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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VI. Neuere Z. Ferd. I--III. 1558-1648.
wurde, als das Concilium zu Trient zwischen Ca-
tholischen und Protestanten gethan hatte. In den
meisten Teutschen evangelischen Ländern wurde die-
ses Concordienbuch zwar eingeführt, aber doch nicht
in allen. Viel weniger fand es in Dänemark
und England den gehofften Beyfall. Inzwischen
entstand eben darüber zwischen den Lutherischen und
reformirten Ständen in Teutschland ein der gemei-
nen Sache der Protestanten äußerst nachtheiliges
Mißverständniß. Selbst das glückliche Gleichge-
wicht, so bisher die drey evangelischen Churhöfe
gegen die drey geistlichen gehalten hatten, litt gar
sehr durch das üble Vernehmen, das sich zwischen
Chursachsen und Churpfalz hervorthat, da letzteres
zur reformirten Parthey gehörte, und derselben
treu blieb.


III.

Alle diese Umstände wußten insonderheit die
Jesuiten vortrefflich zu benutzen. Sie glaubten
jetzt, ohne Scheu behaupten zu können, daß der
Religionsfriede an sich nicht nur nicht zu Recht
beständig und höchstens nur ein Bedingungsweise
eingegangenes, aber nun längst entkräftetes Tem-
poralwerk sey, sondern daß er jetzt auch überall
nicht mehr in Anwendung gebracht werden könne; --
auf die Reformirten nicht, weil die Lutherischen
selbst sie nicht für ihre Glaubensgenossen anerkänn-
ten; -- auf die Lutherischen auch nicht, weil sie
sich nicht mehr an der alleine im Religionsfrieden
zum Grunde gelegten Augsburgischen Confession
hielten, sondern ein neues symbolisches Buch, die
Concordienformel angenommen hätten, wovon der
Religionsfriede nichts wüßte.


Sie

VI. Neuere Z. Ferd. I—III. 1558-1648.
wurde, als das Concilium zu Trient zwiſchen Ca-
tholiſchen und Proteſtanten gethan hatte. In den
meiſten Teutſchen evangeliſchen Laͤndern wurde die-
ſes Concordienbuch zwar eingefuͤhrt, aber doch nicht
in allen. Viel weniger fand es in Daͤnemark
und England den gehofften Beyfall. Inzwiſchen
entſtand eben daruͤber zwiſchen den Lutheriſchen und
reformirten Staͤnden in Teutſchland ein der gemei-
nen Sache der Proteſtanten aͤußerſt nachtheiliges
Mißverſtaͤndniß. Selbſt das gluͤckliche Gleichge-
wicht, ſo bisher die drey evangeliſchen Churhoͤfe
gegen die drey geiſtlichen gehalten hatten, litt gar
ſehr durch das uͤble Vernehmen, das ſich zwiſchen
Churſachſen und Churpfalz hervorthat, da letzteres
zur reformirten Parthey gehoͤrte, und derſelben
treu blieb.


III.

Alle dieſe Umſtaͤnde wußten inſonderheit die
Jeſuiten vortrefflich zu benutzen. Sie glaubten
jetzt, ohne Scheu behaupten zu koͤnnen, daß der
Religionsfriede an ſich nicht nur nicht zu Recht
beſtaͤndig und hoͤchſtens nur ein Bedingungsweiſe
eingegangenes, aber nun laͤngſt entkraͤftetes Tem-
poralwerk ſey, ſondern daß er jetzt auch uͤberall
nicht mehr in Anwendung gebracht werden koͤnne; —
auf die Reformirten nicht, weil die Lutheriſchen
ſelbſt ſie nicht fuͤr ihre Glaubensgenoſſen anerkaͤnn-
ten; — auf die Lutheriſchen auch nicht, weil ſie
ſich nicht mehr an der alleine im Religionsfrieden
zum Grunde gelegten Augsburgiſchen Confeſſion
hielten, ſondern ein neues ſymboliſches Buch, die
Concordienformel angenommen haͤtten, wovon der
Religionsfriede nichts wuͤßte.


Sie
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[16/0058] VI. Neuere Z. Ferd. I—III. 1558-1648. wurde, als das Concilium zu Trient zwiſchen Ca- tholiſchen und Proteſtanten gethan hatte. In den meiſten Teutſchen evangeliſchen Laͤndern wurde die- ſes Concordienbuch zwar eingefuͤhrt, aber doch nicht in allen. Viel weniger fand es in Daͤnemark und England den gehofften Beyfall. Inzwiſchen entſtand eben daruͤber zwiſchen den Lutheriſchen und reformirten Staͤnden in Teutſchland ein der gemei- nen Sache der Proteſtanten aͤußerſt nachtheiliges Mißverſtaͤndniß. Selbſt das gluͤckliche Gleichge- wicht, ſo bisher die drey evangeliſchen Churhoͤfe gegen die drey geiſtlichen gehalten hatten, litt gar ſehr durch das uͤble Vernehmen, das ſich zwiſchen Churſachſen und Churpfalz hervorthat, da letzteres zur reformirten Parthey gehoͤrte, und derſelben treu blieb. Alle dieſe Umſtaͤnde wußten inſonderheit die Jeſuiten vortrefflich zu benutzen. Sie glaubten jetzt, ohne Scheu behaupten zu koͤnnen, daß der Religionsfriede an ſich nicht nur nicht zu Recht beſtaͤndig und hoͤchſtens nur ein Bedingungsweiſe eingegangenes, aber nun laͤngſt entkraͤftetes Tem- poralwerk ſey, ſondern daß er jetzt auch uͤberall nicht mehr in Anwendung gebracht werden koͤnne; — auf die Reformirten nicht, weil die Lutheriſchen ſelbſt ſie nicht fuͤr ihre Glaubensgenoſſen anerkaͤnn- ten; — auf die Lutheriſchen auch nicht, weil ſie ſich nicht mehr an der alleine im Religionsfrieden zum Grunde gelegten Augsburgiſchen Confeſſion hielten, ſondern ein neues ſymboliſches Buch, die Concordienformel angenommen haͤtten, wovon der Religionsfriede nichts wuͤßte. Sie

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/58>, abgerufen am 01.05.2024.