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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Das XVIII. Hauptstück. Wie ein Musikus
welchen
Wie die Singart der Deutschen in den alten Zeiten beschaffen gewesen sey, kann
man, noch bis auf diese Stunde, in den meisten Städten, an den Chor- oder Schul-
sängern abnehmen. Diese bringen es zwar im Notenlesen weiter, als viele ga-
lante Sänger anderer Völker: allein mit der Stimme wissen sie fast gar nicht
umzugehen. Sie singen daher meistentheils ohne Licht und Schatten, in einer-
ley Stärke des Tones. Die Nasen- und Gurgelfehler kennen sie kaum. Die
Vereinigung der Bruststimme mit dem Falset ist ihnen eben so unbekannt, als
den Franzosen. Mit dem Triller begnügen sie sich so, wie ihn die Natur giebt.
Von der italiänischen Schmeicheley, welche durch geschleifete Noten, und durch
das Vermindern und Verstärken des Tones gewirket wird, haben sie wenig Em-
pfindung. Jhr unangenehmes, übertriebenes, allzurauschendes Stoßen mit der
Brust, wobey sie sich die Fertigkeit der Deutschen das h auszusprechen rechtschaffen zu
Nutzen machen, und bey allen Noten: ha ha ha ha hören lassen, verursachet, daß die
Passagien alle gehacket klingen; und ist von der Art, mit welcher die welschen Brust-
stimmen die Passagien vortragen, weit entfernet. Den simpeln Gesang hengen
sie nicht genug an einander, und verbinden denselben nicht durch vorhaltende No-
ten: weswegen ihr Vortrag sehr trocken und einfältig klingt. Es fehlet diesen
deutschen Chorsängern zwar weder an natürlich guten Stimmen, noch an der
Fähigkeit etwas zu lernen: es fehlet ihnen vielmehr an der guten Unterweisung.
Die Cantores sollen, wegen der mit ihrem Amte immer verknüpfeten Schular-
beiten, zugleich halbe Gelehrte seyn. Deswegen wird öfters bey der Wahl mehr
auf das letztere, als auf die Wissenschaft in der Musik gesehen. Die nach sol-
chen Absichten erwähleten Cantores treiben deswegen die Musik, von der sie ohne-
dem sehr wenig wissen, nur als ein Nebenwerk. Sie wünschen nichts mehr, als
bald durch eine gute fette Dorfpfarre, von der Schule, und zugleich von der Musik
erlöset zu werden. Findet sich auch ja noch hier und da ein Cantor, der das
Seinige versteht, und seinem musikalischen Amte rechtschaffen vorzustehen Lust hat:
so suchen an vielen Orten die Obersten der Schule, einige geistlichen Aufseher der-
selben, unter denen viele der Musik aufsätzig sind, nicht ausgenommen, sowohl
den Cantor, als die Schüler, an Ausübung der Musik zu hindern. Auch sogar
in denen Schulen, welche, besage ihrer Gesetze, hauptsächlich in der Absicht ge-
stiftet worden sind, daß die Musik darinne vorzüglich soll gelehret und gelernet,
und musici eruditi gezogen werden, ist öfters der durch den Vorsteher unterstü-
tzete Rector der abgesagteste Feind der Musik. Gerade als wenn ein guter La-
teiner und ein guter Musikus Dinge wären, deren eines das andere nothwen-
diger Weise aufhebt. Die mit den Cantordiensten verknüpfeten Vortheile, sind
an vielen, ja an den meisten Orten, so gering, daß ein guter Musikus Bedenken
tragen muß, einen solchen Dienst, ohne Noth, anzunehmen. Da es nun, auf
solche Art, in Deutschland an guter Anweisung, vornehmlich in der Vocalmusik,
fehlet; da derselben auch noch dazu an vielen Orten unübersteigliche Hindernisse
in den Weg geleget werden: so können auch nicht leicht gute Sänger erzogen wer-
den. Es ist bey diesen Umständen zu vermuthen, daß bey den Deutschen die
gute Singart niemals so allgemein werden dürfte, als bey den Jtaliänern; bey
Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
welchen
Wie die Singart der Deutſchen in den alten Zeiten beſchaffen geweſen ſey, kann
man, noch bis auf dieſe Stunde, in den meiſten Staͤdten, an den Chor- oder Schul-
ſaͤngern abnehmen. Dieſe bringen es zwar im Notenleſen weiter, als viele ga-
lante Saͤnger anderer Voͤlker: allein mit der Stimme wiſſen ſie faſt gar nicht
umzugehen. Sie ſingen daher meiſtentheils ohne Licht und Schatten, in einer-
ley Staͤrke des Tones. Die Naſen- und Gurgelfehler kennen ſie kaum. Die
Vereinigung der Bruſtſtimme mit dem Falſet iſt ihnen eben ſo unbekannt, als
den Franzoſen. Mit dem Triller begnuͤgen ſie ſich ſo, wie ihn die Natur giebt.
Von der italiaͤniſchen Schmeicheley, welche durch geſchleifete Noten, und durch
das Vermindern und Verſtaͤrken des Tones gewirket wird, haben ſie wenig Em-
pfindung. Jhr unangenehmes, uͤbertriebenes, allzurauſchendes Stoßen mit der
Bruſt, wobey ſie ſich die Fertigkeit der Deutſchen das h auszuſprechen rechtſchaffen zu
Nutzen machen, und bey allen Noten: ha ha ha ha hoͤren laſſen, verurſachet, daß die
Paſſagien alle gehacket klingen; und iſt von der Art, mit welcher die welſchen Bruſt-
ſtimmen die Paſſagien vortragen, weit entfernet. Den ſimpeln Geſang hengen
ſie nicht genug an einander, und verbinden denſelben nicht durch vorhaltende No-
ten: weswegen ihr Vortrag ſehr trocken und einfaͤltig klingt. Es fehlet dieſen
deutſchen Chorſaͤngern zwar weder an natuͤrlich guten Stimmen, noch an der
Faͤhigkeit etwas zu lernen: es fehlet ihnen vielmehr an der guten Unterweiſung.
Die Cantores ſollen, wegen der mit ihrem Amte immer verknuͤpfeten Schular-
beiten, zugleich halbe Gelehrte ſeyn. Deswegen wird oͤfters bey der Wahl mehr
auf das letztere, als auf die Wiſſenſchaft in der Muſik geſehen. Die nach ſol-
chen Abſichten erwaͤhleten Cantores treiben deswegen die Muſik, von der ſie ohne-
dem ſehr wenig wiſſen, nur als ein Nebenwerk. Sie wuͤnſchen nichts mehr, als
bald durch eine gute fette Dorfpfarre, von der Schule, und zugleich von der Muſik
erloͤſet zu werden. Findet ſich auch ja noch hier und da ein Cantor, der das
Seinige verſteht, und ſeinem muſikaliſchen Amte rechtſchaffen vorzuſtehen Luſt hat:
ſo ſuchen an vielen Orten die Oberſten der Schule, einige geiſtlichen Aufſeher der-
ſelben, unter denen viele der Muſik aufſaͤtzig ſind, nicht ausgenommen, ſowohl
den Cantor, als die Schuͤler, an Ausuͤbung der Muſik zu hindern. Auch ſogar
in denen Schulen, welche, beſage ihrer Geſetze, hauptſaͤchlich in der Abſicht ge-
ſtiftet worden ſind, daß die Muſik darinne vorzuͤglich ſoll gelehret und gelernet,
und muſici eruditi gezogen werden, iſt oͤfters der durch den Vorſteher unterſtuͤ-
tzete Rector der abgeſagteſte Feind der Muſik. Gerade als wenn ein guter La-
teiner und ein guter Muſikus Dinge waͤren, deren eines das andere nothwen-
diger Weiſe aufhebt. Die mit den Cantordienſten verknuͤpfeten Vortheile, ſind
an vielen, ja an den meiſten Orten, ſo gering, daß ein guter Muſikus Bedenken
tragen muß, einen ſolchen Dienſt, ohne Noth, anzunehmen. Da es nun, auf
ſolche Art, in Deutſchland an guter Anweiſung, vornehmlich in der Vocalmuſik,
fehlet; da derſelben auch noch dazu an vielen Orten unuͤberſteigliche Hinderniſſe
in den Weg geleget werden: ſo koͤnnen auch nicht leicht gute Saͤnger erzogen wer-
den. Es iſt bey dieſen Umſtaͤnden zu vermuthen, daß bey den Deutſchen die
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[326/0344] Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus (*) welchen (*) Wie die Singart der Deutſchen in den alten Zeiten beſchaffen geweſen ſey, kann man, noch bis auf dieſe Stunde, in den meiſten Staͤdten, an den Chor- oder Schul- ſaͤngern abnehmen. Dieſe bringen es zwar im Notenleſen weiter, als viele ga- lante Saͤnger anderer Voͤlker: allein mit der Stimme wiſſen ſie faſt gar nicht umzugehen. Sie ſingen daher meiſtentheils ohne Licht und Schatten, in einer- ley Staͤrke des Tones. Die Naſen- und Gurgelfehler kennen ſie kaum. Die Vereinigung der Bruſtſtimme mit dem Falſet iſt ihnen eben ſo unbekannt, als den Franzoſen. Mit dem Triller begnuͤgen ſie ſich ſo, wie ihn die Natur giebt. Von der italiaͤniſchen Schmeicheley, welche durch geſchleifete Noten, und durch das Vermindern und Verſtaͤrken des Tones gewirket wird, haben ſie wenig Em- pfindung. Jhr unangenehmes, uͤbertriebenes, allzurauſchendes Stoßen mit der Bruſt, wobey ſie ſich die Fertigkeit der Deutſchen das h auszuſprechen rechtſchaffen zu Nutzen machen, und bey allen Noten: ha ha ha ha hoͤren laſſen, verurſachet, daß die Paſſagien alle gehacket klingen; und iſt von der Art, mit welcher die welſchen Bruſt- ſtimmen die Paſſagien vortragen, weit entfernet. Den ſimpeln Geſang hengen ſie nicht genug an einander, und verbinden denſelben nicht durch vorhaltende No- ten: weswegen ihr Vortrag ſehr trocken und einfaͤltig klingt. Es fehlet dieſen deutſchen Chorſaͤngern zwar weder an natuͤrlich guten Stimmen, noch an der Faͤhigkeit etwas zu lernen: es fehlet ihnen vielmehr an der guten Unterweiſung. Die Cantores ſollen, wegen der mit ihrem Amte immer verknuͤpfeten Schular- beiten, zugleich halbe Gelehrte ſeyn. Deswegen wird oͤfters bey der Wahl mehr auf das letztere, als auf die Wiſſenſchaft in der Muſik geſehen. Die nach ſol- chen Abſichten erwaͤhleten Cantores treiben deswegen die Muſik, von der ſie ohne- dem ſehr wenig wiſſen, nur als ein Nebenwerk. Sie wuͤnſchen nichts mehr, als bald durch eine gute fette Dorfpfarre, von der Schule, und zugleich von der Muſik erloͤſet zu werden. Findet ſich auch ja noch hier und da ein Cantor, der das Seinige verſteht, und ſeinem muſikaliſchen Amte rechtſchaffen vorzuſtehen Luſt hat: ſo ſuchen an vielen Orten die Oberſten der Schule, einige geiſtlichen Aufſeher der- ſelben, unter denen viele der Muſik aufſaͤtzig ſind, nicht ausgenommen, ſowohl den Cantor, als die Schuͤler, an Ausuͤbung der Muſik zu hindern. Auch ſogar in denen Schulen, welche, beſage ihrer Geſetze, hauptſaͤchlich in der Abſicht ge- ſtiftet worden ſind, daß die Muſik darinne vorzuͤglich ſoll gelehret und gelernet, und muſici eruditi gezogen werden, iſt oͤfters der durch den Vorſteher unterſtuͤ- tzete Rector der abgeſagteſte Feind der Muſik. Gerade als wenn ein guter La- teiner und ein guter Muſikus Dinge waͤren, deren eines das andere nothwen- diger Weiſe aufhebt. Die mit den Cantordienſten verknuͤpfeten Vortheile, ſind an vielen, ja an den meiſten Orten, ſo gering, daß ein guter Muſikus Bedenken tragen muß, einen ſolchen Dienſt, ohne Noth, anzunehmen. Da es nun, auf ſolche Art, in Deutſchland an guter Anweiſung, vornehmlich in der Vocalmuſik, fehlet; da derſelben auch noch dazu an vielen Orten unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg geleget werden: ſo koͤnnen auch nicht leicht gute Saͤnger erzogen wer- den. Es iſt bey dieſen Umſtaͤnden zu vermuthen, daß bey den Deutſchen die gute Singart niemals ſo allgemein werden duͤrfte, als bey den Jtaliaͤnern; bey

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/344>, abgerufen am 01.05.2024.