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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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das ein R sein, dieses Ungethüm? O, welch ein Klex
Schriftstellerin! Welche Dintenverschwendung von den
Händen bis auf die Nasenspitze! Wie wird die alte
Martha waschen müssen! Du sagst: Du habest nun ge-
nug Buchstaben gemalt, Du müssest jetzt herunter; Du
meinst: sogar die Fliegen hielten es nicht mehr aus in
der Stube, Du sähest wohl, wie sie mit den Köpfen ge-
gen die Scheiben stießen?!

Nun so lauf und fall' nicht, Wildfang; ich sehe ein,
wir müssen Dich doch wohl zu dem Herrn Roder in die
Schule schicken, damit Du Stillsitzen lernst. -- --

Was ist das auf einmal für ein helles Stimmchen,
welches drüben aus dem Fenster meiner alten Wohnung
in No. 11 ruft:

"Onkel Wachholder, Onkel Wachholder! Ausgehen,
Ausgehen!"

Quält die kleine Hexe nicht schon wieder den Doc-
tor der Philosophie Heinrich Wimmer, der da drüben
seine Leitartikel und schlechten Romane schreibt? Wirk-
lich es ist so. Eine Baßstimme brummt herüber:

"Wachholder, 's ist 'ne absolute Unmöglichkeit, bei
dem Heidenlärm, den Euer Mädchen hier mit dem Buch-
druckerjungen und dem Rezensenten -- (Rezensent heißt
der Hund des Doctors, ein ehrbarer, schwarzer Pudel)
treibt, weiter zu schreiben. Ich bin mitten in einer der

das ein R ſein, dieſes Ungethüm? O, welch ein Klex
Schriftſtellerin! Welche Dintenverſchwendung von den
Händen bis auf die Naſenſpitze! Wie wird die alte
Martha waſchen müſſen! Du ſagſt: Du habeſt nun ge-
nug Buchſtaben gemalt, Du müſſeſt jetzt herunter; Du
meinſt: ſogar die Fliegen hielten es nicht mehr aus in
der Stube, Du ſäheſt wohl, wie ſie mit den Köpfen ge-
gen die Scheiben ſtießen?!

Nun ſo lauf und fall’ nicht, Wildfang; ich ſehe ein,
wir müſſen Dich doch wohl zu dem Herrn Roder in die
Schule ſchicken, damit Du Stillſitzen lernſt. — —

Was iſt das auf einmal für ein helles Stimmchen,
welches drüben aus dem Fenſter meiner alten Wohnung
in No. 11 ruft:

„Onkel Wachholder, Onkel Wachholder! Ausgehen,
Ausgehen!“

Quält die kleine Hexe nicht ſchon wieder den Doc-
tor der Philoſophie Heinrich Wimmer, der da drüben
ſeine Leitartikel und ſchlechten Romane ſchreibt? Wirk-
lich es iſt ſo. Eine Baßſtimme brummt herüber:

„Wachholder, ’s iſt ’ne abſolute Unmöglichkeit, bei
dem Heidenlärm, den Euer Mädchen hier mit dem Buch-
druckerjungen und dem Rezenſenten — (Rezenſent heißt
der Hund des Doctors, ein ehrbarer, ſchwarzer Pudel)
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[76/0086] das ein R ſein, dieſes Ungethüm? O, welch ein Klex Schriftſtellerin! Welche Dintenverſchwendung von den Händen bis auf die Naſenſpitze! Wie wird die alte Martha waſchen müſſen! Du ſagſt: Du habeſt nun ge- nug Buchſtaben gemalt, Du müſſeſt jetzt herunter; Du meinſt: ſogar die Fliegen hielten es nicht mehr aus in der Stube, Du ſäheſt wohl, wie ſie mit den Köpfen ge- gen die Scheiben ſtießen?! Nun ſo lauf und fall’ nicht, Wildfang; ich ſehe ein, wir müſſen Dich doch wohl zu dem Herrn Roder in die Schule ſchicken, damit Du Stillſitzen lernſt. — — Was iſt das auf einmal für ein helles Stimmchen, welches drüben aus dem Fenſter meiner alten Wohnung in No. 11 ruft: „Onkel Wachholder, Onkel Wachholder! Ausgehen, Ausgehen!“ Quält die kleine Hexe nicht ſchon wieder den Doc- tor der Philoſophie Heinrich Wimmer, der da drüben ſeine Leitartikel und ſchlechten Romane ſchreibt? Wirk- lich es iſt ſo. Eine Baßſtimme brummt herüber: „Wachholder, ’s iſt ’ne abſolute Unmöglichkeit, bei dem Heidenlärm, den Euer Mädchen hier mit dem Buch- druckerjungen und dem Rezenſenten — (Rezenſent heißt der Hund des Doctors, ein ehrbarer, ſchwarzer Pudel) treibt, weiter zu ſchreiben. Ich bin mitten in einer der

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/86>, abgerufen am 01.05.2024.