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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Massini.
fallen zu müssen. Auch thun die unterwärts gebo-
genen Zehen des linken Fußes dem Auge wehe; um
so mehr, als sie an den Block befestigt sind, und der
Körper darauf zu ruhen scheint. 3) Ich stelle mir
vor, der Künstler hat die Idee gehabt, der Be-
schauer solle den Fuß als im Freien schwebend be-
trachten: dann ließe sich die Krümmung der Zehen
als eine Folge der heftigen Anstrengung leicht entschul-
digen. Allein aus Furcht, das Bein möchte als-
dann nicht Halt genung haben, hat er die Zehen in
den Marmorblock gefugt, und wahrscheinlich haben
wir auch nur diesem Umstande dessen Erhaltung zu
verdanken.. Der Künstler scheint überhaupt
besondere Sorge für die Conservation seines Werks
getragen zu haben. Ein Stück Marmor hielt
den aufgehobenen Arm an den Körper fest,
als die Statue gefunden wurde. Weil man aber
fand, daß es dem Ganzen schadete, ward es ab-
genommen. Es ist weiter nichts an der Figur er-
gänzt, als das rechte Bein vom Knie an, bis auf
die Knöchel, und einige Finger. Der Leib ist der
schönste Theil an dieser Figur, doch hat auch der
Kopf viel Verdienst. Das linke Bein mit dem Knie,
auch ein Theil des Halses sind nicht ganz ausgearbeitet.
Der Marmor ist von der schönsten Art. Vielleicht
ist der Arm, mit dem der Discus geworfen wird, et-
was verzeichnet.

Unter
3) Fea gesteht das Unnatürliche dieser Stellung am
angeführten Orte ein; glaubt aber, daß sich von
einem so großen Meister wie Myron nicht anders
vermuthen lasse, als daß sie nach der Natur ge-
nommen sey.

Pallaſt Maſſini.
fallen zu muͤſſen. Auch thun die unterwaͤrts gebo-
genen Zehen des linken Fußes dem Auge wehe; um
ſo mehr, als ſie an den Block befeſtigt ſind, und der
Koͤrper darauf zu ruhen ſcheint. 3) Ich ſtelle mir
vor, der Kuͤnſtler hat die Idee gehabt, der Be-
ſchauer ſolle den Fuß als im Freien ſchwebend be-
trachten: dann ließe ſich die Kruͤmmung der Zehen
als eine Folge der heftigen Anſtrengung leicht entſchul-
digen. Allein aus Furcht, das Bein moͤchte als-
dann nicht Halt genung haben, hat er die Zehen in
den Marmorblock gefugt, und wahrſcheinlich haben
wir auch nur dieſem Umſtande deſſen Erhaltung zu
verdanken.. Der Kuͤnſtler ſcheint uͤberhaupt
beſondere Sorge fuͤr die Conſervation ſeines Werks
getragen zu haben. Ein Stuͤck Marmor hielt
den aufgehobenen Arm an den Koͤrper feſt,
als die Statue gefunden wurde. Weil man aber
fand, daß es dem Ganzen ſchadete, ward es ab-
genommen. Es iſt weiter nichts an der Figur er-
gaͤnzt, als das rechte Bein vom Knie an, bis auf
die Knoͤchel, und einige Finger. Der Leib iſt der
ſchoͤnſte Theil an dieſer Figur, doch hat auch der
Kopf viel Verdienſt. Das linke Bein mit dem Knie,
auch ein Theil des Halſes ſind nicht ganz ausgearbeitet.
Der Marmor iſt von der ſchoͤnſten Art. Vielleicht
iſt der Arm, mit dem der Diſcus geworfen wird, et-
was verzeichnet.

Unter
3) Fea geſteht das Unnatuͤrliche dieſer Stellung am
angefuͤhrten Orte ein; glaubt aber, daß ſich von
einem ſo großen Meiſter wie Myron nicht anders
vermuthen laſſe, als daß ſie nach der Natur ge-
nommen ſey.
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[77/0101] Pallaſt Maſſini. fallen zu muͤſſen. Auch thun die unterwaͤrts gebo- genen Zehen des linken Fußes dem Auge wehe; um ſo mehr, als ſie an den Block befeſtigt ſind, und der Koͤrper darauf zu ruhen ſcheint. 3) Ich ſtelle mir vor, der Kuͤnſtler hat die Idee gehabt, der Be- ſchauer ſolle den Fuß als im Freien ſchwebend be- trachten: dann ließe ſich die Kruͤmmung der Zehen als eine Folge der heftigen Anſtrengung leicht entſchul- digen. Allein aus Furcht, das Bein moͤchte als- dann nicht Halt genung haben, hat er die Zehen in den Marmorblock gefugt, und wahrſcheinlich haben wir auch nur dieſem Umſtande deſſen Erhaltung zu verdanken.. Der Kuͤnſtler ſcheint uͤberhaupt beſondere Sorge fuͤr die Conſervation ſeines Werks getragen zu haben. Ein Stuͤck Marmor hielt den aufgehobenen Arm an den Koͤrper feſt, als die Statue gefunden wurde. Weil man aber fand, daß es dem Ganzen ſchadete, ward es ab- genommen. Es iſt weiter nichts an der Figur er- gaͤnzt, als das rechte Bein vom Knie an, bis auf die Knoͤchel, und einige Finger. Der Leib iſt der ſchoͤnſte Theil an dieſer Figur, doch hat auch der Kopf viel Verdienſt. Das linke Bein mit dem Knie, auch ein Theil des Halſes ſind nicht ganz ausgearbeitet. Der Marmor iſt von der ſchoͤnſten Art. Vielleicht iſt der Arm, mit dem der Diſcus geworfen wird, et- was verzeichnet. Unter 3) Fea geſteht das Unnatuͤrliche dieſer Stellung am angefuͤhrten Orte ein; glaubt aber, daß ſich von einem ſo großen Meiſter wie Myron nicht anders vermuthen laſſe, als daß ſie nach der Natur ge- nommen ſey.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/101>, abgerufen am 28.04.2024.