Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.8) Simultaneum. die Vermuthung für sich hätten, daß alles, wassie vorher gehabt, und dem Fremdlinge nicht aus- drücklich eingeräumet hätten, von ihnen jedesmal mit Recht zurückgenommen und nur für sich behau- ptet werden könnte (d). Höchstens würde diese Vergleichung passen, wenn ein catholischer Staat z. B. Spanien Protestanten als Colonisten aus an- dern Ländern unter gewissen Bedingungen aufge- nommen hätte. Aber auf unsere Teutsche evange- lische Städte und Länder, deren eingebohrne Ein- wohner und Unterthanen nicht etwa als Fremdlin- ge aufgenommen, sondern ihre Religion nach ver- änderten Einsichten und mit Einstimmung ihrer Obrigkeiten geändert hatten, wie sollte da jene Ver- gleichung passen? Wie sollten nicht vielmehr gera- de im Gegentheile nach der Vergleichung catholi- sche nur als Fremdlinge in einem evangelischen Lan- de angesehen werden, wenn auch gleich die Person des Landesherrn catholisch geblieben, oder wie der Fall am häufigsten sich ereignet hat, durch eine Religionsveränderung von seiner Seite oder ver- möge einer auf ihn gefallenen Succession catho- lisch geworden war? So lange solche Vorstellun- gen und Gesinnungen obwalteten, konnten Prote- stanten, die einen catholischen Landesherrn hatten, sich wenig Hoffnung machen, in ungestöhrtem Be- sitze ihres Religionszustandes vom Jahre 1624. her zu bleiben. Schon vor dem Westphälischen Frieden hat-X. Bi- (d) Oben Th. 1. S. 409. VII. P 5
8) Simultaneum. die Vermuthung fuͤr ſich haͤtten, daß alles, wasſie vorher gehabt, und dem Fremdlinge nicht aus- druͤcklich eingeraͤumet haͤtten, von ihnen jedesmal mit Recht zuruͤckgenommen und nur fuͤr ſich behau- ptet werden koͤnnte (d). Hoͤchſtens wuͤrde dieſe Vergleichung paſſen, wenn ein catholiſcher Staat z. B. Spanien Proteſtanten als Coloniſten aus an- dern Laͤndern unter gewiſſen Bedingungen aufge- nommen haͤtte. Aber auf unſere Teutſche evange- liſche Staͤdte und Laͤnder, deren eingebohrne Ein- wohner und Unterthanen nicht etwa als Fremdlin- ge aufgenommen, ſondern ihre Religion nach ver- aͤnderten Einſichten und mit Einſtimmung ihrer Obrigkeiten geaͤndert hatten, wie ſollte da jene Ver- gleichung paſſen? Wie ſollten nicht vielmehr gera- de im Gegentheile nach der Vergleichung catholi- ſche nur als Fremdlinge in einem evangeliſchen Lan- de angeſehen werden, wenn auch gleich die Perſon des Landesherrn catholiſch geblieben, oder wie der Fall am haͤufigſten ſich ereignet hat, durch eine Religionsveraͤnderung von ſeiner Seite oder ver- moͤge einer auf ihn gefallenen Succeſſion catho- liſch geworden war? So lange ſolche Vorſtellun- gen und Geſinnungen obwalteten, konnten Prote- ſtanten, die einen catholiſchen Landesherrn hatten, ſich wenig Hoffnung machen, in ungeſtoͤhrtem Be- ſitze ihres Religionszuſtandes vom Jahre 1624. her zu bleiben. Schon vor dem Weſtphaͤliſchen Frieden hat-X. Bi- (d) Oben Th. 1. S. 409. VII. P 5
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8) Simultaneum.
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mit Recht zuruͤckgenommen und nur fuͤr ſich behau-
ptet werden koͤnnte (d). Hoͤchſtens wuͤrde dieſe
Vergleichung paſſen, wenn ein catholiſcher Staat z.
B. Spanien Proteſtanten als Coloniſten aus an-
dern Laͤndern unter gewiſſen Bedingungen aufge-
nommen haͤtte. Aber auf unſere Teutſche evange-
liſche Staͤdte und Laͤnder, deren eingebohrne Ein-
wohner und Unterthanen nicht etwa als Fremdlin-
ge aufgenommen, ſondern ihre Religion nach ver-
aͤnderten Einſichten und mit Einſtimmung ihrer
Obrigkeiten geaͤndert hatten, wie ſollte da jene Ver-
gleichung paſſen? Wie ſollten nicht vielmehr gera-
de im Gegentheile nach der Vergleichung catholi-
ſche nur als Fremdlinge in einem evangeliſchen Lan-
de angeſehen werden, wenn auch gleich die Perſon
des Landesherrn catholiſch geblieben, oder wie der
Fall am haͤufigſten ſich ereignet hat, durch eine
Religionsveraͤnderung von ſeiner Seite oder ver-
moͤge einer auf ihn gefallenen Succeſſion catho-
liſch geworden war? So lange ſolche Vorſtellun-
gen und Geſinnungen obwalteten, konnten Prote-
ſtanten, die einen catholiſchen Landesherrn hatten,
ſich wenig Hoffnung machen, in ungeſtoͤhrtem Be-
ſitze ihres Religionszuſtandes vom Jahre 1624.
her zu bleiben.
Schon vor dem Weſtphaͤliſchen Frieden hat-
ten ſich einige Faͤlle ereignet, wo ſich dieſe Geſin-
nungen deutlich gnug zu erkennen gaben. Im
Bi-
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Zitationshilfe: | Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/275>, abgerufen am 17.06.2024. |