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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
umher. Hier sind Statuen aufgestellt: die größeren
in den Nischen der hinteren Wand; die kleineren in
den Nischen der starken Pfeiler, die die Arcaden bil-
den. Man sahe hier außerdem zu meiner Zeit eine
Menge von Vasen, Sarcophagen, und Bruchstü-
cken längs den Wänden ohne besondere Ordnung.
Viele dieser Stücke erwarteten eine weitere Bestimmung.
Da mir diese unbekannt ist, so habe ich sie an dem
Orte anzeigen müssen, wo ich sie gefunden habe.
Sollte damit eine Veränderung vorgegangen seyn, so
wird sich meine Anzeige leicht berichtigen lassen.

Das Licht fällt durch die Mitte des oben offenenNachtheil
der Aufstel-
lung der Sta-
tuen an die-
sem Orte für
die Wahr-
nehmung ih-
rer Schön-
heit im Ein-
zelnen; Vor-
theil dersel-
ben für den
Eindruck so
vieler verei-
nigten
Schönheiten
im Ganzen.

Hofes auf die rund umherstehenden Statuen. Diese
Beleuchtung, die nicht jeder Statue auf gleiche Art
anpassend seyn kann, ist im Einzelnen nicht zu billi-
gen. Allein für den Eindruck des Ganzen, ist diese
Absonderung der erhabensten Werke der Kunst der
Menschen von allen würklichen Gegenständen in der
Natur, nicht ohne Vortheil. Man sieht neben sich
die Formen der höchsten idealischen Schönheit, und
über sich den Himmel. Die Einbildungskraft steigt
auf der bequemsten Leiter bald von den Umstehenden
zu den obern Regionen hinauf, bald von diesen zu
ihren wahrscheinlichen Bewohnern herab; und das
einförmige Getöne des stets steigenden, stets herabfal-
lenden Wassers der Fontaine unterhält die Seele in der
feierlichen Stimmung, die dem Genuß des Schönen
so zuträglich ist. Der Eintritt in diesen Porticus öff-
net das Thor zu einer neuen Schöpfung. Wir lassen
draußen Alles was wir vorher empfunden haben; quä-
lende Erinnerungen, eitle Wünsche; stille Größe, ruhi-
ger unvermischter Genuß füllt unsere ganze Seele aus.

+ Apollo.
Erster Theil. D

Der Vaticaniſche Pallaſt.
umher. Hier ſind Statuen aufgeſtellt: die groͤßeren
in den Niſchen der hinteren Wand; die kleineren in
den Niſchen der ſtarken Pfeiler, die die Arcaden bil-
den. Man ſahe hier außerdem zu meiner Zeit eine
Menge von Vaſen, Sarcophagen, und Bruchſtuͤ-
cken laͤngs den Waͤnden ohne beſondere Ordnung.
Viele dieſer Stuͤcke erwarteten eine weitere Beſtimmung.
Da mir dieſe unbekannt iſt, ſo habe ich ſie an dem
Orte anzeigen muͤſſen, wo ich ſie gefunden habe.
Sollte damit eine Veraͤnderung vorgegangen ſeyn, ſo
wird ſich meine Anzeige leicht berichtigen laſſen.

Das Licht faͤllt durch die Mitte des oben offenenNachtheil
der Aufſtel-
lung der Sta-
tuen an die-
ſem Orte fuͤr
die Wahr-
nehmung ih-
rer Schoͤn-
heit im Ein-
zelnen; Vor-
theil derſel-
ben fuͤr den
Eindruck ſo
vieler verei-
nigten
Schoͤnheiten
im Ganzen.

Hofes auf die rund umherſtehenden Statuen. Dieſe
Beleuchtung, die nicht jeder Statue auf gleiche Art
anpaſſend ſeyn kann, iſt im Einzelnen nicht zu billi-
gen. Allein fuͤr den Eindruck des Ganzen, iſt dieſe
Abſonderung der erhabenſten Werke der Kunſt der
Menſchen von allen wuͤrklichen Gegenſtaͤnden in der
Natur, nicht ohne Vortheil. Man ſieht neben ſich
die Formen der hoͤchſten idealiſchen Schoͤnheit, und
uͤber ſich den Himmel. Die Einbildungskraft ſteigt
auf der bequemſten Leiter bald von den Umſtehenden
zu den obern Regionen hinauf, bald von dieſen zu
ihren wahrſcheinlichen Bewohnern herab; und das
einfoͤrmige Getoͤne des ſtets ſteigenden, ſtets herabfal-
lenden Waſſers der Fontaine unterhaͤlt die Seele in der
feierlichen Stimmung, die dem Genuß des Schoͤnen
ſo zutraͤglich iſt. Der Eintritt in dieſen Porticus oͤff-
net das Thor zu einer neuen Schoͤpfung. Wir laſſen
draußen Alles was wir vorher empfunden haben; quaͤ-
lende Erinnerungen, eitle Wuͤnſche; ſtille Groͤße, ruhi-
ger unvermiſchter Genuß fuͤllt unſere ganze Seele aus.

Apollo.
Erſter Theil. D
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[49/0071] Der Vaticaniſche Pallaſt. umher. Hier ſind Statuen aufgeſtellt: die groͤßeren in den Niſchen der hinteren Wand; die kleineren in den Niſchen der ſtarken Pfeiler, die die Arcaden bil- den. Man ſahe hier außerdem zu meiner Zeit eine Menge von Vaſen, Sarcophagen, und Bruchſtuͤ- cken laͤngs den Waͤnden ohne beſondere Ordnung. Viele dieſer Stuͤcke erwarteten eine weitere Beſtimmung. Da mir dieſe unbekannt iſt, ſo habe ich ſie an dem Orte anzeigen muͤſſen, wo ich ſie gefunden habe. Sollte damit eine Veraͤnderung vorgegangen ſeyn, ſo wird ſich meine Anzeige leicht berichtigen laſſen. Das Licht faͤllt durch die Mitte des oben offenen Hofes auf die rund umherſtehenden Statuen. Dieſe Beleuchtung, die nicht jeder Statue auf gleiche Art anpaſſend ſeyn kann, iſt im Einzelnen nicht zu billi- gen. Allein fuͤr den Eindruck des Ganzen, iſt dieſe Abſonderung der erhabenſten Werke der Kunſt der Menſchen von allen wuͤrklichen Gegenſtaͤnden in der Natur, nicht ohne Vortheil. Man ſieht neben ſich die Formen der hoͤchſten idealiſchen Schoͤnheit, und uͤber ſich den Himmel. Die Einbildungskraft ſteigt auf der bequemſten Leiter bald von den Umſtehenden zu den obern Regionen hinauf, bald von dieſen zu ihren wahrſcheinlichen Bewohnern herab; und das einfoͤrmige Getoͤne des ſtets ſteigenden, ſtets herabfal- lenden Waſſers der Fontaine unterhaͤlt die Seele in der feierlichen Stimmung, die dem Genuß des Schoͤnen ſo zutraͤglich iſt. Der Eintritt in dieſen Porticus oͤff- net das Thor zu einer neuen Schoͤpfung. Wir laſſen draußen Alles was wir vorher empfunden haben; quaͤ- lende Erinnerungen, eitle Wuͤnſche; ſtille Groͤße, ruhi- ger unvermiſchter Genuß fuͤllt unſere ganze Seele aus. Nachtheil der Aufſtel- lung der Sta- tuen an die- ſem Orte fuͤr die Wahr- nehmung ih- rer Schoͤn- heit im Ein- zelnen; Vor- theil derſel- ben fuͤr den Eindruck ſo vieler verei- nigten Schoͤnheiten im Ganzen. † Apollo. Erſter Theil. D

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/71>, abgerufen am 28.04.2024.