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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Zeit ein Rittergut zu kaufen wünscht, und Alles
diesem Zweck erspart."

Wie kam er drauf? fragt Damon, der Schult-
heiß von Arkadien, und dieselbe Frage an mich zu
stellen, ist die Welt vollauf berechtigt.

Aber vielleicht weiß grade sie das mir mitzu-
theilen! Wie kommen Menschen dahin, wo sie sich,
sich besinnend, zu eigener Verwunderung dann und
wann finden?

Ich an dieser Stelle kann nur so viel sagen,
daß ich glaube, den Landbriefträger Störzer als
dafür verantwortlich halten zu dürfen. Meinen alten
Freund Störzer. Meinen alten guten Freund von
der Landstraße der Kinderzeit in der nächsten Um-
gebung meiner Heimathstadt in Arkadien, also -- von
allen Landstraßen und Seewegen der weitesten Welt.

Nachdem man also seinen Berechtigungsgrund,
im alten Vaterlande mitzusprechen, wo gebildete Leute
reden, auf den Tisch gelegt hat, kann man hoffentlich
weiter gehen. Dieses thue ich jetzt mit der Zwischen-
bemerkung, daß ich absolut nicht sagen kann, ob ich
für das heutige Vaterland bloß nur allein ortho-
graphisch noch recht oder richtig schreiben kann. Es
sind selbst in dieser Richtung während meiner Ab-
wesenheit zu große kleine Leute am Werke gewesen, und
können unter polizeilicher Beglaubigung das wunder-
volle ironische Wort des französischen Erbfeindes ge-
brauchen: Nous avons change tout cela. Das haben
wir am verkehrten Ende aufgenommen, sagt freilich
leider der deutsche Mann nicht! Der nimmt immer

Zeit ein Rittergut zu kaufen wünſcht, und Alles
dieſem Zweck erſpart.“

Wie kam er drauf? fragt Damon, der Schult-
heiß von Arkadien, und dieſelbe Frage an mich zu
ſtellen, iſt die Welt vollauf berechtigt.

Aber vielleicht weiß grade ſie das mir mitzu-
theilen! Wie kommen Menſchen dahin, wo ſie ſich,
ſich beſinnend, zu eigener Verwunderung dann und
wann finden?

Ich an dieſer Stelle kann nur ſo viel ſagen,
daß ich glaube, den Landbriefträger Störzer als
dafür verantwortlich halten zu dürfen. Meinen alten
Freund Störzer. Meinen alten guten Freund von
der Landſtraße der Kinderzeit in der nächſten Um-
gebung meiner Heimathſtadt in Arkadien, alſo — von
allen Landſtraßen und Seewegen der weiteſten Welt.

Nachdem man alſo ſeinen Berechtigungsgrund,
im alten Vaterlande mitzuſprechen, wo gebildete Leute
reden, auf den Tiſch gelegt hat, kann man hoffentlich
weiter gehen. Dieſes thue ich jetzt mit der Zwiſchen-
bemerkung, daß ich abſolut nicht ſagen kann, ob ich
für das heutige Vaterland bloß nur allein ortho-
graphiſch noch recht oder richtig ſchreiben kann. Es
ſind ſelbſt in dieſer Richtung während meiner Ab-
weſenheit zu große kleine Leute am Werke geweſen, und
können unter polizeilicher Beglaubigung das wunder-
volle ironiſche Wort des franzöſiſchen Erbfeindes ge-
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[2/0012] Zeit ein Rittergut zu kaufen wünſcht, und Alles dieſem Zweck erſpart.“ Wie kam er drauf? fragt Damon, der Schult- heiß von Arkadien, und dieſelbe Frage an mich zu ſtellen, iſt die Welt vollauf berechtigt. Aber vielleicht weiß grade ſie das mir mitzu- theilen! Wie kommen Menſchen dahin, wo ſie ſich, ſich beſinnend, zu eigener Verwunderung dann und wann finden? Ich an dieſer Stelle kann nur ſo viel ſagen, daß ich glaube, den Landbriefträger Störzer als dafür verantwortlich halten zu dürfen. Meinen alten Freund Störzer. Meinen alten guten Freund von der Landſtraße der Kinderzeit in der nächſten Um- gebung meiner Heimathſtadt in Arkadien, alſo — von allen Landſtraßen und Seewegen der weiteſten Welt. Nachdem man alſo ſeinen Berechtigungsgrund, im alten Vaterlande mitzuſprechen, wo gebildete Leute reden, auf den Tiſch gelegt hat, kann man hoffentlich weiter gehen. Dieſes thue ich jetzt mit der Zwiſchen- bemerkung, daß ich abſolut nicht ſagen kann, ob ich für das heutige Vaterland bloß nur allein ortho- graphiſch noch recht oder richtig ſchreiben kann. Es ſind ſelbſt in dieſer Richtung während meiner Ab- weſenheit zu große kleine Leute am Werke geweſen, und können unter polizeilicher Beglaubigung das wunder- volle ironiſche Wort des franzöſiſchen Erbfeindes ge- brauchen: Nous avons changé tout cela. Das haben wir am verkehrten Ende aufgenommen, ſagt freilich leider der deutſche Mann nicht! Der nimmt immer

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/12>, abgerufen am 26.04.2024.