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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
sein Gut, und wird der vornehmste Bauer im Dor-
fe. Zu meiner Zeit, o! da wars ganz anders!
Jch war ein mäßiger Bursche von dreyzehn Jahren,
als mich mein Vater seliger, der Oberstwachtmei-
ster, mit nach Wien nahm. Da half ich Wien
entsetzen, und schlug den Türken. Das gieng
warm zu, Frau Tochter. Die Strapazzen, und
was ich in folgenden Jahren ausgestanden habe,
hätte Fritze nimmermehr ausgestanden. Jch war
schon vier und zwanzig Jahre alt, als mir mein
Vater eine Frau gab. Jch will Fritzen schon auch
eine geben, wenn es wird Zeit seyn; aber die Fräu-
lein von L - - - nicht. Sage es dem Limmel!
Jch weiß nicht, Frau Tochter, seit welcher Zeit
hat denn der Bengel lernen die Nativität stellen?
Woher weiß er denn, daß ich bey meinen hohen
Jahren nicht lange mehr leben kann? Zwey und
siebenzig Jahre, und die noch nicht einmal völlig,
sind bey meinem gesunden und starken Körper ja
kein so erschrecklich hohes Alter; und meiner seli-
gen Großmutter Bruder hat in seinem drey und
siebenzigsten Jahre noch taufen lassen. Die Zeit
mag Fritzen schrecklich lang werden, daß der Groß-
vater so ein zähes Leben hat. Mit einem Worte,
Fritz ist ein Narr, sag es ihm; und damit er klug
werde, so habe ich mich entschlossen, daß er drey
Jahre auf Reisen gehen soll. Er kann seine Sa-
chen darnach einrichten. So bald ich zurück kom-
me, soll er fort. Er soll über Wien, wo ich meine
erste Campagne gethan habe, nach Jtalien, und so-

dann

Satyriſche Briefe.
ſein Gut, und wird der vornehmſte Bauer im Dor-
fe. Zu meiner Zeit, o! da wars ganz anders!
Jch war ein maͤßiger Burſche von dreyzehn Jahren,
als mich mein Vater ſeliger, der Oberſtwachtmei-
ſter, mit nach Wien nahm. Da half ich Wien
entſetzen, und ſchlug den Tuͤrken. Das gieng
warm zu, Frau Tochter. Die Strapazzen, und
was ich in folgenden Jahren ausgeſtanden habe,
haͤtte Fritze nimmermehr ausgeſtanden. Jch war
ſchon vier und zwanzig Jahre alt, als mir mein
Vater eine Frau gab. Jch will Fritzen ſchon auch
eine geben, wenn es wird Zeit ſeyn; aber die Fraͤu-
lein von L ‒ ‒ ‒ nicht. Sage es dem Limmel!
Jch weiß nicht, Frau Tochter, ſeit welcher Zeit
hat denn der Bengel lernen die Nativitaͤt ſtellen?
Woher weiß er denn, daß ich bey meinen hohen
Jahren nicht lange mehr leben kann? Zwey und
ſiebenzig Jahre, und die noch nicht einmal voͤllig,
ſind bey meinem geſunden und ſtarken Koͤrper ja
kein ſo erſchrecklich hohes Alter; und meiner ſeli-
gen Großmutter Bruder hat in ſeinem drey und
ſiebenzigſten Jahre noch taufen laſſen. Die Zeit
mag Fritzen ſchrecklich lang werden, daß der Groß-
vater ſo ein zaͤhes Leben hat. Mit einem Worte,
Fritz iſt ein Narr, ſag es ihm; und damit er klug
werde, ſo habe ich mich entſchloſſen, daß er drey
Jahre auf Reiſen gehen ſoll. Er kann ſeine Sa-
chen darnach einrichten. So bald ich zuruͤck kom-
me, ſoll er fort. Er ſoll uͤber Wien, wo ich meine
erſte Campagne gethan habe, nach Jtalien, und ſo-

dann
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[314/0342] Satyriſche Briefe. ſein Gut, und wird der vornehmſte Bauer im Dor- fe. Zu meiner Zeit, o! da wars ganz anders! Jch war ein maͤßiger Burſche von dreyzehn Jahren, als mich mein Vater ſeliger, der Oberſtwachtmei- ſter, mit nach Wien nahm. Da half ich Wien entſetzen, und ſchlug den Tuͤrken. Das gieng warm zu, Frau Tochter. Die Strapazzen, und was ich in folgenden Jahren ausgeſtanden habe, haͤtte Fritze nimmermehr ausgeſtanden. Jch war ſchon vier und zwanzig Jahre alt, als mir mein Vater eine Frau gab. Jch will Fritzen ſchon auch eine geben, wenn es wird Zeit ſeyn; aber die Fraͤu- lein von L ‒ ‒ ‒ nicht. Sage es dem Limmel! Jch weiß nicht, Frau Tochter, ſeit welcher Zeit hat denn der Bengel lernen die Nativitaͤt ſtellen? Woher weiß er denn, daß ich bey meinen hohen Jahren nicht lange mehr leben kann? Zwey und ſiebenzig Jahre, und die noch nicht einmal voͤllig, ſind bey meinem geſunden und ſtarken Koͤrper ja kein ſo erſchrecklich hohes Alter; und meiner ſeli- gen Großmutter Bruder hat in ſeinem drey und ſiebenzigſten Jahre noch taufen laſſen. Die Zeit mag Fritzen ſchrecklich lang werden, daß der Groß- vater ſo ein zaͤhes Leben hat. Mit einem Worte, Fritz iſt ein Narr, ſag es ihm; und damit er klug werde, ſo habe ich mich entſchloſſen, daß er drey Jahre auf Reiſen gehen ſoll. Er kann ſeine Sa- chen darnach einrichten. So bald ich zuruͤck kom- me, ſoll er fort. Er ſoll uͤber Wien, wo ich meine erſte Campagne gethan habe, nach Jtalien, und ſo- dann

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/342>, abgerufen am 27.04.2024.