Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

unserer Verlassenheit, was aus uns werden soll, da
der Großvater nicht mehr da ist. Wer hätte das so
schnell für möglich halten sollen? Er war noch so
rüstig zu Fuße! Er hätte gut noch manch liebes
Jahr gehen können in seinem Amte! Es war ja
immer eine Verwunderung hier im Viertel über ihn
und sein Stolz dazu, daß er immer noch auf den
Beinen sich hielt wie der Jüngste."

"Nun, das kann in einem Alter wie das seinige
freilich nicht jeder von sich behaupten, und das ist
doch auch ein Trost, liebe Frau; und das Übrige
wird sich ja auch wohl finden und machen. So eine
rüstige, junge Frau bloß mit Einem auf dem Arm
und Einem an der Schürze! Man schlägt sich schon
durch und im Nothfall helfen auch wohl Andere. Was
hat er denn für einen Tod gehabt, Frau Störzer?"

"Ja, Gott sei wenigstens dafür Dank! einen
recht guten! . . . Viel leiden hat er nicht müssen, sagt
der Herr Doktor. Und das soll man ihm auch wohl
gönnen; denn auf der Seele hat ihm wohl Nichts zu
schwer gelegen. Daß aber jetzt gerade Sie so gütig
sind und hier zu uns an sein letztes Ruhebett treten,
das ist mir fast wie eine Schickung, Herr Schau-
mann! Nämlich gerade bei Ihnen, Herr Schaumann,
oder auf Ihrer rothen Schanze ist er in seinen letzten
Tagen und Stunden recht häufig anwesend gewesen.
Er hat immerfort nach der Schanze hinausgewollt:
da hätte er noch eine wichtige Sache und Bestellung.
Davon hat er immerzu gesprochen und von einer
Bestellung bei Ihnen, das heißt bei Ihrem seligen

unſerer Verlaſſenheit, was aus uns werden ſoll, da
der Großvater nicht mehr da iſt. Wer hätte das ſo
ſchnell für möglich halten ſollen? Er war noch ſo
rüſtig zu Fuße! Er hätte gut noch manch liebes
Jahr gehen können in ſeinem Amte! Es war ja
immer eine Verwunderung hier im Viertel über ihn
und ſein Stolz dazu, daß er immer noch auf den
Beinen ſich hielt wie der Jüngſte.“

„Nun, das kann in einem Alter wie das ſeinige
freilich nicht jeder von ſich behaupten, und das iſt
doch auch ein Troſt, liebe Frau; und das Übrige
wird ſich ja auch wohl finden und machen. So eine
rüſtige, junge Frau bloß mit Einem auf dem Arm
und Einem an der Schürze! Man ſchlägt ſich ſchon
durch und im Nothfall helfen auch wohl Andere. Was
hat er denn für einen Tod gehabt, Frau Störzer?“

„Ja, Gott ſei wenigſtens dafür Dank! einen
recht guten! . . . Viel leiden hat er nicht müſſen, ſagt
der Herr Doktor. Und das ſoll man ihm auch wohl
gönnen; denn auf der Seele hat ihm wohl Nichts zu
ſchwer gelegen. Daß aber jetzt gerade Sie ſo gütig
ſind und hier zu uns an ſein letztes Ruhebett treten,
das iſt mir faſt wie eine Schickung, Herr Schau-
mann! Nämlich gerade bei Ihnen, Herr Schaumann,
oder auf Ihrer rothen Schanze iſt er in ſeinen letzten
Tagen und Stunden recht häufig anweſend geweſen.
Er hat immerfort nach der Schanze hinausgewollt:
da hätte er noch eine wichtige Sache und Beſtellung.
Davon hat er immerzu geſprochen und von einer
Beſtellung bei Ihnen, das heißt bei Ihrem ſeligen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0232" n="222"/>
un&#x017F;erer Verla&#x017F;&#x017F;enheit, was aus uns werden &#x017F;oll, da<lb/>
der Großvater nicht mehr da i&#x017F;t. Wer hätte das &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chnell für möglich halten &#x017F;ollen? Er war noch &#x017F;o<lb/>&#x017F;tig zu Fuße! Er hätte gut noch manch liebes<lb/>
Jahr gehen können in &#x017F;einem Amte! Es war ja<lb/>
immer eine Verwunderung hier im Viertel über ihn<lb/>
und &#x017F;ein Stolz dazu, daß er immer noch auf den<lb/>
Beinen &#x017F;ich hielt wie der Jüng&#x017F;te.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, das kann in einem Alter wie das &#x017F;einige<lb/>
freilich nicht jeder von &#x017F;ich behaupten, und das i&#x017F;t<lb/>
doch auch ein Tro&#x017F;t, liebe Frau; und das Übrige<lb/>
wird &#x017F;ich ja auch wohl finden und machen. So eine<lb/>&#x017F;tige, junge Frau bloß mit Einem auf dem Arm<lb/>
und Einem an der Schürze! Man &#x017F;chlägt &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
durch und im Nothfall helfen auch wohl Andere. Was<lb/>
hat er denn für einen Tod gehabt, Frau Störzer?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Gott &#x017F;ei wenig&#x017F;tens dafür Dank! einen<lb/>
recht guten! . . . Viel leiden hat er nicht mü&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;agt<lb/>
der Herr Doktor. Und das &#x017F;oll man ihm auch wohl<lb/>
gönnen; denn auf der Seele hat ihm wohl Nichts zu<lb/>
&#x017F;chwer gelegen. Daß aber jetzt gerade Sie &#x017F;o gütig<lb/>
&#x017F;ind und hier zu uns an &#x017F;ein letztes Ruhebett treten,<lb/>
das i&#x017F;t mir fa&#x017F;t wie eine Schickung, Herr Schau-<lb/>
mann! Nämlich gerade bei Ihnen, Herr Schaumann,<lb/>
oder auf Ihrer rothen Schanze i&#x017F;t er in &#x017F;einen letzten<lb/>
Tagen und Stunden recht häufig anwe&#x017F;end gewe&#x017F;en.<lb/>
Er hat immerfort nach der Schanze hinausgewollt:<lb/>
da hätte er noch eine wichtige Sache und Be&#x017F;tellung.<lb/>
Davon hat er immerzu ge&#x017F;prochen und von einer<lb/>
Be&#x017F;tellung bei Ihnen, das heißt bei Ihrem &#x017F;eligen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0232] unſerer Verlaſſenheit, was aus uns werden ſoll, da der Großvater nicht mehr da iſt. Wer hätte das ſo ſchnell für möglich halten ſollen? Er war noch ſo rüſtig zu Fuße! Er hätte gut noch manch liebes Jahr gehen können in ſeinem Amte! Es war ja immer eine Verwunderung hier im Viertel über ihn und ſein Stolz dazu, daß er immer noch auf den Beinen ſich hielt wie der Jüngſte.“ „Nun, das kann in einem Alter wie das ſeinige freilich nicht jeder von ſich behaupten, und das iſt doch auch ein Troſt, liebe Frau; und das Übrige wird ſich ja auch wohl finden und machen. So eine rüſtige, junge Frau bloß mit Einem auf dem Arm und Einem an der Schürze! Man ſchlägt ſich ſchon durch und im Nothfall helfen auch wohl Andere. Was hat er denn für einen Tod gehabt, Frau Störzer?“ „Ja, Gott ſei wenigſtens dafür Dank! einen recht guten! . . . Viel leiden hat er nicht müſſen, ſagt der Herr Doktor. Und das ſoll man ihm auch wohl gönnen; denn auf der Seele hat ihm wohl Nichts zu ſchwer gelegen. Daß aber jetzt gerade Sie ſo gütig ſind und hier zu uns an ſein letztes Ruhebett treten, das iſt mir faſt wie eine Schickung, Herr Schau- mann! Nämlich gerade bei Ihnen, Herr Schaumann, oder auf Ihrer rothen Schanze iſt er in ſeinen letzten Tagen und Stunden recht häufig anweſend geweſen. Er hat immerfort nach der Schanze hinausgewollt: da hätte er noch eine wichtige Sache und Beſtellung. Davon hat er immerzu geſprochen und von einer Beſtellung bei Ihnen, das heißt bei Ihrem ſeligen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/232
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/232>, abgerufen am 07.05.2024.