Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

fangen, als ihn höchstens den Advokaten in seiner
Sache in die Taschen zu stecken. Dabei steckte ich
einen Pfahl mit einem Strohwisch und der Inschrift:
,Lasset die Todten ihre Todten begraben. In andern
Geschäftsangelegenheiten wende man sich an Heinrich
Schaumann, Rentner. Sprechstunden nach Verab-
redung.' Einen Hinweis auf Euern Scherznamen
,Stopfkuchen' ließ ich aus, denn der verstand sich ja
bei Jedermann auf Meilen Weges in der Runde von
selber, wo es sich um mich und gar noch in meiner
jetzigen Verbindung mit der rothen Schanze handelte.
Bleiben wir bei dem richtigen Herrn derselben. Sie
hatten ihm Knochen genug in den Weg geworfen:
ich gewann ihn für die Paläontologie. Ich nahm
ihn mit auf mein Feld hinaus. Am Stock, auf
Krücken, im Rollstuhl, nahm ich ihn mit an meine
Steinbrüche, Kies- und Mergelgruben und überzeugte
sein armes, konfuses Gehirn vollständig, daß diese
Knochensuche sehr genau mit der Zuckerraffinerie und
also auch mit dem Steigen und Fallen unserer Fabrik-
aktien zusammenhänge. Hatte ich ihm als dummer
Junge durch mein Latein imponirt, so imponirte
ich ihm jetzt durch Paläozoologie und Paläophytologie.
Tinchen, der ich von Frauenrechtswegen, mit meiner
Lieberhaberei lächerlich vorkommen mußte, wußte sie
in dieser Hinsicht aber doch zu schätzen, ja, weinte
Thränen der Rührung, der dankbarsten Rührung über
sie. Als wir unser Olimsfaulthier gefunden hatten, und
ihr Papa, kindisch-kichernd und behaglich grunzend
sich die Hände in seinem Lehnstuhle rieb, nannte auch

fangen, als ihn höchſtens den Advokaten in ſeiner
Sache in die Taſchen zu ſtecken. Dabei ſteckte ich
einen Pfahl mit einem Strohwiſch und der Inſchrift:
‚Laſſet die Todten ihre Todten begraben. In andern
Geſchäftsangelegenheiten wende man ſich an Heinrich
Schaumann, Rentner. Sprechſtunden nach Verab-
redung.‘ Einen Hinweis auf Euern Scherznamen
‚Stopfkuchen‘ ließ ich aus, denn der verſtand ſich ja
bei Jedermann auf Meilen Weges in der Runde von
ſelber, wo es ſich um mich und gar noch in meiner
jetzigen Verbindung mit der rothen Schanze handelte.
Bleiben wir bei dem richtigen Herrn derſelben. Sie
hatten ihm Knochen genug in den Weg geworfen:
ich gewann ihn für die Paläontologie. Ich nahm
ihn mit auf mein Feld hinaus. Am Stock, auf
Krücken, im Rollſtuhl, nahm ich ihn mit an meine
Steinbrüche, Kies- und Mergelgruben und überzeugte
ſein armes, konfuſes Gehirn vollſtändig, daß dieſe
Knochenſuche ſehr genau mit der Zuckerraffinerie und
alſo auch mit dem Steigen und Fallen unſerer Fabrik-
aktien zuſammenhänge. Hatte ich ihm als dummer
Junge durch mein Latein imponirt, ſo imponirte
ich ihm jetzt durch Paläozoologie und Paläophytologie.
Tinchen, der ich von Frauenrechtswegen, mit meiner
Lieberhaberei lächerlich vorkommen mußte, wußte ſie
in dieſer Hinſicht aber doch zu ſchätzen, ja, weinte
Thränen der Rührung, der dankbarſten Rührung über
ſie. Als wir unſer Olimsfaulthier gefunden hatten, und
ihr Papa, kindiſch-kichernd und behaglich grunzend
ſich die Hände in ſeinem Lehnſtuhle rieb, nannte auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0240" n="230"/>
fangen, als ihn höch&#x017F;tens den Advokaten in &#x017F;einer<lb/>
Sache in die Ta&#x017F;chen zu &#x017F;tecken. Dabei &#x017F;teckte ich<lb/>
einen Pfahl mit einem Strohwi&#x017F;ch und der In&#x017F;chrift:<lb/>
&#x201A;La&#x017F;&#x017F;et die Todten ihre Todten begraben. In andern<lb/>
Ge&#x017F;chäftsangelegenheiten wende man &#x017F;ich an Heinrich<lb/>
Schaumann, Rentner. Sprech&#x017F;tunden nach Verab-<lb/>
redung.&#x2018; Einen Hinweis auf Euern Scherznamen<lb/>
&#x201A;Stopfkuchen&#x2018; ließ ich aus, denn der ver&#x017F;tand &#x017F;ich ja<lb/>
bei Jedermann auf Meilen Weges in der Runde von<lb/>
&#x017F;elber, wo es &#x017F;ich um mich und gar noch in meiner<lb/>
jetzigen Verbindung mit der rothen Schanze handelte.<lb/>
Bleiben wir bei dem richtigen Herrn der&#x017F;elben. Sie<lb/>
hatten ihm Knochen genug in den Weg geworfen:<lb/>
ich gewann ihn für die Paläontologie. Ich nahm<lb/>
ihn mit auf mein Feld hinaus. Am Stock, auf<lb/>
Krücken, im Roll&#x017F;tuhl, nahm ich ihn mit an meine<lb/>
Steinbrüche, Kies- und Mergelgruben und überzeugte<lb/>
&#x017F;ein armes, konfu&#x017F;es Gehirn voll&#x017F;tändig, daß die&#x017F;e<lb/>
Knochen&#x017F;uche &#x017F;ehr genau mit der Zuckerraffinerie und<lb/>
al&#x017F;o auch mit dem Steigen und Fallen un&#x017F;erer Fabrik-<lb/>
aktien zu&#x017F;ammenhänge. Hatte ich ihm als dummer<lb/>
Junge durch mein Latein imponirt, &#x017F;o imponirte<lb/>
ich ihm jetzt durch Paläozoologie und Paläophytologie.<lb/>
Tinchen, der ich von Frauenrechtswegen, mit meiner<lb/>
Lieberhaberei lächerlich vorkommen mußte, wußte &#x017F;ie<lb/>
in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht aber doch zu &#x017F;chätzen, ja, weinte<lb/>
Thränen der Rührung, der dankbar&#x017F;ten Rührung über<lb/>
&#x017F;ie. Als wir un&#x017F;er Olimsfaulthier gefunden hatten, und<lb/>
ihr Papa, kindi&#x017F;ch-kichernd und behaglich grunzend<lb/>
&#x017F;ich die Hände in &#x017F;einem Lehn&#x017F;tuhle rieb, nannte auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0240] fangen, als ihn höchſtens den Advokaten in ſeiner Sache in die Taſchen zu ſtecken. Dabei ſteckte ich einen Pfahl mit einem Strohwiſch und der Inſchrift: ‚Laſſet die Todten ihre Todten begraben. In andern Geſchäftsangelegenheiten wende man ſich an Heinrich Schaumann, Rentner. Sprechſtunden nach Verab- redung.‘ Einen Hinweis auf Euern Scherznamen ‚Stopfkuchen‘ ließ ich aus, denn der verſtand ſich ja bei Jedermann auf Meilen Weges in der Runde von ſelber, wo es ſich um mich und gar noch in meiner jetzigen Verbindung mit der rothen Schanze handelte. Bleiben wir bei dem richtigen Herrn derſelben. Sie hatten ihm Knochen genug in den Weg geworfen: ich gewann ihn für die Paläontologie. Ich nahm ihn mit auf mein Feld hinaus. Am Stock, auf Krücken, im Rollſtuhl, nahm ich ihn mit an meine Steinbrüche, Kies- und Mergelgruben und überzeugte ſein armes, konfuſes Gehirn vollſtändig, daß dieſe Knochenſuche ſehr genau mit der Zuckerraffinerie und alſo auch mit dem Steigen und Fallen unſerer Fabrik- aktien zuſammenhänge. Hatte ich ihm als dummer Junge durch mein Latein imponirt, ſo imponirte ich ihm jetzt durch Paläozoologie und Paläophytologie. Tinchen, der ich von Frauenrechtswegen, mit meiner Lieberhaberei lächerlich vorkommen mußte, wußte ſie in dieſer Hinſicht aber doch zu ſchätzen, ja, weinte Thränen der Rührung, der dankbarſten Rührung über ſie. Als wir unſer Olimsfaulthier gefunden hatten, und ihr Papa, kindiſch-kichernd und behaglich grunzend ſich die Hände in ſeinem Lehnſtuhle rieb, nannte auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/240
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/240>, abgerufen am 07.05.2024.