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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Nachricht
aus Furcht vor den Weibern. Niemand weis die Ab-
sicht unsrer Zusammenkunft, nicht einmal der Wirth,
von dem wir das Zimmer gemiethet haben. Dieser
hält uns für Quacker, weil wir allezeit tiefsinnig aus-
sehen, und die Köpfe hängen. Wir kommen wöchent-
lich einmal zusammen, und erzählen einander die Ver-
folgungen, welche wir von Zeit zu Zeit ausstehen müs-
sen. Sie können glauben, daß es uns niemals an Ma-
terie zu reden fehle. Es geht in unsrer Gesellschaft zu,
wie in den Jnvalidenhäusern, wo die alten Soldaten,
von nichts, als von Feldzügen, von Hunger, von Be-
schwerlichkeit des Krieges, von Treffen reden, und
einander die empfangnen Wunden zeigen. Es ist mir
nicht erlaubt, Jhnen von der Einrichtung dieser Ge-
sellschaft nähere Nachricht zu geben; dieses aber darf
ich wohl sagen, daß wir einen Vorsitzenden unter uns
haben. Hierzu gelangt keiner, der nicht besondre
Vorzüge hat. Demjenigen, welcher itzt diese Würde
bekleidet, wollten verschiedne unter uns den Rang
streitig machen; er behauptete ihn aber dadurch, daß
er bezeugte, seine Frau ließe ihn allemal unter den
Tisch kriechen, so oft er nicht gut thun wollte.

Der Nutzen, welchen die Mitglieder unsrer Gesell-
schaft haben, ist augenscheinlich. Jch sage nicht zu
viel, wenn ich versichere, daß derjenige der beste Philo-
soph sey, der eine böse Frau hat. Die Bändigung der
Affecten, die Entsagung der Eigenliebe, der Bequem-
lichkeit, des Vergnügens, und alles dessen, was uns
in Ausübung der Weltweisheit stören kann: dieses,
sage ich, bringt niemand so hoch, als ein geplagter

Mann.

Nachricht
aus Furcht vor den Weibern. Niemand weis die Ab-
ſicht unſrer Zuſammenkunft, nicht einmal der Wirth,
von dem wir das Zimmer gemiethet haben. Dieſer
haͤlt uns fuͤr Quacker, weil wir allezeit tiefſinnig aus-
ſehen, und die Koͤpfe haͤngen. Wir kommen woͤchent-
lich einmal zuſammen, und erzaͤhlen einander die Ver-
folgungen, welche wir von Zeit zu Zeit ausſtehen muͤſ-
ſen. Sie koͤnnen glauben, daß es uns niemals an Ma-
terie zu reden fehle. Es geht in unſrer Geſellſchaft zu,
wie in den Jnvalidenhaͤuſern, wo die alten Soldaten,
von nichts, als von Feldzuͤgen, von Hunger, von Be-
ſchwerlichkeit des Krieges, von Treffen reden, und
einander die empfangnen Wunden zeigen. Es iſt mir
nicht erlaubt, Jhnen von der Einrichtung dieſer Ge-
ſellſchaft naͤhere Nachricht zu geben; dieſes aber darf
ich wohl ſagen, daß wir einen Vorſitzenden unter uns
haben. Hierzu gelangt keiner, der nicht beſondre
Vorzuͤge hat. Demjenigen, welcher itzt dieſe Wuͤrde
bekleidet, wollten verſchiedne unter uns den Rang
ſtreitig machen; er behauptete ihn aber dadurch, daß
er bezeugte, ſeine Frau ließe ihn allemal unter den
Tiſch kriechen, ſo oft er nicht gut thun wollte.

Der Nutzen, welchen die Mitglieder unſrer Geſell-
ſchaft haben, iſt augenſcheinlich. Jch ſage nicht zu
viel, wenn ich verſichere, daß derjenige der beſte Philo-
ſoph ſey, der eine boͤſe Frau hat. Die Baͤndigung der
Affecten, die Entſagung der Eigenliebe, der Bequem-
lichkeit, des Vergnuͤgens, und alles deſſen, was uns
in Ausuͤbung der Weltweisheit ſtoͤren kann: dieſes,
ſage ich, bringt niemand ſo hoch, als ein geplagter

Mann.
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[70/0144] Nachricht aus Furcht vor den Weibern. Niemand weis die Ab- ſicht unſrer Zuſammenkunft, nicht einmal der Wirth, von dem wir das Zimmer gemiethet haben. Dieſer haͤlt uns fuͤr Quacker, weil wir allezeit tiefſinnig aus- ſehen, und die Koͤpfe haͤngen. Wir kommen woͤchent- lich einmal zuſammen, und erzaͤhlen einander die Ver- folgungen, welche wir von Zeit zu Zeit ausſtehen muͤſ- ſen. Sie koͤnnen glauben, daß es uns niemals an Ma- terie zu reden fehle. Es geht in unſrer Geſellſchaft zu, wie in den Jnvalidenhaͤuſern, wo die alten Soldaten, von nichts, als von Feldzuͤgen, von Hunger, von Be- ſchwerlichkeit des Krieges, von Treffen reden, und einander die empfangnen Wunden zeigen. Es iſt mir nicht erlaubt, Jhnen von der Einrichtung dieſer Ge- ſellſchaft naͤhere Nachricht zu geben; dieſes aber darf ich wohl ſagen, daß wir einen Vorſitzenden unter uns haben. Hierzu gelangt keiner, der nicht beſondre Vorzuͤge hat. Demjenigen, welcher itzt dieſe Wuͤrde bekleidet, wollten verſchiedne unter uns den Rang ſtreitig machen; er behauptete ihn aber dadurch, daß er bezeugte, ſeine Frau ließe ihn allemal unter den Tiſch kriechen, ſo oft er nicht gut thun wollte. Der Nutzen, welchen die Mitglieder unſrer Geſell- ſchaft haben, iſt augenſcheinlich. Jch ſage nicht zu viel, wenn ich verſichere, daß derjenige der beſte Philo- ſoph ſey, der eine boͤſe Frau hat. Die Baͤndigung der Affecten, die Entſagung der Eigenliebe, der Bequem- lichkeit, des Vergnuͤgens, und alles deſſen, was uns in Ausuͤbung der Weltweisheit ſtoͤren kann: dieſes, ſage ich, bringt niemand ſo hoch, als ein geplagter Mann.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/144>, abgerufen am 30.04.2024.