Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

rothe Schanze war noch immer vorhanden in diesem
Traume, wie sie unser Jugendideal gewesen war.

Da stieg sie auf im wohlerhaltenen Viereck.
Nur durch einen Dammweg über den tiefen Graben
mit der übrigen Welt in Verbindung! Mit Allem,
was sie der Knabenphantasie zu einem Entzücken und
Geheimniß gemacht hatte: mit den Kanonen und
Mörsern des Prinzen Xaver und mit der undurch-
dringlichen Dornenhecke, die der böse Bauer Andreas
Quakatz auf ihrer Höhe um sich, sein Tinchen, sein
Haus, seine Ställe und Scheunen und Alles was
sonst sein war, zum Abschluß gegen die schlimme
Welt gezogen hatte!

Ich höre ein dumpfes Rollen und Krachen in
meinen Traum von der rothen Schanze hinein, aber
es ist nicht der kursächsische Kanonendonner gegen den
König Fritz von Preußen, es ist das Gewitter, bei
dem Störzer sagt:

"Es kommt doch noch rascher über uns, als ich
mir dachte. Da, Eduard, nun thu mir den Gefallen
und laufe zu dem Adressaten Quakatz mit seinen
Sachen hinüber. Da, seine Zeitung, hier ein, zwei,
drei Briefe. Was der Mann eine Schreiberei um sich
hat! ach, Eduard, und immer ein paar mit den Ge-
richtssiegeln! Da, das Kind, sein Tinchen kuckt schon
um den Thorpfeiler! gib sie ihm ab, die Sachen;
ich sortire hier unter der Hainbuche derweil das
Uebrige, ehe das Unwetter ganz da ist."

"Was willst Du von uns, dummer Junge?"
höre ich nun ein feines Stimmchen, das gar böse

rothe Schanze war noch immer vorhanden in dieſem
Traume, wie ſie unſer Jugendideal geweſen war.

Da ſtieg ſie auf im wohlerhaltenen Viereck.
Nur durch einen Dammweg über den tiefen Graben
mit der übrigen Welt in Verbindung! Mit Allem,
was ſie der Knabenphantaſie zu einem Entzücken und
Geheimniß gemacht hatte: mit den Kanonen und
Mörſern des Prinzen Xaver und mit der undurch-
dringlichen Dornenhecke, die der böſe Bauer Andreas
Quakatz auf ihrer Höhe um ſich, ſein Tinchen, ſein
Haus, ſeine Ställe und Scheunen und Alles was
ſonſt ſein war, zum Abſchluß gegen die ſchlimme
Welt gezogen hatte!

Ich höre ein dumpfes Rollen und Krachen in
meinen Traum von der rothen Schanze hinein, aber
es iſt nicht der kurſächſiſche Kanonendonner gegen den
König Fritz von Preußen, es iſt das Gewitter, bei
dem Störzer ſagt:

„Es kommt doch noch raſcher über uns, als ich
mir dachte. Da, Eduard, nun thu mir den Gefallen
und laufe zu dem Adreſſaten Quakatz mit ſeinen
Sachen hinüber. Da, ſeine Zeitung, hier ein, zwei,
drei Briefe. Was der Mann eine Schreiberei um ſich
hat! ach, Eduard, und immer ein paar mit den Ge-
richtsſiegeln! Da, das Kind, ſein Tinchen kuckt ſchon
um den Thorpfeiler! gib ſie ihm ab, die Sachen;
ich ſortire hier unter der Hainbuche derweil das
Uebrige, ehe das Unwetter ganz da iſt.“

„Was willſt Du von uns, dummer Junge?“
höre ich nun ein feines Stimmchen, das gar böſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="24"/>
rothe Schanze war noch immer vorhanden in die&#x017F;em<lb/>
Traume, wie &#x017F;ie un&#x017F;er Jugendideal gewe&#x017F;en war.</p><lb/>
        <p>Da &#x017F;tieg &#x017F;ie auf im wohlerhaltenen Viereck.<lb/>
Nur durch einen Dammweg über den tiefen Graben<lb/>
mit der übrigen Welt in Verbindung! Mit Allem,<lb/>
was &#x017F;ie der Knabenphanta&#x017F;ie zu einem Entzücken und<lb/>
Geheimniß gemacht hatte: mit den Kanonen und<lb/>
Mör&#x017F;ern des Prinzen Xaver und mit der undurch-<lb/>
dringlichen Dornenhecke, die der bö&#x017F;e Bauer Andreas<lb/>
Quakatz auf ihrer Höhe um &#x017F;ich, &#x017F;ein Tinchen, &#x017F;ein<lb/>
Haus, &#x017F;eine Ställe und Scheunen und Alles was<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ein war, zum Ab&#x017F;chluß gegen die &#x017F;chlimme<lb/>
Welt gezogen hatte!</p><lb/>
        <p>Ich höre ein dumpfes Rollen und Krachen in<lb/>
meinen Traum von der rothen Schanze hinein, aber<lb/>
es i&#x017F;t nicht der kur&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che Kanonendonner gegen den<lb/>
König Fritz von Preußen, es i&#x017F;t das Gewitter, bei<lb/>
dem Störzer &#x017F;agt:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es kommt doch noch ra&#x017F;cher über uns, als ich<lb/>
mir dachte. Da, Eduard, nun thu mir den Gefallen<lb/>
und laufe zu dem Adre&#x017F;&#x017F;aten Quakatz mit &#x017F;einen<lb/>
Sachen hinüber. Da, &#x017F;eine Zeitung, hier ein, zwei,<lb/>
drei Briefe. Was der Mann eine Schreiberei um &#x017F;ich<lb/>
hat! ach, Eduard, und immer ein paar mit den Ge-<lb/>
richts&#x017F;iegeln! Da, das Kind, &#x017F;ein Tinchen kuckt &#x017F;chon<lb/>
um den Thorpfeiler! gib &#x017F;ie ihm ab, die Sachen;<lb/>
ich &#x017F;ortire hier unter der Hainbuche derweil das<lb/>
Uebrige, ehe das Unwetter ganz da i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was will&#x017F;t Du von uns, dummer Junge?&#x201C;<lb/>
höre ich nun ein feines Stimmchen, das gar bö&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0034] rothe Schanze war noch immer vorhanden in dieſem Traume, wie ſie unſer Jugendideal geweſen war. Da ſtieg ſie auf im wohlerhaltenen Viereck. Nur durch einen Dammweg über den tiefen Graben mit der übrigen Welt in Verbindung! Mit Allem, was ſie der Knabenphantaſie zu einem Entzücken und Geheimniß gemacht hatte: mit den Kanonen und Mörſern des Prinzen Xaver und mit der undurch- dringlichen Dornenhecke, die der böſe Bauer Andreas Quakatz auf ihrer Höhe um ſich, ſein Tinchen, ſein Haus, ſeine Ställe und Scheunen und Alles was ſonſt ſein war, zum Abſchluß gegen die ſchlimme Welt gezogen hatte! Ich höre ein dumpfes Rollen und Krachen in meinen Traum von der rothen Schanze hinein, aber es iſt nicht der kurſächſiſche Kanonendonner gegen den König Fritz von Preußen, es iſt das Gewitter, bei dem Störzer ſagt: „Es kommt doch noch raſcher über uns, als ich mir dachte. Da, Eduard, nun thu mir den Gefallen und laufe zu dem Adreſſaten Quakatz mit ſeinen Sachen hinüber. Da, ſeine Zeitung, hier ein, zwei, drei Briefe. Was der Mann eine Schreiberei um ſich hat! ach, Eduard, und immer ein paar mit den Ge- richtsſiegeln! Da, das Kind, ſein Tinchen kuckt ſchon um den Thorpfeiler! gib ſie ihm ab, die Sachen; ich ſortire hier unter der Hainbuche derweil das Uebrige, ehe das Unwetter ganz da iſt.“ „Was willſt Du von uns, dummer Junge?“ höre ich nun ein feines Stimmchen, das gar böſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/34
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/34>, abgerufen am 26.04.2024.