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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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gewesen wäre als Ökonom, als Landwirth, als Bauer
auf der rothen Schanze. O guter Gott, wie habe ich
damals geschluchzt oder meine Thränen verbissen, wie
habe ich geweint vor Jammer und Frohlocken! na-
türlich nur vom Küchenfenster aus, wo er nichts da-
von merken konnte. Es war ja zu unnatürlich!"

"Natürlich war es zu unnatürlich; nämlich daß
Jakob um Rahel sieben Jahre lang dienete," grinste
Stopfkuchen. "Etwas kürzer machten wir doch die
Sache ab. Ich nahm sie, und sie nahm mich be-
deutend früher; und jetzt ganz kurz, o Du mein
Jugendfreund: es war jammerschade, daß Du nicht
mit bei der Hochzeit warst; denn da würdest Du mich
zum erstenmal nach Verdienst gewürdigt haben.
Und wenn Du an dem Tage gerufen hättest: ,O,
dieser Stopfkuchen!' so würdest Du zum erstenmal
vollkommen Recht mit dem Worte gehabt haben,
sowohl was die Braut wie was das Festmahl an-
betraf. Die reine Hochzeit des Camacho, nur daß
ich auch die Maid für mich selber behielt! Du weißt,
Eduard, daß ich, unter meiner Hecke, allerlei durch-
einander zusammenlas. Aber Du erfährst vielleicht
erst heute, daß es in der ganzen Weltpoesie nur eine
Schilderung gibt, welche mich selber poetisch stimmt,
stimmte und stimmen wird: die Hochzeit des Camacho!
O welch einen Hunger muß der Sennor Miguel bei
der Ausmalung der Vorbereitungen zu der wunder-
baren schmalzreichen, bratenfettglänzenden, zuckerig-
inkrustirenden Abfütterung gehabt haben! seinen süd-
ländischen, mäßigen, nach Ziegenfellschläuchen duftenden

geweſen wäre als Ökonom, als Landwirth, als Bauer
auf der rothen Schanze. O guter Gott, wie habe ich
damals geſchluchzt oder meine Thränen verbiſſen, wie
habe ich geweint vor Jammer und Frohlocken! na-
türlich nur vom Küchenfenſter aus, wo er nichts da-
von merken konnte. Es war ja zu unnatürlich!“

„Natürlich war es zu unnatürlich; nämlich daß
Jakob um Rahel ſieben Jahre lang dienete,“ grinſte
Stopfkuchen. „Etwas kürzer machten wir doch die
Sache ab. Ich nahm ſie, und ſie nahm mich be-
deutend früher; und jetzt ganz kurz, o Du mein
Jugendfreund: es war jammerſchade, daß Du nicht
mit bei der Hochzeit warſt; denn da würdeſt Du mich
zum erſtenmal nach Verdienſt gewürdigt haben.
Und wenn Du an dem Tage gerufen hätteſt: ‚O,
dieſer Stopfkuchen!‘ ſo würdeſt Du zum erſtenmal
vollkommen Recht mit dem Worte gehabt haben,
ſowohl was die Braut wie was das Feſtmahl an-
betraf. Die reine Hochzeit des Camacho, nur daß
ich auch die Maid für mich ſelber behielt! Du weißt,
Eduard, daß ich, unter meiner Hecke, allerlei durch-
einander zuſammenlas. Aber Du erfährſt vielleicht
erſt heute, daß es in der ganzen Weltpoeſie nur eine
Schilderung gibt, welche mich ſelber poetiſch ſtimmt,
ſtimmte und ſtimmen wird: die Hochzeit des Camacho!
O welch einen Hunger muß der Sennor Miguel bei
der Ausmalung der Vorbereitungen zu der wunder-
baren ſchmalzreichen, bratenfettglänzenden, zuckerig-
inkruſtirenden Abfütterung gehabt haben! ſeinen ſüd-
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[191/0201] geweſen wäre als Ökonom, als Landwirth, als Bauer auf der rothen Schanze. O guter Gott, wie habe ich damals geſchluchzt oder meine Thränen verbiſſen, wie habe ich geweint vor Jammer und Frohlocken! na- türlich nur vom Küchenfenſter aus, wo er nichts da- von merken konnte. Es war ja zu unnatürlich!“ „Natürlich war es zu unnatürlich; nämlich daß Jakob um Rahel ſieben Jahre lang dienete,“ grinſte Stopfkuchen. „Etwas kürzer machten wir doch die Sache ab. Ich nahm ſie, und ſie nahm mich be- deutend früher; und jetzt ganz kurz, o Du mein Jugendfreund: es war jammerſchade, daß Du nicht mit bei der Hochzeit warſt; denn da würdeſt Du mich zum erſtenmal nach Verdienſt gewürdigt haben. Und wenn Du an dem Tage gerufen hätteſt: ‚O, dieſer Stopfkuchen!‘ ſo würdeſt Du zum erſtenmal vollkommen Recht mit dem Worte gehabt haben, ſowohl was die Braut wie was das Feſtmahl an- betraf. Die reine Hochzeit des Camacho, nur daß ich auch die Maid für mich ſelber behielt! Du weißt, Eduard, daß ich, unter meiner Hecke, allerlei durch- einander zuſammenlas. Aber Du erfährſt vielleicht erſt heute, daß es in der ganzen Weltpoeſie nur eine Schilderung gibt, welche mich ſelber poetiſch ſtimmt, ſtimmte und ſtimmen wird: die Hochzeit des Camacho! O welch einen Hunger muß der Sennor Miguel bei der Ausmalung der Vorbereitungen zu der wunder- baren ſchmalzreichen, bratenfettglänzenden, zuckerig- inkruſtirenden Abfütterung gehabt haben! ſeinen ſüd- ländiſchen, mäßigen, nach Ziegenfellſchläuchen duftenden

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/201>, abgerufen am 07.05.2024.