Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

ist dieselbe Höhe, auf welcher ich im nächtlichen Halb-
und Ganz-Traum anhielt zum Briefsortiren unter
der alten Hainbuche, gegenüber dem Dammwege, der
-- heute auch noch -- über den Graben zu dem
Eingangsthore von Quakatzenhof führt.

Die Hainbuche hatte ich nun zu vermissen. Auch
sie war wie der Lurkenteich der Melioration, der Feld-
verbesserung zum Opfer gefallen. Sie hatte wahr-
scheinlich für das Bedürfniß der hungerigen Gegen-
wart zu viel Schatten über das Ackerland geworfen, oder
zu sehr ihre Wurzeln im Grund und Boden ausgebreitet.
Doch, gottlob, die rothe Schanze war noch vorhanden,
wie sie, freilich wahrhaftig damals nicht zur Melioration
der Gegend, im Jahre Siebenzehnhunderteinundsechzig
aus dem Grund und Boden vom alten grimmigen
Maulwurf Krieg aufgeworfen worden war. Und ich
stand ihr nun wieder gegenüber und dachte zurück an
uns Zwei: Heinrich Schaumann, genannt Stopf-
kuchen, und mich, und an das, was Stopfkuchen
damals aus dem frischesten Miterleben heraus über
den Fall Kienbaum contra Quakatz, oder Quakatz
contra Kienbaum, und was mehr oder weniger damit
zusammenhing, über Tinchen Quakatz zu bemerken
hatte.

Wie ein angehender Beflissener der Gottesgelahrt-
heit sah er nicht aus; denn bei den jungen Herren
pflegt die Wohlbeleibtheit, die er, Stopfkuchen, schon
damals aufzuweisen hatte, erst später zu kommen,
wenn sie auf nahrhafter Pfarre am eigenen Tische
nachholen, was sie am Freitische seinerzeit versäumt

iſt dieſelbe Höhe, auf welcher ich im nächtlichen Halb-
und Ganz-Traum anhielt zum Briefſortiren unter
der alten Hainbuche, gegenüber dem Dammwege, der
— heute auch noch — über den Graben zu dem
Eingangsthore von Quakatzenhof führt.

Die Hainbuche hatte ich nun zu vermiſſen. Auch
ſie war wie der Lurkenteich der Melioration, der Feld-
verbeſſerung zum Opfer gefallen. Sie hatte wahr-
ſcheinlich für das Bedürfniß der hungerigen Gegen-
wart zu viel Schatten über das Ackerland geworfen, oder
zu ſehr ihre Wurzeln im Grund und Boden ausgebreitet.
Doch, gottlob, die rothe Schanze war noch vorhanden,
wie ſie, freilich wahrhaftig damals nicht zur Melioration
der Gegend, im Jahre Siebenzehnhunderteinundſechzig
aus dem Grund und Boden vom alten grimmigen
Maulwurf Krieg aufgeworfen worden war. Und ich
ſtand ihr nun wieder gegenüber und dachte zurück an
uns Zwei: Heinrich Schaumann, genannt Stopf-
kuchen, und mich, und an das, was Stopfkuchen
damals aus dem friſcheſten Miterleben heraus über
den Fall Kienbaum contra Quakatz, oder Quakatz
contra Kienbaum, und was mehr oder weniger damit
zuſammenhing, über Tinchen Quakatz zu bemerken
hatte.

Wie ein angehender Befliſſener der Gottesgelahrt-
heit ſah er nicht aus; denn bei den jungen Herren
pflegt die Wohlbeleibtheit, die er, Stopfkuchen, ſchon
damals aufzuweiſen hatte, erſt ſpäter zu kommen,
wenn ſie auf nahrhafter Pfarre am eigenen Tiſche
nachholen, was ſie am Freitiſche ſeinerzeit verſäumt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048" n="38"/>
i&#x017F;t die&#x017F;elbe Höhe, auf welcher ich im nächtlichen Halb-<lb/>
und Ganz-Traum anhielt zum Brief&#x017F;ortiren unter<lb/>
der alten Hainbuche, gegenüber dem Dammwege, der<lb/>
&#x2014; heute auch noch &#x2014; über den Graben zu dem<lb/>
Eingangsthore von Quakatzenhof führt.</p><lb/>
        <p>Die Hainbuche hatte ich nun zu vermi&#x017F;&#x017F;en. Auch<lb/>
&#x017F;ie war wie der Lurkenteich der Melioration, der Feld-<lb/>
verbe&#x017F;&#x017F;erung zum Opfer gefallen. Sie hatte wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich für das Bedürfniß der hungerigen Gegen-<lb/>
wart zu viel Schatten über das Ackerland geworfen, oder<lb/>
zu &#x017F;ehr ihre Wurzeln im Grund und Boden ausgebreitet.<lb/>
Doch, gottlob, die rothe Schanze war noch vorhanden,<lb/>
wie &#x017F;ie, freilich wahrhaftig damals nicht zur Melioration<lb/>
der Gegend, im Jahre Siebenzehnhunderteinund&#x017F;echzig<lb/>
aus dem Grund und Boden vom alten grimmigen<lb/>
Maulwurf Krieg aufgeworfen worden war. Und ich<lb/>
&#x017F;tand ihr nun wieder gegenüber und dachte zurück an<lb/>
uns Zwei: Heinrich Schaumann, genannt Stopf-<lb/>
kuchen, und mich, und an das, was Stopfkuchen<lb/>
damals aus dem fri&#x017F;che&#x017F;ten Miterleben heraus über<lb/>
den Fall Kienbaum <hi rendition="#aq">contra</hi> Quakatz, oder Quakatz<lb/><hi rendition="#aq">contra</hi> Kienbaum, und was mehr oder weniger damit<lb/>
zu&#x017F;ammenhing, über Tinchen Quakatz zu bemerken<lb/>
hatte.</p><lb/>
        <p>Wie ein angehender Befli&#x017F;&#x017F;ener der Gottesgelahrt-<lb/>
heit &#x017F;ah er nicht aus; denn bei den jungen Herren<lb/>
pflegt die Wohlbeleibtheit, die er, Stopfkuchen, &#x017F;chon<lb/>
damals aufzuwei&#x017F;en hatte, er&#x017F;t &#x017F;päter zu kommen,<lb/>
wenn &#x017F;ie auf nahrhafter Pfarre am eigenen Ti&#x017F;che<lb/>
nachholen, was &#x017F;ie am Freiti&#x017F;che &#x017F;einerzeit ver&#x017F;äumt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] iſt dieſelbe Höhe, auf welcher ich im nächtlichen Halb- und Ganz-Traum anhielt zum Briefſortiren unter der alten Hainbuche, gegenüber dem Dammwege, der — heute auch noch — über den Graben zu dem Eingangsthore von Quakatzenhof führt. Die Hainbuche hatte ich nun zu vermiſſen. Auch ſie war wie der Lurkenteich der Melioration, der Feld- verbeſſerung zum Opfer gefallen. Sie hatte wahr- ſcheinlich für das Bedürfniß der hungerigen Gegen- wart zu viel Schatten über das Ackerland geworfen, oder zu ſehr ihre Wurzeln im Grund und Boden ausgebreitet. Doch, gottlob, die rothe Schanze war noch vorhanden, wie ſie, freilich wahrhaftig damals nicht zur Melioration der Gegend, im Jahre Siebenzehnhunderteinundſechzig aus dem Grund und Boden vom alten grimmigen Maulwurf Krieg aufgeworfen worden war. Und ich ſtand ihr nun wieder gegenüber und dachte zurück an uns Zwei: Heinrich Schaumann, genannt Stopf- kuchen, und mich, und an das, was Stopfkuchen damals aus dem friſcheſten Miterleben heraus über den Fall Kienbaum contra Quakatz, oder Quakatz contra Kienbaum, und was mehr oder weniger damit zuſammenhing, über Tinchen Quakatz zu bemerken hatte. Wie ein angehender Befliſſener der Gottesgelahrt- heit ſah er nicht aus; denn bei den jungen Herren pflegt die Wohlbeleibtheit, die er, Stopfkuchen, ſchon damals aufzuweiſen hatte, erſt ſpäter zu kommen, wenn ſie auf nahrhafter Pfarre am eigenen Tiſche nachholen, was ſie am Freitiſche ſeinerzeit verſäumt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/48
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/48>, abgerufen am 26.04.2024.