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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
und ihre Schönheit sind das vornehmste nicht, was
mich zu diesem Entschlusse bewogen hat. Jhre
Tugend ist es, ihr unvergleichlicher Charakter. O
wäre ich itzt bey Jhnen, Gnädiger Großpapa, um
Jhnen die Hände zu küssen; um Jhnen alles zu
sagen, was ich fühle, da ich dieses schreibe; um
ein Zeuge von den väterlichen Thränen zu seyn, die
Sie, ich weiß es gewiß, die Sie über das Glück
Jhres Enkels vor Freuden fallen lassen; Jhres
Enkels, der Jhre ganze Liebe hat, und an dem
Sie den Seegen Jhres Gebets noch bey Jhrem
Leben erfüllt sehn! Jch schreibe in einer wahren
Entzückung, aus Liebe zu Jhnen, meinem besten
Vater, dem liebreichsten Greise in der Welt, und
aus Liebe zu meinem Fräulein, meinem englischen
Fräulein! Kann man sich wohl anders ausdrücken,
wenn man von der Fräulein von L - - - redet?
Jhre Person ist Jhnen nicht unbekannt; aber soll-
ten Sie ihre Gemüthsart, ihre vortreffliche Ge-
müthsart so kennen, wie ich sie seit etlichen Mona-
ten kennen zu lernen Gelegenheit gehabt: Sie wür-
den mit gefaltnen Händen mir vom Himmel ein
Glück erbeten helfen, dessen ich in der That kaum
würdig bin; und das, wenn mir es der Himmel
giebt, mir nur Jhrentwegen, nur als eine Beloh-
nung Jhres redlichen Herzens, und zur Erhörung
Jhres Seegens, Gnädiger Großpapa, gegeben wird.
Sie sehn mein ganzes Herz; aber wem wollte ich
es auch lieber entdecken, als Jhnen? Jch habe an
die Fräulein geschrieben, auch an ihren Onkel.

Noch

Satyriſche Briefe.
und ihre Schoͤnheit ſind das vornehmſte nicht, was
mich zu dieſem Entſchluſſe bewogen hat. Jhre
Tugend iſt es, ihr unvergleichlicher Charakter. O
waͤre ich itzt bey Jhnen, Gnaͤdiger Großpapa, um
Jhnen die Haͤnde zu kuͤſſen; um Jhnen alles zu
ſagen, was ich fuͤhle, da ich dieſes ſchreibe; um
ein Zeuge von den vaͤterlichen Thraͤnen zu ſeyn, die
Sie, ich weiß es gewiß, die Sie uͤber das Gluͤck
Jhres Enkels vor Freuden fallen laſſen; Jhres
Enkels, der Jhre ganze Liebe hat, und an dem
Sie den Seegen Jhres Gebets noch bey Jhrem
Leben erfuͤllt ſehn! Jch ſchreibe in einer wahren
Entzuͤckung, aus Liebe zu Jhnen, meinem beſten
Vater, dem liebreichſten Greiſe in der Welt, und
aus Liebe zu meinem Fraͤulein, meinem engliſchen
Fraͤulein! Kann man ſich wohl anders ausdruͤcken,
wenn man von der Fraͤulein von L ‒ ‒ ‒ redet?
Jhre Perſon iſt Jhnen nicht unbekannt; aber ſoll-
ten Sie ihre Gemuͤthsart, ihre vortreffliche Ge-
muͤthsart ſo kennen, wie ich ſie ſeit etlichen Mona-
ten kennen zu lernen Gelegenheit gehabt: Sie wuͤr-
den mit gefaltnen Haͤnden mir vom Himmel ein
Gluͤck erbeten helfen, deſſen ich in der That kaum
wuͤrdig bin; und das, wenn mir es der Himmel
giebt, mir nur Jhrentwegen, nur als eine Beloh-
nung Jhres redlichen Herzens, und zur Erhoͤrung
Jhres Seegens, Gnaͤdiger Großpapa, gegeben wird.
Sie ſehn mein ganzes Herz; aber wem wollte ich
es auch lieber entdecken, als Jhnen? Jch habe an
die Fraͤulein geſchrieben, auch an ihren Onkel.

Noch
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[303/0331] Satyriſche Briefe. und ihre Schoͤnheit ſind das vornehmſte nicht, was mich zu dieſem Entſchluſſe bewogen hat. Jhre Tugend iſt es, ihr unvergleichlicher Charakter. O waͤre ich itzt bey Jhnen, Gnaͤdiger Großpapa, um Jhnen die Haͤnde zu kuͤſſen; um Jhnen alles zu ſagen, was ich fuͤhle, da ich dieſes ſchreibe; um ein Zeuge von den vaͤterlichen Thraͤnen zu ſeyn, die Sie, ich weiß es gewiß, die Sie uͤber das Gluͤck Jhres Enkels vor Freuden fallen laſſen; Jhres Enkels, der Jhre ganze Liebe hat, und an dem Sie den Seegen Jhres Gebets noch bey Jhrem Leben erfuͤllt ſehn! Jch ſchreibe in einer wahren Entzuͤckung, aus Liebe zu Jhnen, meinem beſten Vater, dem liebreichſten Greiſe in der Welt, und aus Liebe zu meinem Fraͤulein, meinem engliſchen Fraͤulein! Kann man ſich wohl anders ausdruͤcken, wenn man von der Fraͤulein von L ‒ ‒ ‒ redet? Jhre Perſon iſt Jhnen nicht unbekannt; aber ſoll- ten Sie ihre Gemuͤthsart, ihre vortreffliche Ge- muͤthsart ſo kennen, wie ich ſie ſeit etlichen Mona- ten kennen zu lernen Gelegenheit gehabt: Sie wuͤr- den mit gefaltnen Haͤnden mir vom Himmel ein Gluͤck erbeten helfen, deſſen ich in der That kaum wuͤrdig bin; und das, wenn mir es der Himmel giebt, mir nur Jhrentwegen, nur als eine Beloh- nung Jhres redlichen Herzens, und zur Erhoͤrung Jhres Seegens, Gnaͤdiger Großpapa, gegeben wird. Sie ſehn mein ganzes Herz; aber wem wollte ich es auch lieber entdecken, als Jhnen? Jch habe an die Fraͤulein geſchrieben, auch an ihren Onkel. Noch

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/331>, abgerufen am 01.05.2024.