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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
dieses unter unsrer galanten Jugend anrichten!
Was vor Zerrüttungen würden daraus in den an-
sehnlichsten Familien entstehen! Was vor unnatür-
liche Ehen würden daraus erwachsen; wenn Jhro
Excellenz die Tochter des Verwalters, und der Kut-
scher die gnädige Frau heirathen müßte! Deutsch-
land würde zur Hölle, die Hälfte der Häuser würde
zu Zuchthäusern werden. Die traurigsten Proben
davon habe ich bey verschiednen Ehen gesehen, wo
die Mannspersonen, ohne einigen Zwang der Ge-
setze, die verwegne Uebereilung begangen haben,
sich mit derjenigen Frau zu verheirathen, welche sie
beym Leben des ersten Mannes zur Untreue verführt
hatten. Nicht eine einzige ist vergnügt gewesen.
Der Mann war unter ihnen der Glücklichste, der
zuerst starb *.

Jch habe für nöthig angesehen, mich hiebey
etwas länger aufzuhalten, da diese Nachricht zu
einem neuen Beweise dienen konnte, daß alte Lie-
be hauptsächlich nur bey unverheiratheten Perso-
nen nicht rostet, bey dem Zwange der Ehe aber
sehr leicht verrostet.



Eine
* Man sieht wohl, daß Herr Anton Panßa dieses in
Westphalen geschrieben hat. Wäre er in Sachsen ge-
wesen; so würde er es mit mehrerer Einschränkung be-
hauptet haben: denn in Sachsen, wo man zu leben
weis, giebt es noch hin und wieder solche glückliche
Ehebrecher.
H 4

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
dieſes unter unſrer galanten Jugend anrichten!
Was vor Zerruͤttungen wuͤrden daraus in den an-
ſehnlichſten Familien entſtehen! Was vor unnatuͤr-
liche Ehen wuͤrden daraus erwachſen; wenn Jhro
Excellenz die Tochter des Verwalters, und der Kut-
ſcher die gnaͤdige Frau heirathen muͤßte! Deutſch-
land wuͤrde zur Hoͤlle, die Haͤlfte der Haͤuſer wuͤrde
zu Zuchthaͤuſern werden. Die traurigſten Proben
davon habe ich bey verſchiednen Ehen geſehen, wo
die Mannsperſonen, ohne einigen Zwang der Ge-
ſetze, die verwegne Uebereilung begangen haben,
ſich mit derjenigen Frau zu verheirathen, welche ſie
beym Leben des erſten Mannes zur Untreue verfuͤhrt
hatten. Nicht eine einzige iſt vergnuͤgt geweſen.
Der Mann war unter ihnen der Gluͤcklichſte, der
zuerſt ſtarb *.

Jch habe fuͤr noͤthig angeſehen, mich hiebey
etwas laͤnger aufzuhalten, da dieſe Nachricht zu
einem neuen Beweiſe dienen konnte, daß alte Lie-
be hauptſaͤchlich nur bey unverheiratheten Perſo-
nen nicht roſtet, bey dem Zwange der Ehe aber
ſehr leicht verroſtet.



Eine
* Man ſieht wohl, daß Herr Anton Panßa dieſes in
Weſtphalen geſchrieben hat. Waͤre er in Sachſen ge-
weſen; ſo wuͤrde er es mit mehrerer Einſchraͤnkung be-
hauptet haben: denn in Sachſen, wo man zu leben
weis, giebt es noch hin und wieder ſolche gluͤckliche
Ehebrecher.
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[119/0141] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. dieſes unter unſrer galanten Jugend anrichten! Was vor Zerruͤttungen wuͤrden daraus in den an- ſehnlichſten Familien entſtehen! Was vor unnatuͤr- liche Ehen wuͤrden daraus erwachſen; wenn Jhro Excellenz die Tochter des Verwalters, und der Kut- ſcher die gnaͤdige Frau heirathen muͤßte! Deutſch- land wuͤrde zur Hoͤlle, die Haͤlfte der Haͤuſer wuͤrde zu Zuchthaͤuſern werden. Die traurigſten Proben davon habe ich bey verſchiednen Ehen geſehen, wo die Mannsperſonen, ohne einigen Zwang der Ge- ſetze, die verwegne Uebereilung begangen haben, ſich mit derjenigen Frau zu verheirathen, welche ſie beym Leben des erſten Mannes zur Untreue verfuͤhrt hatten. Nicht eine einzige iſt vergnuͤgt geweſen. Der Mann war unter ihnen der Gluͤcklichſte, der zuerſt ſtarb *. Jch habe fuͤr noͤthig angeſehen, mich hiebey etwas laͤnger aufzuhalten, da dieſe Nachricht zu einem neuen Beweiſe dienen konnte, daß alte Lie- be hauptſaͤchlich nur bey unverheiratheten Perſo- nen nicht roſtet, bey dem Zwange der Ehe aber ſehr leicht verroſtet. Eine * Man ſieht wohl, daß Herr Anton Panßa dieſes in Weſtphalen geſchrieben hat. Waͤre er in Sachſen ge- weſen; ſo wuͤrde er es mit mehrerer Einſchraͤnkung be- hauptet haben: denn in Sachſen, wo man zu leben weis, giebt es noch hin und wieder ſolche gluͤckliche Ehebrecher. H 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/141>, abgerufen am 26.04.2024.