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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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so lange zu verweilen; aber ich bin doch wirklich gern
den Tag über auf der rothen Schanze geblieben; nach-
dem ich meinerseits gerufen hatte:

"O, Frau Valentine, wohin wollen Sie? Bleiben
Sie sitzen. Man muß aus Südkaffraria und über
die Tropen auf Besuch nach Hause gekommen sein,
um wirklich zu erproben, wie wohlig es sich zu Hause,
an einem Morgen wie der heutige vor einem solchen
Hause sitzen läßt!"

"Nicht wahr?" sagte Stopfkuchen. "Da hörst
Du's mal wieder, Tinchen Quakatz! Uebrigens geh'
Du nur ruhig hin; der fremde Herr erzählt uns nach-
her wohl das Genauere von seinem Hauswesen da unten,
dahinten. Das macht man wahrhaftig am besten und
gemüthlichsten bei Tische ab. Laß Du Dich nicht von
ihm jetzt abhalten; geh' Du ruhig an Dein Geschäft,
Müschen. Dieser abenteuernde Afrikaner wird seine
richtige Desdemona wohl auch schon anderswo ge-
funden haben, und Du kriegst doch nur die schönen
Reste seiner Schnurren und Seelenstimmungen. Geh
Du ruhig in Deine Küche -- doch die Hauptsache.
Auch ihm!"

Und der Gatte warf der Gattin einen schmunzelnd
verständnißinnigen Blick zu und zog sich mit der
Handkante vor der Gurgel her, den Gestus des Hals-
abschneidens aufs Vollkommenste zur Darstellung
bringend.

"Heinz hat wahrhaftig Recht, Herr Eduard.
Die Herren müssen mich wirklich für einige Augen-

ſo lange zu verweilen; aber ich bin doch wirklich gern
den Tag über auf der rothen Schanze geblieben; nach-
dem ich meinerſeits gerufen hatte:

„O, Frau Valentine, wohin wollen Sie? Bleiben
Sie ſitzen. Man muß aus Südkaffraria und über
die Tropen auf Beſuch nach Hauſe gekommen ſein,
um wirklich zu erproben, wie wohlig es ſich zu Hauſe,
an einem Morgen wie der heutige vor einem ſolchen
Hauſe ſitzen läßt!“

„Nicht wahr?“ ſagte Stopfkuchen. „Da hörſt
Du's mal wieder, Tinchen Quakatz! Uebrigens geh'
Du nur ruhig hin; der fremde Herr erzählt uns nach-
her wohl das Genauere von ſeinem Hausweſen da unten,
dahinten. Das macht man wahrhaftig am beſten und
gemüthlichſten bei Tiſche ab. Laß Du Dich nicht von
ihm jetzt abhalten; geh' Du ruhig an Dein Geſchäft,
Müſchen. Dieſer abenteuernde Afrikaner wird ſeine
richtige Desdemona wohl auch ſchon anderswo ge-
funden haben, und Du kriegſt doch nur die ſchönen
Reſte ſeiner Schnurren und Seelenſtimmungen. Geh
Du ruhig in Deine Küche — doch die Hauptſache.
Auch ihm!“

Und der Gatte warf der Gattin einen ſchmunzelnd
verſtändnißinnigen Blick zu und zog ſich mit der
Handkante vor der Gurgel her, den Geſtus des Hals-
abſchneidens aufs Vollkommenſte zur Darſtellung
bringend.

„Heinz hat wahrhaftig Recht, Herr Eduard.
Die Herren müſſen mich wirklich für einige Augen-

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[71/0081] ſo lange zu verweilen; aber ich bin doch wirklich gern den Tag über auf der rothen Schanze geblieben; nach- dem ich meinerſeits gerufen hatte: „O, Frau Valentine, wohin wollen Sie? Bleiben Sie ſitzen. Man muß aus Südkaffraria und über die Tropen auf Beſuch nach Hauſe gekommen ſein, um wirklich zu erproben, wie wohlig es ſich zu Hauſe, an einem Morgen wie der heutige vor einem ſolchen Hauſe ſitzen läßt!“ „Nicht wahr?“ ſagte Stopfkuchen. „Da hörſt Du's mal wieder, Tinchen Quakatz! Uebrigens geh' Du nur ruhig hin; der fremde Herr erzählt uns nach- her wohl das Genauere von ſeinem Hausweſen da unten, dahinten. Das macht man wahrhaftig am beſten und gemüthlichſten bei Tiſche ab. Laß Du Dich nicht von ihm jetzt abhalten; geh' Du ruhig an Dein Geſchäft, Müſchen. Dieſer abenteuernde Afrikaner wird ſeine richtige Desdemona wohl auch ſchon anderswo ge- funden haben, und Du kriegſt doch nur die ſchönen Reſte ſeiner Schnurren und Seelenſtimmungen. Geh Du ruhig in Deine Küche — doch die Hauptſache. Auch ihm!“ Und der Gatte warf der Gattin einen ſchmunzelnd verſtändnißinnigen Blick zu und zog ſich mit der Handkante vor der Gurgel her, den Geſtus des Hals- abſchneidens aufs Vollkommenſte zur Darſtellung bringend. „Heinz hat wahrhaftig Recht, Herr Eduard. Die Herren müſſen mich wirklich für einige Augen-

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/81>, abgerufen am 29.04.2024.