil das (i) 1120. einen neuen Orden von regulirten Chorher- ren aufzurichten, welche man Praͤmonſtratenſer, auch weiſſe Canonicos nannte. Wegen ihrer ſchar- fen Kloſterzucht wurden ſie bald in ganz Europa eingefuͤhrt; unter andern in Baiern 1127 — 1147. an ſechs Orten. Lori Bair. Geſch. S. 655. L

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/195>, abgerufen am 28.04.2024.