Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Borghese.
Wichtigkeit
und Größe
der Gemähl-
desammlung
in diesem
Pallaste.

Keine Gemähldesammlung in Rom kömmt derjeni-
gen, die sich in diesem Pallaste befindet, an
Größe und Wichtigkeit bei, und man hält sie mit
Recht für eine der ersten in Europa.

Man wird nicht leicht einen großen Meister aus
irgend einer Schule Italiens nennen können, den ein-
zigen Correggio ausgenommen, von dem hier nicht
vorzügliche Werke anzutreffen wären. Allein die
Menge der Tizianschen Gemählde, die man hier
häufiger als in andern Gallerien Roms antrifft, gibt
mir besonders Gelegenheit, eine Anleitung zur Kennt-
niß dieses großen Mahlers vorauszuschicken.

Tizian Ve-
celli; Unter-
scheidungs-
zeichen seines
Stils.

Tiziano Vecelli da Cadore, dessen Nahme
Tizian, mit dem Begriffe eines unendlichen Werthes
in der Mahlerei, in unsere Sprache aufgenommen ist,
lebte von 1477 -- 1576. Giovanni Bellini,
nicht Gentile Bellini, wie d' Argensville irrig schreibt,
war der erste Meister unsers Künstlers. Sein trocke-
ner, kleinlicher Stil zeigt sich in den Umrissen der er-
sten Werke des Schülers, so wie die übertriebene
Kraft in der Färbung, die er vom Giorgione entlehnte.
Doch sind Werke dieser Art außerhalb Venedig äus-
serst selten.

In der Folge ward die Natur seine einzige Führe-
rin, und da diese sich unter unendlichen Abwechselun-
gen zeigt, keine einseitige Art die Gegenstände zu sehen
und darzustellen zuläßt; so darf man auch eine gewisse

bestimmte

Pallaſt Borgheſe.
Wichtigkeit
und Groͤße
der Gemaͤhl-
deſammlung
in dieſem
Pallaſte.

Keine Gemaͤhldeſammlung in Rom koͤmmt derjeni-
gen, die ſich in dieſem Pallaſte befindet, an
Groͤße und Wichtigkeit bei, und man haͤlt ſie mit
Recht fuͤr eine der erſten in Europa.

Man wird nicht leicht einen großen Meiſter aus
irgend einer Schule Italiens nennen koͤnnen, den ein-
zigen Correggio ausgenommen, von dem hier nicht
vorzuͤgliche Werke anzutreffen waͤren. Allein die
Menge der Tizianſchen Gemaͤhlde, die man hier
haͤufiger als in andern Gallerien Roms antrifft, gibt
mir beſonders Gelegenheit, eine Anleitung zur Kennt-
niß dieſes großen Mahlers vorauszuſchicken.

Tizian Ve-
celli; Unter-
ſcheidungs-
zeichen ſeines
Stils.

Tiziano Vecelli da Cadore, deſſen Nahme
Tizian, mit dem Begriffe eines unendlichen Werthes
in der Mahlerei, in unſere Sprache aufgenommen iſt,
lebte von 1477 — 1576. Giovanni Bellini,
nicht Gentile Bellini, wie d’ Argensville irrig ſchreibt,
war der erſte Meiſter unſers Kuͤnſtlers. Sein trocke-
ner, kleinlicher Stil zeigt ſich in den Umriſſen der er-
ſten Werke des Schuͤlers, ſo wie die uͤbertriebene
Kraft in der Faͤrbung, die er vom Giorgione entlehnte.
Doch ſind Werke dieſer Art außerhalb Venedig aͤuſ-
ſerſt ſelten.

In der Folge ward die Natur ſeine einzige Fuͤhre-
rin, und da dieſe ſich unter unendlichen Abwechſelun-
gen zeigt, keine einſeitige Art die Gegenſtaͤnde zu ſehen
und darzuſtellen zulaͤßt; ſo darf man auch eine gewiſſe

beſtimmte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0290" n="268"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Palla&#x017F;t Borghe&#x017F;e</hi>.</hi> </head><lb/>
          <note place="left">Wichtigkeit<lb/>
und Gro&#x0364;ße<lb/>
der Gema&#x0364;hl-<lb/>
de&#x017F;ammlung<lb/>
in die&#x017F;em<lb/>
Palla&#x017F;te.</note>
          <p><hi rendition="#in">K</hi>eine Gema&#x0364;hlde&#x017F;ammlung in Rom ko&#x0364;mmt derjeni-<lb/>
gen, die &#x017F;ich in die&#x017F;em Palla&#x017F;te befindet, an<lb/>
Gro&#x0364;ße und Wichtigkeit bei, und man ha&#x0364;lt &#x017F;ie mit<lb/>
Recht fu&#x0364;r eine der er&#x017F;ten in Europa.</p><lb/>
          <p>Man wird nicht leicht einen großen Mei&#x017F;ter aus<lb/>
irgend einer Schule Italiens nennen ko&#x0364;nnen, den ein-<lb/>
zigen Correggio ausgenommen, von dem hier nicht<lb/>
vorzu&#x0364;gliche Werke anzutreffen wa&#x0364;ren. Allein die<lb/>
Menge der Tizian&#x017F;chen Gema&#x0364;hlde, die man hier<lb/>
ha&#x0364;ufiger als in andern Gallerien Roms antrifft, gibt<lb/>
mir be&#x017F;onders Gelegenheit, eine Anleitung zur Kennt-<lb/>
niß die&#x017F;es großen Mahlers vorauszu&#x017F;chicken.</p><lb/>
          <note place="left">Tizian Ve-<lb/>
celli; Unter-<lb/>
&#x017F;cheidungs-<lb/>
zeichen &#x017F;eines<lb/>
Stils.</note>
          <p><hi rendition="#fr">Tiziano Vecelli da Cadore,</hi> de&#x017F;&#x017F;en Nahme<lb/>
Tizian, mit dem Begriffe eines unendlichen Werthes<lb/>
in der Mahlerei, in un&#x017F;ere Sprache aufgenommen i&#x017F;t,<lb/>
lebte von 1477 &#x2014; 1576. Giovanni Bellini,<lb/>
nicht Gentile Bellini, wie d&#x2019; Argensville irrig &#x017F;chreibt,<lb/>
war der er&#x017F;te Mei&#x017F;ter un&#x017F;ers Ku&#x0364;n&#x017F;tlers. Sein trocke-<lb/>
ner, kleinlicher Stil zeigt &#x017F;ich in den Umri&#x017F;&#x017F;en der er-<lb/>
&#x017F;ten Werke des Schu&#x0364;lers, &#x017F;o wie die u&#x0364;bertriebene<lb/>
Kraft in der Fa&#x0364;rbung, die er vom Giorgione entlehnte.<lb/>
Doch &#x017F;ind Werke die&#x017F;er Art außerhalb Venedig a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;t &#x017F;elten.</p><lb/>
          <p>In der Folge ward die Natur &#x017F;eine einzige Fu&#x0364;hre-<lb/>
rin, und da die&#x017F;e &#x017F;ich unter unendlichen Abwech&#x017F;elun-<lb/>
gen zeigt, keine ein&#x017F;eitige Art die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde zu &#x017F;ehen<lb/>
und darzu&#x017F;tellen zula&#x0364;ßt; &#x017F;o darf man auch eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be&#x017F;timmte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0290] Pallaſt Borgheſe. Keine Gemaͤhldeſammlung in Rom koͤmmt derjeni- gen, die ſich in dieſem Pallaſte befindet, an Groͤße und Wichtigkeit bei, und man haͤlt ſie mit Recht fuͤr eine der erſten in Europa. Man wird nicht leicht einen großen Meiſter aus irgend einer Schule Italiens nennen koͤnnen, den ein- zigen Correggio ausgenommen, von dem hier nicht vorzuͤgliche Werke anzutreffen waͤren. Allein die Menge der Tizianſchen Gemaͤhlde, die man hier haͤufiger als in andern Gallerien Roms antrifft, gibt mir beſonders Gelegenheit, eine Anleitung zur Kennt- niß dieſes großen Mahlers vorauszuſchicken. Tiziano Vecelli da Cadore, deſſen Nahme Tizian, mit dem Begriffe eines unendlichen Werthes in der Mahlerei, in unſere Sprache aufgenommen iſt, lebte von 1477 — 1576. Giovanni Bellini, nicht Gentile Bellini, wie d’ Argensville irrig ſchreibt, war der erſte Meiſter unſers Kuͤnſtlers. Sein trocke- ner, kleinlicher Stil zeigt ſich in den Umriſſen der er- ſten Werke des Schuͤlers, ſo wie die uͤbertriebene Kraft in der Faͤrbung, die er vom Giorgione entlehnte. Doch ſind Werke dieſer Art außerhalb Venedig aͤuſ- ſerſt ſelten. In der Folge ward die Natur ſeine einzige Fuͤhre- rin, und da dieſe ſich unter unendlichen Abwechſelun- gen zeigt, keine einſeitige Art die Gegenſtaͤnde zu ſehen und darzuſtellen zulaͤßt; ſo darf man auch eine gewiſſe beſtimmte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/290
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/290>, abgerufen am 30.04.2024.