Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

duft, kleines Herz? Komm, lege Dein Köpfchen hierher;
keine Mücke, keine Fliege, und wenn sie noch so golden
wäre, soll Dich im Schlummer stören. Schließe dreist
die Augen und träume einen hübschen Elfentraum von
Schmetterlingen und Blumen und kleinen Vögeln."

Wie behaglich der Pudel gähnt und, den Kopf auf
die Vorderpfoten gelegt, mit den Augen blinzelt.

"S'ist doch ein ganz ander Ding ohne Maulkorb, --
nicht wahr Rezensent?"

Wie der Doctor so nachdenklich die blauen Cigarren-
wölkchen von sich bläs't! Denkt er an seinen ersten Auf-
satz in den "Knospen;" denkt er an die Münchener
Cousine?

Wie sich der Lehrer mit leuchtenden Augen in die
Pflanzenschätze seiner Botanisirbüchse vertieft!

"Heda Roder, was schaut da zwischen den Blättern
und Wurzelwerk für ein Heft hervor?"

"Her damit!"

Der Lehrer erröthet und reicht lächelnd das Heft
herüber.

"Was sehe ich! Vermag der Schulstaub solche Blü-
then zu treiben?!"

Grinsend steckte der Doctor Wimmer den Kopf über
meine Schulter und machte nach einigen Blicken auf das
Manuscript sogleich Anstalt, es für die Knospen mit

duft, kleines Herz? Komm, lege Dein Köpfchen hierher;
keine Mücke, keine Fliege, und wenn ſie noch ſo golden
wäre, ſoll Dich im Schlummer ſtören. Schließe dreiſt
die Augen und träume einen hübſchen Elfentraum von
Schmetterlingen und Blumen und kleinen Vögeln.“

Wie behaglich der Pudel gähnt und, den Kopf auf
die Vorderpfoten gelegt, mit den Augen blinzelt.

„S’iſt doch ein ganz ander Ding ohne Maulkorb, —
nicht wahr Rezenſent?“

Wie der Doctor ſo nachdenklich die blauen Cigarren-
wölkchen von ſich bläſ’t! Denkt er an ſeinen erſten Auf-
ſatz in den „Knospen;“ denkt er an die Münchener
Couſine?

Wie ſich der Lehrer mit leuchtenden Augen in die
Pflanzenſchätze ſeiner Botaniſirbüchſe vertieft!

„Heda Roder, was ſchaut da zwiſchen den Blättern
und Wurzelwerk für ein Heft hervor?“

„Her damit!“

Der Lehrer erröthet und reicht lächelnd das Heft
herüber.

„Was ſehe ich! Vermag der Schulſtaub ſolche Blü-
then zu treiben?!“

Grinſend ſteckte der Doctor Wimmer den Kopf über
meine Schulter und machte nach einigen Blicken auf das
Manuſcript ſogleich Anſtalt, es für die Knospen mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="122"/>
duft, kleines Herz? Komm, lege Dein Köpfchen hierher;<lb/>
keine Mücke, keine Fliege, und wenn &#x017F;ie noch &#x017F;o golden<lb/>
wäre, &#x017F;oll Dich im Schlummer &#x017F;tören. Schließe drei&#x017F;t<lb/>
die Augen und träume einen hüb&#x017F;chen Elfentraum von<lb/>
Schmetterlingen und Blumen und kleinen Vögeln.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wie behaglich der Pudel gähnt und, den Kopf auf<lb/>
die Vorderpfoten gelegt, mit den Augen blinzelt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;S&#x2019;i&#x017F;t doch ein ganz ander Ding ohne Maulkorb, &#x2014;<lb/>
nicht wahr Rezen&#x017F;ent?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wie der Doctor &#x017F;o nachdenklich die blauen Cigarren-<lb/>
wölkchen von &#x017F;ich blä&#x017F;&#x2019;t! Denkt er an &#x017F;einen er&#x017F;ten Auf-<lb/>
&#x017F;atz in den &#x201E;Knospen;&#x201C; denkt er an die Münchener<lb/>
Cou&#x017F;ine?</p><lb/>
        <p>Wie &#x017F;ich der Lehrer mit leuchtenden Augen in die<lb/>
Pflanzen&#x017F;chätze &#x017F;einer Botani&#x017F;irbüch&#x017F;e vertieft!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Heda Roder, was &#x017F;chaut da zwi&#x017F;chen den Blättern<lb/>
und Wurzelwerk für ein Heft hervor?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Her damit!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Lehrer erröthet und reicht lächelnd das Heft<lb/>
herüber.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was &#x017F;ehe ich! Vermag der Schul&#x017F;taub &#x017F;olche Blü-<lb/>
then zu treiben?!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Grin&#x017F;end &#x017F;teckte der Doctor Wimmer den Kopf über<lb/>
meine Schulter und machte nach einigen Blicken auf das<lb/>
Manu&#x017F;cript &#x017F;ogleich An&#x017F;talt, es für die Knospen mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0132] duft, kleines Herz? Komm, lege Dein Köpfchen hierher; keine Mücke, keine Fliege, und wenn ſie noch ſo golden wäre, ſoll Dich im Schlummer ſtören. Schließe dreiſt die Augen und träume einen hübſchen Elfentraum von Schmetterlingen und Blumen und kleinen Vögeln.“ Wie behaglich der Pudel gähnt und, den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt, mit den Augen blinzelt. „S’iſt doch ein ganz ander Ding ohne Maulkorb, — nicht wahr Rezenſent?“ Wie der Doctor ſo nachdenklich die blauen Cigarren- wölkchen von ſich bläſ’t! Denkt er an ſeinen erſten Auf- ſatz in den „Knospen;“ denkt er an die Münchener Couſine? Wie ſich der Lehrer mit leuchtenden Augen in die Pflanzenſchätze ſeiner Botaniſirbüchſe vertieft! „Heda Roder, was ſchaut da zwiſchen den Blättern und Wurzelwerk für ein Heft hervor?“ „Her damit!“ Der Lehrer erröthet und reicht lächelnd das Heft herüber. „Was ſehe ich! Vermag der Schulſtaub ſolche Blü- then zu treiben?!“ Grinſend ſteckte der Doctor Wimmer den Kopf über meine Schulter und machte nach einigen Blicken auf das Manuſcript ſogleich Anſtalt, es für die Knospen mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/132
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/132>, abgerufen am 05.05.2024.