Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Capitol.

Die Zeichnung des Paolo Veronese ist ohne Be-
stimmtheit, und oft incorrekt. Allein auch hier sind
wieder die Fehler für ein ungeübtes Auge nicht so auf-
fallend, den Eindruck des Ganzen zu zerstöhren.

Er liebte Köpfe in einer niedergebückten Stellung
zu mahlen, und überhaupt Verkürzungen, wie man
sie von einem hohen Standorte ab an Figuren auf ei-
nem niedrigem Horizonte erblickt. Sie setzen am
meisten in Verwunderung, und ungeübte Zeichner
können hier der Richtigkeit der Formen und der Ver-
hältnisse am wenigsten nachspühren. Allenthalben
Blendwerk!

Seine Gewänder sind schlecht geworfen: Sie
entziehen dem Auge beinahe immer die Umrisse des
Nackten: Dabei schlagen sie sich in kleinliche Falten.
Aber er mahlte schöne reiche Stoffe: Auch das
verblendet.

Sein Colorit ist mehr glänzend als wahr. Es
fällt zu sehr ins Rothe in den Lichtern, und zu sehr
ins Violette in den Schatten. Seine Halbschatten
aber zeichnen sich durch schöne perlgraue und durchsich-
tige Tinten aus.

Das Helldunkle ist conventionell, aber oft thut
es Würkung. Zuweilen zerstöhren die gar zu glänzen-
den Farben die Harmonie.

Das Costume ist auf das gröbste in allen seinen
Gemählden beleidigt. Gemeiniglich trifft man Hunde
darauf an. Ich führe beides an, mehr als Wieder-
erkennungszeichen, als in der Absicht ihm einen Vor-
wurf darüber zu machen.

Ein
Das Capitol.

Die Zeichnung des Paolo Veroneſe iſt ohne Be-
ſtimmtheit, und oft incorrekt. Allein auch hier ſind
wieder die Fehler fuͤr ein ungeuͤbtes Auge nicht ſo auf-
fallend, den Eindruck des Ganzen zu zerſtoͤhren.

Er liebte Koͤpfe in einer niedergebuͤckten Stellung
zu mahlen, und uͤberhaupt Verkuͤrzungen, wie man
ſie von einem hohen Standorte ab an Figuren auf ei-
nem niedrigem Horizonte erblickt. Sie ſetzen am
meiſten in Verwunderung, und ungeuͤbte Zeichner
koͤnnen hier der Richtigkeit der Formen und der Ver-
haͤltniſſe am wenigſten nachſpuͤhren. Allenthalben
Blendwerk!

Seine Gewaͤnder ſind ſchlecht geworfen: Sie
entziehen dem Auge beinahe immer die Umriſſe des
Nackten: Dabei ſchlagen ſie ſich in kleinliche Falten.
Aber er mahlte ſchoͤne reiche Stoffe: Auch das
verblendet.

Sein Colorit iſt mehr glaͤnzend als wahr. Es
faͤllt zu ſehr ins Rothe in den Lichtern, und zu ſehr
ins Violette in den Schatten. Seine Halbſchatten
aber zeichnen ſich durch ſchoͤne perlgraue und durchſich-
tige Tinten aus.

Das Helldunkle iſt conventionell, aber oft thut
es Wuͤrkung. Zuweilen zerſtoͤhren die gar zu glaͤnzen-
den Farben die Harmonie.

Das Coſtume iſt auf das groͤbſte in allen ſeinen
Gemaͤhlden beleidigt. Gemeiniglich trifft man Hunde
darauf an. Ich fuͤhre beides an, mehr als Wieder-
erkennungszeichen, als in der Abſicht ihm einen Vor-
wurf daruͤber zu machen.

Ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0280" n="258"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das Capitol.</hi> </fw><lb/>
            <p>Die Zeichnung des Paolo Verone&#x017F;e i&#x017F;t ohne Be-<lb/>
&#x017F;timmtheit, und oft incorrekt. Allein auch hier &#x017F;ind<lb/>
wieder die Fehler fu&#x0364;r ein ungeu&#x0364;btes Auge nicht &#x017F;o auf-<lb/>
fallend, den Eindruck des Ganzen zu zer&#x017F;to&#x0364;hren.</p><lb/>
            <p>Er liebte Ko&#x0364;pfe in einer niedergebu&#x0364;ckten Stellung<lb/>
zu mahlen, und u&#x0364;berhaupt Verku&#x0364;rzungen, wie man<lb/>
&#x017F;ie von einem hohen Standorte ab an Figuren auf ei-<lb/>
nem niedrigem Horizonte erblickt. Sie &#x017F;etzen am<lb/>
mei&#x017F;ten in Verwunderung, und ungeu&#x0364;bte Zeichner<lb/>
ko&#x0364;nnen hier der Richtigkeit der Formen und der Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e am wenig&#x017F;ten nach&#x017F;pu&#x0364;hren. Allenthalben<lb/>
Blendwerk!</p><lb/>
            <p>Seine Gewa&#x0364;nder &#x017F;ind &#x017F;chlecht geworfen: Sie<lb/>
entziehen dem Auge beinahe immer die Umri&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
Nackten: Dabei &#x017F;chlagen &#x017F;ie &#x017F;ich in kleinliche Falten.<lb/>
Aber er mahlte &#x017F;cho&#x0364;ne reiche Stoffe: Auch das<lb/>
verblendet.</p><lb/>
            <p>Sein Colorit i&#x017F;t mehr gla&#x0364;nzend als wahr. Es<lb/>
fa&#x0364;llt zu &#x017F;ehr ins Rothe in den Lichtern, und zu &#x017F;ehr<lb/>
ins Violette in den Schatten. Seine Halb&#x017F;chatten<lb/>
aber zeichnen &#x017F;ich durch &#x017F;cho&#x0364;ne perlgraue und durch&#x017F;ich-<lb/>
tige Tinten aus.</p><lb/>
            <p>Das Helldunkle i&#x017F;t conventionell, aber oft thut<lb/>
es Wu&#x0364;rkung. Zuweilen zer&#x017F;to&#x0364;hren die gar zu gla&#x0364;nzen-<lb/>
den Farben die Harmonie.</p><lb/>
            <p>Das Co&#x017F;tume i&#x017F;t auf das gro&#x0364;b&#x017F;te in allen &#x017F;einen<lb/>
Gema&#x0364;hlden beleidigt. Gemeiniglich trifft man Hunde<lb/>
darauf an. Ich fu&#x0364;hre beides an, mehr als Wieder-<lb/>
erkennungszeichen, als in der Ab&#x017F;icht ihm einen Vor-<lb/>
wurf daru&#x0364;ber zu machen.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ein</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0280] Das Capitol. Die Zeichnung des Paolo Veroneſe iſt ohne Be- ſtimmtheit, und oft incorrekt. Allein auch hier ſind wieder die Fehler fuͤr ein ungeuͤbtes Auge nicht ſo auf- fallend, den Eindruck des Ganzen zu zerſtoͤhren. Er liebte Koͤpfe in einer niedergebuͤckten Stellung zu mahlen, und uͤberhaupt Verkuͤrzungen, wie man ſie von einem hohen Standorte ab an Figuren auf ei- nem niedrigem Horizonte erblickt. Sie ſetzen am meiſten in Verwunderung, und ungeuͤbte Zeichner koͤnnen hier der Richtigkeit der Formen und der Ver- haͤltniſſe am wenigſten nachſpuͤhren. Allenthalben Blendwerk! Seine Gewaͤnder ſind ſchlecht geworfen: Sie entziehen dem Auge beinahe immer die Umriſſe des Nackten: Dabei ſchlagen ſie ſich in kleinliche Falten. Aber er mahlte ſchoͤne reiche Stoffe: Auch das verblendet. Sein Colorit iſt mehr glaͤnzend als wahr. Es faͤllt zu ſehr ins Rothe in den Lichtern, und zu ſehr ins Violette in den Schatten. Seine Halbſchatten aber zeichnen ſich durch ſchoͤne perlgraue und durchſich- tige Tinten aus. Das Helldunkle iſt conventionell, aber oft thut es Wuͤrkung. Zuweilen zerſtoͤhren die gar zu glaͤnzen- den Farben die Harmonie. Das Coſtume iſt auf das groͤbſte in allen ſeinen Gemaͤhlden beleidigt. Gemeiniglich trifft man Hunde darauf an. Ich fuͤhre beides an, mehr als Wieder- erkennungszeichen, als in der Abſicht ihm einen Vor- wurf daruͤber zu machen. Ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/280
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/280>, abgerufen am 08.05.2024.