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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Spada.
blutigen Kopfs im Schatten gehalten! Wirklich die-
ses Bild ist ein Muster für jeden angehenden Künstler,
wie man aus einer jeden Begebenheit nur das zur
Darstellung herausheben solle, was der Anschauer
am liebsten dargestellt zu sehen wünscht. Ist in der
ganzen Folge von Situationen, welche die Geschichte
des Holofernes der sichtbaren Darstellung darbietet,
eine einzige, die uns mehr interessiren kann, als die-
jenige, in der sich Judith nach dem Tode des Holo-
fernes befand? Ich rede von dem Mahler. Dem
Dichter kann vielleicht das zweifelhafte Anstehen einer
empfindungsvollen Seele in dem Augenblicke vor einer
Handlung, die nur die Nothwendigkeit entschuldigt:
der Ermordung des Feindes im Schlafe, noch interes-
santer seyn. Aber kaum weiß ich, ob die Aeußerung
dieser Empfindung durch eine stillstehende Pantomime
deutlich genug werden dürfte.

Und wie hat der Mahler die Verfechterin ihres
Vaterlandes und ihrer Unschuld, mit dem ganzen
Gefühle der Rechtmäßigkeit ihrer That, der Zuver-
sicht und des Dankes ergriffen, den das schwache
Werkzeug der Leitung einer höheren Gewalt bei einer
so muthigen That schuldig zu seyn glaubte.

Die Zeichnung ist vortrefflich, vorzüglich an dem
Arme und der Hand, die das Schwerdt halten.
Durch das schön geworfene Gewand zeichnet sich der
Körper einer Heldin hin. Die Farbe ist nachge-
schwärzt, aber sie muß sehr kräftig gewesen seyn.
Kurz! dies Bild ist eins der schönsten von Guido und
mir das liebste in dieser Gallerie. Schade! daß es
beim Reinigen gelitten hat.

Eine
F 2

Pallaſt Spada.
blutigen Kopfs im Schatten gehalten! Wirklich die-
ſes Bild iſt ein Muſter fuͤr jeden angehenden Kuͤnſtler,
wie man aus einer jeden Begebenheit nur das zur
Darſtellung herausheben ſolle, was der Anſchauer
am liebſten dargeſtellt zu ſehen wuͤnſcht. Iſt in der
ganzen Folge von Situationen, welche die Geſchichte
des Holofernes der ſichtbaren Darſtellung darbietet,
eine einzige, die uns mehr intereſſiren kann, als die-
jenige, in der ſich Judith nach dem Tode des Holo-
fernes befand? Ich rede von dem Mahler. Dem
Dichter kann vielleicht das zweifelhafte Anſtehen einer
empfindungsvollen Seele in dem Augenblicke vor einer
Handlung, die nur die Nothwendigkeit entſchuldigt:
der Ermordung des Feindes im Schlafe, noch intereſ-
ſanter ſeyn. Aber kaum weiß ich, ob die Aeußerung
dieſer Empfindung durch eine ſtillſtehende Pantomime
deutlich genug werden duͤrfte.

Und wie hat der Mahler die Verfechterin ihres
Vaterlandes und ihrer Unſchuld, mit dem ganzen
Gefuͤhle der Rechtmaͤßigkeit ihrer That, der Zuver-
ſicht und des Dankes ergriffen, den das ſchwache
Werkzeug der Leitung einer hoͤheren Gewalt bei einer
ſo muthigen That ſchuldig zu ſeyn glaubte.

Die Zeichnung iſt vortrefflich, vorzuͤglich an dem
Arme und der Hand, die das Schwerdt halten.
Durch das ſchoͤn geworfene Gewand zeichnet ſich der
Koͤrper einer Heldin hin. Die Farbe iſt nachge-
ſchwaͤrzt, aber ſie muß ſehr kraͤftig geweſen ſeyn.
Kurz! dies Bild iſt eins der ſchoͤnſten von Guido und
mir das liebſte in dieſer Gallerie. Schade! daß es
beim Reinigen gelitten hat.

Eine
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[83/0107] Pallaſt Spada. blutigen Kopfs im Schatten gehalten! Wirklich die- ſes Bild iſt ein Muſter fuͤr jeden angehenden Kuͤnſtler, wie man aus einer jeden Begebenheit nur das zur Darſtellung herausheben ſolle, was der Anſchauer am liebſten dargeſtellt zu ſehen wuͤnſcht. Iſt in der ganzen Folge von Situationen, welche die Geſchichte des Holofernes der ſichtbaren Darſtellung darbietet, eine einzige, die uns mehr intereſſiren kann, als die- jenige, in der ſich Judith nach dem Tode des Holo- fernes befand? Ich rede von dem Mahler. Dem Dichter kann vielleicht das zweifelhafte Anſtehen einer empfindungsvollen Seele in dem Augenblicke vor einer Handlung, die nur die Nothwendigkeit entſchuldigt: der Ermordung des Feindes im Schlafe, noch intereſ- ſanter ſeyn. Aber kaum weiß ich, ob die Aeußerung dieſer Empfindung durch eine ſtillſtehende Pantomime deutlich genug werden duͤrfte. Und wie hat der Mahler die Verfechterin ihres Vaterlandes und ihrer Unſchuld, mit dem ganzen Gefuͤhle der Rechtmaͤßigkeit ihrer That, der Zuver- ſicht und des Dankes ergriffen, den das ſchwache Werkzeug der Leitung einer hoͤheren Gewalt bei einer ſo muthigen That ſchuldig zu ſeyn glaubte. Die Zeichnung iſt vortrefflich, vorzuͤglich an dem Arme und der Hand, die das Schwerdt halten. Durch das ſchoͤn geworfene Gewand zeichnet ſich der Koͤrper einer Heldin hin. Die Farbe iſt nachge- ſchwaͤrzt, aber ſie muß ſehr kraͤftig geweſen ſeyn. Kurz! dies Bild iſt eins der ſchoͤnſten von Guido und mir das liebſte in dieſer Gallerie. Schade! daß es beim Reinigen gelitten hat. Eine F 2

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/107>, abgerufen am 28.04.2024.