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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
hiengen, kam jetzt darauf an: ob es bey der prag-
matischen Sanction
, deren Befestigung der ver-
storbene Kaiser sich so sehr hatte angelegen seyn
laßen, nunmehr bleiben würde, oder nicht? So-
viel man wußte, war nur noch der einzige Hof zu
München, dessen Widerspruch gegen die pragma-
tische Sanction noch nicht gehoben war. Diesen
Widerspruch gründete aber der Churfürst von Bai-
ern jetzt nicht sowohl auf die Gerechtsame seiner
Gemahlinn, als einer Tochter des Kaiser Josephs,
als vielmehr von wegen seiner eignen Person, weil
seine väterliche Urururgroßmutter, weiland Her-
zogs Albrechts des V. von Baiern Gemahlinn An-
na, eine Tochter Kaiser Ferdinands des I. gewe-
sen war, die zwar bey ihrer Vermählung zum Be-
sten ihrer Brüder und deren männlichen Nachkom-
men den gewöhnlichen Verzicht geleistet, jedoch
auf den Fall des Abganges des Oesterreichischen
Mannsstamms sich und ihren Nachkommen ihre
Rechte vorbehalten hatte.


II.

Diese Art Ansprüche, die man mit dem Na-
men einer Regredienterbschaft zu belegen pfle-
get, hat in so weit ihren guten Grund, daß einer
fürstlichen Tochter und ihren Nachkommen, wenn
sie den Abgang des Mannsstamms erleben, ge-
gen den sie in der Erbfolge ihres Hauses zurück-
stehen müßen, ihre bisherige Ausschließung und
Verzichtleistung nicht mehr zum Nachtheile gerei-
chen kann. Denn sofern nicht etwa von solchen
Lehngütern die Rede ist, worin gar keine weibliche
Erbfolge statt findet, so können nach den in Teutsch-
land hergebrachten Successionsrechten fürstlicher
Häuser nach gänzlich erloschenem Mannsstamme

auch

XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
hiengen, kam jetzt darauf an: ob es bey der prag-
matiſchen Sanction
, deren Befeſtigung der ver-
ſtorbene Kaiſer ſich ſo ſehr hatte angelegen ſeyn
laßen, nunmehr bleiben wuͤrde, oder nicht? So-
viel man wußte, war nur noch der einzige Hof zu
Muͤnchen, deſſen Widerſpruch gegen die pragma-
tiſche Sanction noch nicht gehoben war. Dieſen
Widerſpruch gruͤndete aber der Churfuͤrſt von Bai-
ern jetzt nicht ſowohl auf die Gerechtſame ſeiner
Gemahlinn, als einer Tochter des Kaiſer Joſephs,
als vielmehr von wegen ſeiner eignen Perſon, weil
ſeine vaͤterliche Urururgroßmutter, weiland Her-
zogs Albrechts des V. von Baiern Gemahlinn An-
na, eine Tochter Kaiſer Ferdinands des I. gewe-
ſen war, die zwar bey ihrer Vermaͤhlung zum Be-
ſten ihrer Bruͤder und deren maͤnnlichen Nachkom-
men den gewoͤhnlichen Verzicht geleiſtet, jedoch
auf den Fall des Abganges des Oeſterreichiſchen
Mannsſtamms ſich und ihren Nachkommen ihre
Rechte vorbehalten hatte.


II.

Dieſe Art Anſpruͤche, die man mit dem Na-
men einer Regredienterbſchaft zu belegen pfle-
get, hat in ſo weit ihren guten Grund, daß einer
fuͤrſtlichen Tochter und ihren Nachkommen, wenn
ſie den Abgang des Mannsſtamms erleben, ge-
gen den ſie in der Erbfolge ihres Hauſes zuruͤck-
ſtehen muͤßen, ihre bisherige Ausſchließung und
Verzichtleiſtung nicht mehr zum Nachtheile gerei-
chen kann. Denn ſofern nicht etwa von ſolchen
Lehnguͤtern die Rede iſt, worin gar keine weibliche
Erbfolge ſtatt findet, ſo koͤnnen nach den in Teutſch-
land hergebrachten Succeſſionsrechten fuͤrſtlicher
Haͤuſer nach gaͤnzlich erloſchenem Mannsſtamme

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[8/0042] XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748. hiengen, kam jetzt darauf an: ob es bey der prag- matiſchen Sanction, deren Befeſtigung der ver- ſtorbene Kaiſer ſich ſo ſehr hatte angelegen ſeyn laßen, nunmehr bleiben wuͤrde, oder nicht? So- viel man wußte, war nur noch der einzige Hof zu Muͤnchen, deſſen Widerſpruch gegen die pragma- tiſche Sanction noch nicht gehoben war. Dieſen Widerſpruch gruͤndete aber der Churfuͤrſt von Bai- ern jetzt nicht ſowohl auf die Gerechtſame ſeiner Gemahlinn, als einer Tochter des Kaiſer Joſephs, als vielmehr von wegen ſeiner eignen Perſon, weil ſeine vaͤterliche Urururgroßmutter, weiland Her- zogs Albrechts des V. von Baiern Gemahlinn An- na, eine Tochter Kaiſer Ferdinands des I. gewe- ſen war, die zwar bey ihrer Vermaͤhlung zum Be- ſten ihrer Bruͤder und deren maͤnnlichen Nachkom- men den gewoͤhnlichen Verzicht geleiſtet, jedoch auf den Fall des Abganges des Oeſterreichiſchen Mannsſtamms ſich und ihren Nachkommen ihre Rechte vorbehalten hatte. Dieſe Art Anſpruͤche, die man mit dem Na- men einer Regredienterbſchaft zu belegen pfle- get, hat in ſo weit ihren guten Grund, daß einer fuͤrſtlichen Tochter und ihren Nachkommen, wenn ſie den Abgang des Mannsſtamms erleben, ge- gen den ſie in der Erbfolge ihres Hauſes zuruͤck- ſtehen muͤßen, ihre bisherige Ausſchließung und Verzichtleiſtung nicht mehr zum Nachtheile gerei- chen kann. Denn ſofern nicht etwa von ſolchen Lehnguͤtern die Rede iſt, worin gar keine weibliche Erbfolge ſtatt findet, ſo koͤnnen nach den in Teutſch- land hergebrachten Succeſſionsrechten fuͤrſtlicher Haͤuſer nach gaͤnzlich erloſchenem Mannsſtamme auch

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/42>, abgerufen am 12.10.2024.