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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Von der wahren Beschaffenheit
rühmen will, dem glaubt man nicht, der macht sich
verhaßt, der schadet sich selbst 4.

Für einen Großsprecher wird man ihn halten 5,
und glauben, daß er seine Fehler unter dem schein-
baren Namen der Tugend verbergen wolle 6.

Wer dasjenige in der That seyn will, was er
von sich rühmt, der hat unter allen Regeln beson-
ders viere wohl in Acht zu nehmen 7.

Er muß seinen Beruf wohl abwarten, und nicht
eher ruhen, bis er seiner Pflicht eine völlige Gnüge
geleistet hat 8;

Er muß das Wahre von dem Falschen vor-
sichtig zu unterscheiden wissen 9;

Er muß, was seinem Amte wohlanständig ist,
auf das genauste beobachten 10;

Er muß endlich der weisen Vorsicht des Him-
mels alles ruhig überlassen 11.

Aber,
4 Quodcunque ostendis mihi sic, incredulus odi.
Horat.
5 Quid dignum tanto feret hit promissor hiatu!
Horat.
6 Fallit enim vitium specie virtutis et vmbra!
Iuuenal.
7 Quatuor ex omni -- -- --
Virgil.
8 -- -- Susceptum perfice munus! Virgil.
9 -- -- Pulsa, dignoscere eautus,
Quid solidum crepet, et pictae tectoria linguae.
Pers.
10 -- -- Rigidi seruator honesti.
Lucan.
11 Permittes ipsis expendere numinibus, quid
Conueniat nobis, rebusque sit vtile nostris.
Nam pro iucundis aptissima quaeque dabunt Deii
Charior est illis homo, qnam sibi.
Iuuen.

Von der wahren Beſchaffenheit
ruͤhmen will, dem glaubt man nicht, der macht ſich
verhaßt, der ſchadet ſich ſelbſt 4.

Fuͤr einen Großſprecher wird man ihn halten 5,
und glauben, daß er ſeine Fehler unter dem ſchein-
baren Namen der Tugend verbergen wolle 6.

Wer dasjenige in der That ſeyn will, was er
von ſich ruͤhmt, der hat unter allen Regeln beſon-
ders viere wohl in Acht zu nehmen 7.

Er muß ſeinen Beruf wohl abwarten, und nicht
eher ruhen, bis er ſeiner Pflicht eine voͤllige Gnuͤge
geleiſtet hat 8;

Er muß das Wahre von dem Falſchen vor-
ſichtig zu unterſcheiden wiſſen 9;

Er muß, was ſeinem Amte wohlanſtaͤndig iſt,
auf das genauſte beobachten 10;

Er muß endlich der weiſen Vorſicht des Him-
mels alles ruhig uͤberlaſſen 11.

Aber,
4 Quodcunque oſtendis mihi ſic, incredulus odi.
Horat.
5 Quid dignum tanto feret hit promiſſor hiatu!
Horat.
6 Fallit enim vitium ſpecie virtutis et vmbra!
Iuuenal.
7 Quatuor ex omni — — —
Virgil.
8 — — Suſceptum perfice munus! Virgil.
9 — — Pulſa, dignoſcere eautus,
Quid ſolidum crepet, et pictae tectoria linguae.
Perſ.
10 — — Rigidi ſeruator honeſti.
Lucan.
11 Permittes ipſis expendere numinibus, quid
Conueniat nobis, rebusque ſit vtile noſtris.
Nam pro iucundis aptiſſima quaeque dabunt Dîi
Charior eſt illis homo, qnam ſibi.
Iuuen.
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[30/0104] Von der wahren Beſchaffenheit ruͤhmen will, dem glaubt man nicht, der macht ſich verhaßt, der ſchadet ſich ſelbſt 4. Fuͤr einen Großſprecher wird man ihn halten 5, und glauben, daß er ſeine Fehler unter dem ſchein- baren Namen der Tugend verbergen wolle 6. Wer dasjenige in der That ſeyn will, was er von ſich ruͤhmt, der hat unter allen Regeln beſon- ders viere wohl in Acht zu nehmen 7. Er muß ſeinen Beruf wohl abwarten, und nicht eher ruhen, bis er ſeiner Pflicht eine voͤllige Gnuͤge geleiſtet hat 8; Er muß das Wahre von dem Falſchen vor- ſichtig zu unterſcheiden wiſſen 9; Er muß, was ſeinem Amte wohlanſtaͤndig iſt, auf das genauſte beobachten 10; Er muß endlich der weiſen Vorſicht des Him- mels alles ruhig uͤberlaſſen 11. Aber, 4 Quodcunque oſtendis mihi ſic, incredulus odi. Horat. 5 Quid dignum tanto feret hit promiſſor hiatu! Horat. 6 Fallit enim vitium ſpecie virtutis et vmbra! Iuuenal. 7 Quatuor ex omni — — — Virgil. 8 — — Suſceptum perfice munus! Virgil. 9 — — Pulſa, dignoſcere eautus, Quid ſolidum crepet, et pictae tectoria linguae. Perſ. 10 — — Rigidi ſeruator honeſti. Lucan. 11 Permittes ipſis expendere numinibus, quid Conueniat nobis, rebusque ſit vtile noſtris. Nam pro iucundis aptiſſima quaeque dabunt Dîi Charior eſt illis homo, qnam ſibi. Iuuen.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/104>, abgerufen am 29.04.2024.