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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Pallast Borghese.
Hauptschatten verlieren, der wieder den Uebergang in
den Grund macht. Doch ist er sich hierin nicht gleich;
einige seiner Bilder sind in einem helleren, andere in
einem dunkleren Tone gemahlt.

Seine Behandlung war vortrefflich: Wahrschein-
lich legte er seine Gemählde sehr hell an, und arbei-
tete sie zu mehreren Mahlen über. Er wandte eine
unglaubliche Sorgfalt darauf. Inzwischen bemerkt
man sie nicht. Alles scheint auf den ersten Strich,
mit einer Lage, fertig gemacht zu seyn: Kaum daß
das grobe Tuch, auf dem er öfters mahlte, mit Farbe
bedeckt zu seyn scheint.

Daß Tizian seine Figuren für sich zu runden
wußte, haben wir gesehen; aber das eigentliche Ge-
heimniß des Helldunkeln besaß er nicht. Man findet
in seinen Werken wenig Spuhren von Reflexen.

Tizian ist der größte Portraitmahler gewesen, der
je gelebt hat. Er war aber auch, bis auf die
Luftperspektiv, die er wenig beobachtete, ein guter
Landschaftsmahler. Paul Brill, Breughel, Ru-
bens und die Carracci haben diese Art von Mahlerei
in seinen Werken studirt. Ein Wiedererkennungs-
zeichen seines Stils in der Landschaftsmahlerei ist die
unverhältnißmäßige Größe der Blätter gegen den
Stamm der Bäume. 1 c)

Erstes
1 c) Man vergleiche mit dieser Beurtheilung Tizians,
das, was Zanetti, della Pittura Veneziana e delle
opere pubbliche de' Veneziani Maestri in Venezia
1771. p.
95. über diesen Meister gesagt hat.

Pallaſt Borgheſe.
Hauptſchatten verlieren, der wieder den Uebergang in
den Grund macht. Doch iſt er ſich hierin nicht gleich;
einige ſeiner Bilder ſind in einem helleren, andere in
einem dunkleren Tone gemahlt.

Seine Behandlung war vortrefflich: Wahrſchein-
lich legte er ſeine Gemaͤhlde ſehr hell an, und arbei-
tete ſie zu mehreren Mahlen uͤber. Er wandte eine
unglaubliche Sorgfalt darauf. Inzwiſchen bemerkt
man ſie nicht. Alles ſcheint auf den erſten Strich,
mit einer Lage, fertig gemacht zu ſeyn: Kaum daß
das grobe Tuch, auf dem er oͤfters mahlte, mit Farbe
bedeckt zu ſeyn ſcheint.

Daß Tizian ſeine Figuren fuͤr ſich zu runden
wußte, haben wir geſehen; aber das eigentliche Ge-
heimniß des Helldunkeln beſaß er nicht. Man findet
in ſeinen Werken wenig Spuhren von Reflexen.

Tizian iſt der groͤßte Portraitmahler geweſen, der
je gelebt hat. Er war aber auch, bis auf die
Luftperſpektiv, die er wenig beobachtete, ein guter
Landſchaftsmahler. Paul Brill, Breughel, Ru-
bens und die Carracci haben dieſe Art von Mahlerei
in ſeinen Werken ſtudirt. Ein Wiedererkennungs-
zeichen ſeines Stils in der Landſchaftsmahlerei iſt die
unverhaͤltnißmaͤßige Groͤße der Blaͤtter gegen den
Stamm der Baͤume. 1 c)

Erſtes
1 c) Man vergleiche mit dieſer Beurtheilung Tizians,
das, was Zanetti, della Pittura Veneziana e delle
opere pubbliche de’ Veneziani Maeſtri in Venezia
1771. p.
95. uͤber dieſen Meiſter geſagt hat.
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[276/0298] Pallaſt Borgheſe. Hauptſchatten verlieren, der wieder den Uebergang in den Grund macht. Doch iſt er ſich hierin nicht gleich; einige ſeiner Bilder ſind in einem helleren, andere in einem dunkleren Tone gemahlt. Seine Behandlung war vortrefflich: Wahrſchein- lich legte er ſeine Gemaͤhlde ſehr hell an, und arbei- tete ſie zu mehreren Mahlen uͤber. Er wandte eine unglaubliche Sorgfalt darauf. Inzwiſchen bemerkt man ſie nicht. Alles ſcheint auf den erſten Strich, mit einer Lage, fertig gemacht zu ſeyn: Kaum daß das grobe Tuch, auf dem er oͤfters mahlte, mit Farbe bedeckt zu ſeyn ſcheint. Daß Tizian ſeine Figuren fuͤr ſich zu runden wußte, haben wir geſehen; aber das eigentliche Ge- heimniß des Helldunkeln beſaß er nicht. Man findet in ſeinen Werken wenig Spuhren von Reflexen. Tizian iſt der groͤßte Portraitmahler geweſen, der je gelebt hat. Er war aber auch, bis auf die Luftperſpektiv, die er wenig beobachtete, ein guter Landſchaftsmahler. Paul Brill, Breughel, Ru- bens und die Carracci haben dieſe Art von Mahlerei in ſeinen Werken ſtudirt. Ein Wiedererkennungs- zeichen ſeines Stils in der Landſchaftsmahlerei iſt die unverhaͤltnißmaͤßige Groͤße der Blaͤtter gegen den Stamm der Baͤume. 1 c) Erſtes 1 c) Man vergleiche mit dieſer Beurtheilung Tizians, das, was Zanetti, della Pittura Veneziana e delle opere pubbliche de’ Veneziani Maeſtri in Venezia 1771. p. 95. uͤber dieſen Meiſter geſagt hat.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/298>, abgerufen am 27.04.2024.