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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Alter; doch geschieht es zuweilen, daß auch alte
Männer damit behaftet sind, und alsdann ist sie
nicht allein desto gefährlicher, sondern auch allen
denen ganz unerträglich, welche einem solchen
Patienten nicht ausweichen können. Starke
und scharfe Mittel darwider sind nicht zu rathen,
weil alsdenn der Paroxysmus nur stärker und hef-
tiger wird, und hierinnen haben dergleichen Kranke
sehr viel ähnliches mit wahnwitzigen Personen, wel-
chen man auch nicht widersprechen darf, ohne ihr
verderbtes Gehirn noch mehr zu erhitzen. Das be-
ste Mittel darwider soll dieses seyn, wenn man, so
oft sich eine dergleichen preßhafte Person in der
menschlichen Gesellschaft blicken läßt, dennoch, ohn-
geachtet des großen Geräusches, das mit dergleichen
Krankheit verknüpft ist, nicht thut, als ob man sie
hörte, oder sähe, oder das geringste von ihnen wüßte,
auch ihren Namen bey keiner Gelegenheit nennt,
mit einem Worte weder Gutes noch Böses von ih-
nen spricht. Das Recept mag nicht unrecht seyn.
Ueber die eigentlichen Ursachen dieser Krankheit sind
die Arzneyverständigen unter einander noch sehr
streitig. Einige halten sie wegen der wunderlichen
Geberden, die der Kranke macht, und weil sie,
wie andre epidemische Krankheiten zu gewisser Zeit
und oft wiederkömmt, für eine Art der fallenden
Sucht, zumal, da sie angemerkt haben, daß sie da-
durch gehemmt werde, wenn man dem Patienten
den rechten Daum ausbricht, wie es bey der fallen-
den Sucht gebräuchlich ist. Andre glauben, sie

komme

Verſuch
Alter; doch geſchieht es zuweilen, daß auch alte
Maͤnner damit behaftet ſind, und alsdann iſt ſie
nicht allein deſto gefaͤhrlicher, ſondern auch allen
denen ganz unertraͤglich, welche einem ſolchen
Patienten nicht ausweichen koͤnnen. Starke
und ſcharfe Mittel darwider ſind nicht zu rathen,
weil alsdenn der Paroxyſmus nur ſtaͤrker und hef-
tiger wird, und hierinnen haben dergleichen Kranke
ſehr viel aͤhnliches mit wahnwitzigen Perſonen, wel-
chen man auch nicht widerſprechen darf, ohne ihr
verderbtes Gehirn noch mehr zu erhitzen. Das be-
ſte Mittel darwider ſoll dieſes ſeyn, wenn man, ſo
oft ſich eine dergleichen preßhafte Perſon in der
menſchlichen Geſellſchaft blicken laͤßt, dennoch, ohn-
geachtet des großen Geraͤuſches, das mit dergleichen
Krankheit verknuͤpft iſt, nicht thut, als ob man ſie
hoͤrte, oder ſaͤhe, oder das geringſte von ihnen wuͤßte,
auch ihren Namen bey keiner Gelegenheit nennt,
mit einem Worte weder Gutes noch Boͤſes von ih-
nen ſpricht. Das Recept mag nicht unrecht ſeyn.
Ueber die eigentlichen Urſachen dieſer Krankheit ſind
die Arzneyverſtaͤndigen unter einander noch ſehr
ſtreitig. Einige halten ſie wegen der wunderlichen
Geberden, die der Kranke macht, und weil ſie,
wie andre epidemiſche Krankheiten zu gewiſſer Zeit
und oft wiederkoͤmmt, fuͤr eine Art der fallenden
Sucht, zumal, da ſie angemerkt haben, daß ſie da-
durch gehemmt werde, wenn man dem Patienten
den rechten Daum ausbricht, wie es bey der fallen-
den Sucht gebraͤuchlich iſt. Andre glauben, ſie

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[180/0180] Verſuch Alter; doch geſchieht es zuweilen, daß auch alte Maͤnner damit behaftet ſind, und alsdann iſt ſie nicht allein deſto gefaͤhrlicher, ſondern auch allen denen ganz unertraͤglich, welche einem ſolchen Patienten nicht ausweichen koͤnnen. Starke und ſcharfe Mittel darwider ſind nicht zu rathen, weil alsdenn der Paroxyſmus nur ſtaͤrker und hef- tiger wird, und hierinnen haben dergleichen Kranke ſehr viel aͤhnliches mit wahnwitzigen Perſonen, wel- chen man auch nicht widerſprechen darf, ohne ihr verderbtes Gehirn noch mehr zu erhitzen. Das be- ſte Mittel darwider ſoll dieſes ſeyn, wenn man, ſo oft ſich eine dergleichen preßhafte Perſon in der menſchlichen Geſellſchaft blicken laͤßt, dennoch, ohn- geachtet des großen Geraͤuſches, das mit dergleichen Krankheit verknuͤpft iſt, nicht thut, als ob man ſie hoͤrte, oder ſaͤhe, oder das geringſte von ihnen wuͤßte, auch ihren Namen bey keiner Gelegenheit nennt, mit einem Worte weder Gutes noch Boͤſes von ih- nen ſpricht. Das Recept mag nicht unrecht ſeyn. Ueber die eigentlichen Urſachen dieſer Krankheit ſind die Arzneyverſtaͤndigen unter einander noch ſehr ſtreitig. Einige halten ſie wegen der wunderlichen Geberden, die der Kranke macht, und weil ſie, wie andre epidemiſche Krankheiten zu gewiſſer Zeit und oft wiederkoͤmmt, fuͤr eine Art der fallenden Sucht, zumal, da ſie angemerkt haben, daß ſie da- durch gehemmt werde, wenn man dem Patienten den rechten Daum ausbricht, wie es bey der fallen- den Sucht gebraͤuchlich iſt. Andre glauben, ſie komme

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/180>, abgerufen am 29.04.2024.