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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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5) Merovinger b) Verfall 561-752.
vergessen machen konnte. Auf der andern Seite
bedurfte aber auch der Römische Stuhl die Freund-
schaft eines solchen Helden, wie Carl Martell war,
um theils gegen den Griechischen Hof, theils gegen
die Longobarden gesichert zu seyn. In dieser Ab-
sicht bekam schon Carl Martell den Antrag, den
Titel Patricius der Römer anzunehmen; wahr-
scheinlich in dem Sinne, um eine Art von Schutz
der Stadt Rom und der Römischen Kirche zu über-
nehmen. Aber mit ihm blieb es nur noch in Tra-
ctaten. Er mochte es wohl nicht gerathen finden,
sich in Verbindungen einzulaßen, die ihn nöthigen
könnten, ein Kriegsheer über die Alpen zu führen.

In der Hauptsache schien der Tod Carl Mar-XVIII.
tells den Entwurf der Thronbesteigung für seine
Familie wieder von der Vollendung zu entfernen.
Seine zwey Söhne, Carlmann und Pipin, un-
terließen zwar nicht, den Regententitel, so wie er
ihn geführt hatte, gleichsam erblich fortzuführen;
aber sie vertheilten auch das Reich unter sich wie
eine Erbschaft; und doch äußerte sich noch man-
ches Mißvergnügen bey den Großen der Nation;
selbst den geistlichen Stand nicht ausgenommen,
der über manches, das Carl Martell ohne gnug-
same Schonung der geistlichen Güter vorgenommen
hatte, doch nicht ganz zufrieden war. Durch diese
Umstände bewogen, ließen beide Brüder wieder
einen Merovinger Prinzen Childerich den III. den
königlichen Titel führen. Sie selbst beeiferten sich
aber desto mehr, sich dem geistlichen Stande ge-
fälliger zu machen; wie dann in diese Zeit etliche
merkwürdige Kirchenversammlungen fallen, und
selbst die letzten Hauptverrichtungen Bonifazens,
da er 744. die Abtey Fulda errichtete, und 745.744

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D

5) Merovinger b) Verfall 561-752.
vergeſſen machen konnte. Auf der andern Seite
bedurfte aber auch der Roͤmiſche Stuhl die Freund-
ſchaft eines ſolchen Helden, wie Carl Martell war,
um theils gegen den Griechiſchen Hof, theils gegen
die Longobarden geſichert zu ſeyn. In dieſer Ab-
ſicht bekam ſchon Carl Martell den Antrag, den
Titel Patricius der Roͤmer anzunehmen; wahr-
ſcheinlich in dem Sinne, um eine Art von Schutz
der Stadt Rom und der Roͤmiſchen Kirche zu uͤber-
nehmen. Aber mit ihm blieb es nur noch in Tra-
ctaten. Er mochte es wohl nicht gerathen finden,
ſich in Verbindungen einzulaßen, die ihn noͤthigen
koͤnnten, ein Kriegsheer uͤber die Alpen zu fuͤhren.

In der Hauptſache ſchien der Tod Carl Mar-XVIII.
tells den Entwurf der Thronbeſteigung fuͤr ſeine
Familie wieder von der Vollendung zu entfernen.
Seine zwey Soͤhne, Carlmann und Pipin, un-
terließen zwar nicht, den Regententitel, ſo wie er
ihn gefuͤhrt hatte, gleichſam erblich fortzufuͤhren;
aber ſie vertheilten auch das Reich unter ſich wie
eine Erbſchaft; und doch aͤußerte ſich noch man-
ches Mißvergnuͤgen bey den Großen der Nation;
ſelbſt den geiſtlichen Stand nicht ausgenommen,
der uͤber manches, das Carl Martell ohne gnug-
ſame Schonung der geiſtlichen Guͤter vorgenommen
hatte, doch nicht ganz zufrieden war. Durch dieſe
Umſtaͤnde bewogen, ließen beide Bruͤder wieder
einen Merovinger Prinzen Childerich den III. den
koͤniglichen Titel fuͤhren. Sie ſelbſt beeiferten ſich
aber deſto mehr, ſich dem geiſtlichen Stande ge-
faͤlliger zu machen; wie dann in dieſe Zeit etliche
merkwuͤrdige Kirchenverſammlungen fallen, und
ſelbſt die letzten Hauptverrichtungen Bonifazens,
da er 744. die Abtey Fulda errichtete, und 745.744

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[49/0083] 5) Merovinger b) Verfall 561-752. vergeſſen machen konnte. Auf der andern Seite bedurfte aber auch der Roͤmiſche Stuhl die Freund- ſchaft eines ſolchen Helden, wie Carl Martell war, um theils gegen den Griechiſchen Hof, theils gegen die Longobarden geſichert zu ſeyn. In dieſer Ab- ſicht bekam ſchon Carl Martell den Antrag, den Titel Patricius der Roͤmer anzunehmen; wahr- ſcheinlich in dem Sinne, um eine Art von Schutz der Stadt Rom und der Roͤmiſchen Kirche zu uͤber- nehmen. Aber mit ihm blieb es nur noch in Tra- ctaten. Er mochte es wohl nicht gerathen finden, ſich in Verbindungen einzulaßen, die ihn noͤthigen koͤnnten, ein Kriegsheer uͤber die Alpen zu fuͤhren. In der Hauptſache ſchien der Tod Carl Mar- tells den Entwurf der Thronbeſteigung fuͤr ſeine Familie wieder von der Vollendung zu entfernen. Seine zwey Soͤhne, Carlmann und Pipin, un- terließen zwar nicht, den Regententitel, ſo wie er ihn gefuͤhrt hatte, gleichſam erblich fortzufuͤhren; aber ſie vertheilten auch das Reich unter ſich wie eine Erbſchaft; und doch aͤußerte ſich noch man- ches Mißvergnuͤgen bey den Großen der Nation; ſelbſt den geiſtlichen Stand nicht ausgenommen, der uͤber manches, das Carl Martell ohne gnug- ſame Schonung der geiſtlichen Guͤter vorgenommen hatte, doch nicht ganz zufrieden war. Durch dieſe Umſtaͤnde bewogen, ließen beide Bruͤder wieder einen Merovinger Prinzen Childerich den III. den koͤniglichen Titel fuͤhren. Sie ſelbſt beeiferten ſich aber deſto mehr, ſich dem geiſtlichen Stande ge- faͤlliger zu machen; wie dann in dieſe Zeit etliche merkwuͤrdige Kirchenverſammlungen fallen, und ſelbſt die letzten Hauptverrichtungen Bonifazens, da er 744. die Abtey Fulda errichtete, und 745. zu XVIII. 744 D

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/83>, abgerufen am 29.04.2024.