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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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1) Wahlcap. u. Anfang der Regier.
noch auf bloßem Herkommen beruhete, und, ein-
mal in ein schriftliches Grundgesetz verwandelt,
für die Folge mehr Festigkeit hoffen ließ. So ent-
stand das erstemal das Reichsgrundgesetz, das un-
ter dem Namen der kaiserlichen Wahlcapitula-
tion
seitdem bey jeder neuen Wahl eines Kaisers
oder Römischen Königs wiederholet worden ist,
und zur Absicht hat, die ganze Regierungsverfas-
sung für jeden Kaiser vertragsweise zu bestimmen.

In vorigen Zeiten hatte schon mehrmalen Chur-II.
mainz von einigen Kaisern sich verschiedene Ver-
sprechungen geben laßen. Diesmal geschah es aber
zuerst, daß das ganze churfürstliche Collegium mit
dem neu erwehlten Kaiser einen förmlichen Ver-
trag über die Art seiner künftig zu führenden Re-
gierung schloß. Da man nichts hineinsetzte, als
was entweder ohnedem im bisherigen Herkommen
schon seinen guten Grund hatte, oder doch sonst
für das ganze Reich von gemeinem Nutzen war; so
betrugen sich die Churfürsten in der That hier als
nützliche Geschäfftsführer (negotiorum gestores)
für das ganze Teutsche Reich. In solchem Be-
trachte verdienten sie und fanden auch den Beyfall
des ganzen Reichs, obgleich sonst allerdings eine
Frage hätte aufgeworfen werden können, ob den
Churfürsten alleine, ohne Zuthun der übrigen
Stände, das Recht zustehe, ein solches Reichs-
grundgesetz abzufassen? wie in der Folge doch
diese Frage entstanden ist.

Unter andern war Carl dem V. in seiner Wahl-III.
capitulation vorgeschrieben, daß ein Reichsregi-
ment
errichtet werden sollte, das in seiner Abwe-

sen-

1) Wahlcap. u. Anfang der Regier.
noch auf bloßem Herkommen beruhete, und, ein-
mal in ein ſchriftliches Grundgeſetz verwandelt,
fuͤr die Folge mehr Feſtigkeit hoffen ließ. So ent-
ſtand das erſtemal das Reichsgrundgeſetz, das un-
ter dem Namen der kaiſerlichen Wahlcapitula-
tion
ſeitdem bey jeder neuen Wahl eines Kaiſers
oder Roͤmiſchen Koͤnigs wiederholet worden iſt,
und zur Abſicht hat, die ganze Regierungsverfaſ-
ſung fuͤr jeden Kaiſer vertragsweiſe zu beſtimmen.

In vorigen Zeiten hatte ſchon mehrmalen Chur-II.
mainz von einigen Kaiſern ſich verſchiedene Ver-
ſprechungen geben laßen. Diesmal geſchah es aber
zuerſt, daß das ganze churfuͤrſtliche Collegium mit
dem neu erwehlten Kaiſer einen foͤrmlichen Ver-
trag uͤber die Art ſeiner kuͤnftig zu fuͤhrenden Re-
gierung ſchloß. Da man nichts hineinſetzte, als
was entweder ohnedem im bisherigen Herkommen
ſchon ſeinen guten Grund hatte, oder doch ſonſt
fuͤr das ganze Reich von gemeinem Nutzen war; ſo
betrugen ſich die Churfuͤrſten in der That hier als
nuͤtzliche Geſchaͤfftsfuͤhrer (negotiorum geſtores)
fuͤr das ganze Teutſche Reich. In ſolchem Be-
trachte verdienten ſie und fanden auch den Beyfall
des ganzen Reichs, obgleich ſonſt allerdings eine
Frage haͤtte aufgeworfen werden koͤnnen, ob den
Churfuͤrſten alleine, ohne Zuthun der uͤbrigen
Staͤnde, das Recht zuſtehe, ein ſolches Reichs-
grundgeſetz abzufaſſen? wie in der Folge doch
dieſe Frage entſtanden iſt.

Unter andern war Carl dem V. in ſeiner Wahl-III.
capitulation vorgeſchrieben, daß ein Reichsregi-
ment
errichtet werden ſollte, das in ſeiner Abwe-

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[351/0385] 1) Wahlcap. u. Anfang der Regier. noch auf bloßem Herkommen beruhete, und, ein- mal in ein ſchriftliches Grundgeſetz verwandelt, fuͤr die Folge mehr Feſtigkeit hoffen ließ. So ent- ſtand das erſtemal das Reichsgrundgeſetz, das un- ter dem Namen der kaiſerlichen Wahlcapitula- tion ſeitdem bey jeder neuen Wahl eines Kaiſers oder Roͤmiſchen Koͤnigs wiederholet worden iſt, und zur Abſicht hat, die ganze Regierungsverfaſ- ſung fuͤr jeden Kaiſer vertragsweiſe zu beſtimmen. In vorigen Zeiten hatte ſchon mehrmalen Chur- mainz von einigen Kaiſern ſich verſchiedene Ver- ſprechungen geben laßen. Diesmal geſchah es aber zuerſt, daß das ganze churfuͤrſtliche Collegium mit dem neu erwehlten Kaiſer einen foͤrmlichen Ver- trag uͤber die Art ſeiner kuͤnftig zu fuͤhrenden Re- gierung ſchloß. Da man nichts hineinſetzte, als was entweder ohnedem im bisherigen Herkommen ſchon ſeinen guten Grund hatte, oder doch ſonſt fuͤr das ganze Reich von gemeinem Nutzen war; ſo betrugen ſich die Churfuͤrſten in der That hier als nuͤtzliche Geſchaͤfftsfuͤhrer (negotiorum geſtores) fuͤr das ganze Teutſche Reich. In ſolchem Be- trachte verdienten ſie und fanden auch den Beyfall des ganzen Reichs, obgleich ſonſt allerdings eine Frage haͤtte aufgeworfen werden koͤnnen, ob den Churfuͤrſten alleine, ohne Zuthun der uͤbrigen Staͤnde, das Recht zuſtehe, ein ſolches Reichs- grundgeſetz abzufaſſen? wie in der Folge doch dieſe Frage entſtanden iſt. II. Unter andern war Carl dem V. in ſeiner Wahl- capitulation vorgeſchrieben, daß ein Reichsregi- ment errichtet werden ſollte, das in ſeiner Abwe- ſen- III.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/385>, abgerufen am 27.04.2024.