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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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ein Jägersmann zu sein, und zog er sogleich fort von
Seeburg, dies alte, verfallene Haus in Stand zu setzen,
daß die Louise nachfolgen könne. War ich damals nicht
daheim, sondern im fremden Franzosenland, wo das
Volk der Plackerei und Adelswirthschaft müde geworden
war und reinen Tisch machte; schlug ich mich herum in
der Champagne in dem Regiment Weimar-Cuirassire,
bis der Herzog von Braunschweig und die Preußen und
Alle retiriren mußten durch Dreck und Regen. Kam
ich zurück auf Urlaub, stellte mein Pferd ab im golde-
nen Hirschen, putzte den Staub von den hohen Stie-
feln, rieb den Harnisch so blank als möglich, setzte den
Dreimaster verwegen auf's Ohr und faßte mir ein Herz,
-- war ich nicht Wachtmeister in der sechsten Schwa-
dron? -- meinen heimlichen Schatz zu bitten um seine
hübsche weiße Hand. Sahen mich die Leute so sonder-
bar an, als ich durch das Dorf schritt dem kleinen Häu-
sel zu, wo mein Schatz wohnte, und begegnete mir auch
der Castellan vom Schloß, der mich nicht leiden konnte,
und grinste er mich so höhnisch an, daß ich den Pallasch
fester faßte und einen welschen Fluch brummte. Ahnte
ich aber nichts und schob Alles auf die Verwunderung
über mein martialisch' Ansehen, und schritt mit einem
Herzen, das halb freudig, halb furchtsam klopfte, der
kleinen Thür in dem Zaune zu, der das Ralff'sche

ein Jägersmann zu ſein, und zog er ſogleich fort von
Seeburg, dies alte, verfallene Haus in Stand zu ſetzen,
daß die Louiſe nachfolgen könne. War ich damals nicht
daheim, ſondern im fremden Franzoſenland, wo das
Volk der Plackerei und Adelswirthſchaft müde geworden
war und reinen Tiſch machte; ſchlug ich mich herum in
der Champagne in dem Regiment Weimar-Cuiraſſire,
bis der Herzog von Braunſchweig und die Preußen und
Alle retiriren mußten durch Dreck und Regen. Kam
ich zurück auf Urlaub, ſtellte mein Pferd ab im golde-
nen Hirſchen, putzte den Staub von den hohen Stie-
feln, rieb den Harniſch ſo blank als möglich, ſetzte den
Dreimaſter verwegen auf’s Ohr und faßte mir ein Herz,
— war ich nicht Wachtmeiſter in der ſechſten Schwa-
dron? — meinen heimlichen Schatz zu bitten um ſeine
hübſche weiße Hand. Sahen mich die Leute ſo ſonder-
bar an, als ich durch das Dorf ſchritt dem kleinen Häu-
ſel zu, wo mein Schatz wohnte, und begegnete mir auch
der Caſtellan vom Schloß, der mich nicht leiden konnte,
und grinſte er mich ſo höhniſch an, daß ich den Pallaſch
feſter faßte und einen welſchen Fluch brummte. Ahnte
ich aber nichts und ſchob Alles auf die Verwunderung
über mein martialiſch’ Anſehen, und ſchritt mit einem
Herzen, das halb freudig, halb furchtſam klopfte, der
kleinen Thür in dem Zaune zu, der das Ralff’ſche

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[55/0065] ein Jägersmann zu ſein, und zog er ſogleich fort von Seeburg, dies alte, verfallene Haus in Stand zu ſetzen, daß die Louiſe nachfolgen könne. War ich damals nicht daheim, ſondern im fremden Franzoſenland, wo das Volk der Plackerei und Adelswirthſchaft müde geworden war und reinen Tiſch machte; ſchlug ich mich herum in der Champagne in dem Regiment Weimar-Cuiraſſire, bis der Herzog von Braunſchweig und die Preußen und Alle retiriren mußten durch Dreck und Regen. Kam ich zurück auf Urlaub, ſtellte mein Pferd ab im golde- nen Hirſchen, putzte den Staub von den hohen Stie- feln, rieb den Harniſch ſo blank als möglich, ſetzte den Dreimaſter verwegen auf’s Ohr und faßte mir ein Herz, — war ich nicht Wachtmeiſter in der ſechſten Schwa- dron? — meinen heimlichen Schatz zu bitten um ſeine hübſche weiße Hand. Sahen mich die Leute ſo ſonder- bar an, als ich durch das Dorf ſchritt dem kleinen Häu- ſel zu, wo mein Schatz wohnte, und begegnete mir auch der Caſtellan vom Schloß, der mich nicht leiden konnte, und grinſte er mich ſo höhniſch an, daß ich den Pallaſch feſter faßte und einen welſchen Fluch brummte. Ahnte ich aber nichts und ſchob Alles auf die Verwunderung über mein martialiſch’ Anſehen, und ſchritt mit einem Herzen, das halb freudig, halb furchtſam klopfte, der kleinen Thür in dem Zaune zu, der das Ralff’ſche

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/65>, abgerufen am 01.05.2024.