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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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über die einzelnen Kirchen.
Faltenschlag ist schlecht, und der Bildhauerei nicht
angemessen.

St. Bruno ist in der Handlung vorgestellt,
wie er die Bischoffsmütze ausschlägt, die ein Engel
ihm darbietet, und sich an dem Rosenkranze und dem
Todtenkopfe genügen läßt. Der Ausdruck ist gut,
weil er bestimmt, deutlich und vollständig ist; aber
der Stellung merkt man doch wieder die unselige Ma-
nier des Contraposto an. Die Gewänder sind so schwer-
fällig, daß man sie eher für steinernes Symbol von
Gewändern, als für würkliche Darstellung derselben
halten sollte.

In den Nischen unter der großen Kuppel,
vier Statuen,
unter denen allein bemerkt zu wer-
den verdient:

+ Der heilige Andreas von Fiammingo.Der heilige
Andreas von
Fiammingo.

Man hatte mir immer diese Figur unter den berühm-
testen der neueren Zeit genannt. Es kann seyn, daß
mein Geschmack durch den Anblick der Antiken ver-
wöhnt war, als ich zu dieser Statue hinzutrat; ich
fand nichts als eine große Masse von Stein, die ei-
nem Menschen sehr ähnlich sahe, und der der Bild-
ner gern recht viel Leben und Thätigkeit hätte geben
mögen. Es kam mir vor, sage ich, als wenn
Fiammingo, um dem prophezeienden Vorwurf des
Bernini zu entgehen, daß er nur ein großes Kind
bilden würde, den Einfall jenes alten Künstlers habe
realisiren wollen, der sich erbot, dem Berge Athos
die Gestalt Alexanders des Großen zu geben.

Die Wahl der Formen paßt sich zu dem Begriff
eines gemeinen Fischers; Schönheit der Formen,

Indi-
Dritter Theil. P

uͤber die einzelnen Kirchen.
Faltenſchlag iſt ſchlecht, und der Bildhauerei nicht
angemeſſen.

St. Bruno iſt in der Handlung vorgeſtellt,
wie er die Biſchoffsmuͤtze ausſchlaͤgt, die ein Engel
ihm darbietet, und ſich an dem Roſenkranze und dem
Todtenkopfe genuͤgen laͤßt. Der Ausdruck iſt gut,
weil er beſtimmt, deutlich und vollſtaͤndig iſt; aber
der Stellung merkt man doch wieder die unſelige Ma-
nier des Contrapoſto an. Die Gewaͤnder ſind ſo ſchwer-
faͤllig, daß man ſie eher fuͤr ſteinernes Symbol von
Gewaͤndern, als fuͤr wuͤrkliche Darſtellung derſelben
halten ſollte.

In den Niſchen unter der großen Kuppel,
vier Statuen,
unter denen allein bemerkt zu wer-
den verdient:

Der heilige Andreas von Fiammingo.Der heilige
Andreas von
Fiammingo.

Man hatte mir immer dieſe Figur unter den beruͤhm-
teſten der neueren Zeit genannt. Es kann ſeyn, daß
mein Geſchmack durch den Anblick der Antiken ver-
woͤhnt war, als ich zu dieſer Statue hinzutrat; ich
fand nichts als eine große Maſſe von Stein, die ei-
nem Menſchen ſehr aͤhnlich ſahe, und der der Bild-
ner gern recht viel Leben und Thaͤtigkeit haͤtte geben
moͤgen. Es kam mir vor, ſage ich, als wenn
Fiammingo, um dem prophezeienden Vorwurf des
Bernini zu entgehen, daß er nur ein großes Kind
bilden wuͤrde, den Einfall jenes alten Kuͤnſtlers habe
realiſiren wollen, der ſich erbot, dem Berge Athos
die Geſtalt Alexanders des Großen zu geben.

Die Wahl der Formen paßt ſich zu dem Begriff
eines gemeinen Fiſchers; Schoͤnheit der Formen,

Indi-
Dritter Theil. P
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[225/0249] uͤber die einzelnen Kirchen. Faltenſchlag iſt ſchlecht, und der Bildhauerei nicht angemeſſen. St. Bruno iſt in der Handlung vorgeſtellt, wie er die Biſchoffsmuͤtze ausſchlaͤgt, die ein Engel ihm darbietet, und ſich an dem Roſenkranze und dem Todtenkopfe genuͤgen laͤßt. Der Ausdruck iſt gut, weil er beſtimmt, deutlich und vollſtaͤndig iſt; aber der Stellung merkt man doch wieder die unſelige Ma- nier des Contrapoſto an. Die Gewaͤnder ſind ſo ſchwer- faͤllig, daß man ſie eher fuͤr ſteinernes Symbol von Gewaͤndern, als fuͤr wuͤrkliche Darſtellung derſelben halten ſollte. In den Niſchen unter der großen Kuppel, vier Statuen, unter denen allein bemerkt zu wer- den verdient: † Der heilige Andreas von Fiammingo. Man hatte mir immer dieſe Figur unter den beruͤhm- teſten der neueren Zeit genannt. Es kann ſeyn, daß mein Geſchmack durch den Anblick der Antiken ver- woͤhnt war, als ich zu dieſer Statue hinzutrat; ich fand nichts als eine große Maſſe von Stein, die ei- nem Menſchen ſehr aͤhnlich ſahe, und der der Bild- ner gern recht viel Leben und Thaͤtigkeit haͤtte geben moͤgen. Es kam mir vor, ſage ich, als wenn Fiammingo, um dem prophezeienden Vorwurf des Bernini zu entgehen, daß er nur ein großes Kind bilden wuͤrde, den Einfall jenes alten Kuͤnſtlers habe realiſiren wollen, der ſich erbot, dem Berge Athos die Geſtalt Alexanders des Großen zu geben. Der heilige Andreas von Fiammingo. Die Wahl der Formen paßt ſich zu dem Begriff eines gemeinen Fiſchers; Schoͤnheit der Formen, Indi- Dritter Theil. P

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/249>, abgerufen am 30.04.2024.