Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
über die einzelnen Kirchen.

Man legte nunmehro den Ausdruck allein in die
Stellung, verdrehte diese, überhäufte die Muskeln,
die nicht mehr in ihrer wahren Lage und Form blieben,
und verschwendete den mechanischen Fleiß an Neben-
werke. Man erkennt Werke aus dieser Zeit noch
ausserdem an den gezogenen Gesichtern der Weiber
ohne bestimmten Ausdruck, an dem pöbelhaften An-
stande der Helden, an dem finstern Charakter der
Alten, an den großen Brüsten, dicken Hüften und
Schenkeln, an den unproportionirlich kleinen Extre-
mitäten, und den convulsivisch verzerrten Fingern.

Ueber M. Angelo als Bildhauer finde ich noch
nöthig zu erinnern, daß er zwei verschiedene Manie-
ren hatte. Die erste ähnelt der des Donatello. Der
Geschmack ist kleinlich, Köpfe und Körper führen
auf den Begriff durch Krankheit niedergedrückter und
abgemergelter Personen zurück, und die Gewänder,
wenn sie gleich das Nackende gut andeuten, scheinen
doch, als naß, zu fest daran zu kleben: Die Falten
gleichen den Beuteln des Albert Dürers. In der
Folge vergrößerte er seine Manier: Hier ist der Fal-
tenschlag freier, größer, und zeigt die Bekanntschaft
des Meisters mit der Antike.

In der ersten Capelle rechter Hand ein
heiliger Augustin mit andern Heiligen
von
Guercino da Cento, aber so sehr verdorben, daß
man wenig davon erkennt.

Ueber dem Grabmale des Cardinals Mar-
gotti, dessen Bildniß von Domenichino.
96)

Auf
96) Ob das Bildniß des Cardinals Agucchi an dessen
Grabmale gegen über gleichfalls von Domenichi-
no
uͤber die einzelnen Kirchen.

Man legte nunmehro den Ausdruck allein in die
Stellung, verdrehte dieſe, uͤberhaͤufte die Muskeln,
die nicht mehr in ihrer wahren Lage und Form blieben,
und verſchwendete den mechaniſchen Fleiß an Neben-
werke. Man erkennt Werke aus dieſer Zeit noch
auſſerdem an den gezogenen Geſichtern der Weiber
ohne beſtimmten Ausdruck, an dem poͤbelhaften An-
ſtande der Helden, an dem finſtern Charakter der
Alten, an den großen Bruͤſten, dicken Huͤften und
Schenkeln, an den unproportionirlich kleinen Extre-
mitaͤten, und den convulſiviſch verzerrten Fingern.

Ueber M. Angelo als Bildhauer finde ich noch
noͤthig zu erinnern, daß er zwei verſchiedene Manie-
ren hatte. Die erſte aͤhnelt der des Donatello. Der
Geſchmack iſt kleinlich, Koͤpfe und Koͤrper fuͤhren
auf den Begriff durch Krankheit niedergedruͤckter und
abgemergelter Perſonen zuruͤck, und die Gewaͤnder,
wenn ſie gleich das Nackende gut andeuten, ſcheinen
doch, als naß, zu feſt daran zu kleben: Die Falten
gleichen den Beuteln des Albert Duͤrers. In der
Folge vergroͤßerte er ſeine Manier: Hier iſt der Fal-
tenſchlag freier, groͤßer, und zeigt die Bekanntſchaft
des Meiſters mit der Antike.

In der erſten Capelle rechter Hand ein
heiliger Auguſtin mit andern Heiligen
von
Guercino da Cento, aber ſo ſehr verdorben, daß
man wenig davon erkennt.

Ueber dem Grabmale des Cardinals Mar-
gotti, deſſen Bildniß von Domenichino.
96)

Auf
96) Ob das Bildniß des Cardinals Agucchi an deſſen
Grabmale gegen uͤber gleichfalls von Domenichi-
no
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0359" n="335"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">u&#x0364;ber die einzelnen Kirchen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Man legte nunmehro den Ausdruck allein in die<lb/>
Stellung, verdrehte die&#x017F;e, u&#x0364;berha&#x0364;ufte die Muskeln,<lb/>
die nicht mehr in ihrer wahren Lage und Form blieben,<lb/>
und ver&#x017F;chwendete den mechani&#x017F;chen Fleiß an Neben-<lb/>
werke. Man erkennt Werke aus die&#x017F;er Zeit noch<lb/>
au&#x017F;&#x017F;erdem an den gezogenen Ge&#x017F;ichtern der Weiber<lb/>
ohne be&#x017F;timmten Ausdruck, an dem po&#x0364;belhaften An-<lb/>
&#x017F;tande der Helden, an dem fin&#x017F;tern Charakter der<lb/>
Alten, an den großen Bru&#x0364;&#x017F;ten, dicken Hu&#x0364;ften und<lb/>
Schenkeln, an den unproportionirlich kleinen Extre-<lb/>
mita&#x0364;ten, und den convul&#x017F;ivi&#x017F;ch verzerrten Fingern.</p><lb/>
            <p>Ueber M. Angelo als Bildhauer finde ich noch<lb/>
no&#x0364;thig zu erinnern, daß er zwei ver&#x017F;chiedene Manie-<lb/>
ren hatte. Die er&#x017F;te a&#x0364;hnelt der des Donatello. Der<lb/>
Ge&#x017F;chmack i&#x017F;t kleinlich, Ko&#x0364;pfe und Ko&#x0364;rper fu&#x0364;hren<lb/>
auf den Begriff durch Krankheit niedergedru&#x0364;ckter und<lb/>
abgemergelter Per&#x017F;onen zuru&#x0364;ck, und die Gewa&#x0364;nder,<lb/>
wenn &#x017F;ie gleich das Nackende gut andeuten, &#x017F;cheinen<lb/>
doch, als naß, zu fe&#x017F;t daran zu kleben: Die Falten<lb/>
gleichen den Beuteln des Albert Du&#x0364;rers. In der<lb/>
Folge vergro&#x0364;ßerte er &#x017F;eine Manier: Hier i&#x017F;t der Fal-<lb/>
ten&#x017F;chlag freier, gro&#x0364;ßer, und zeigt die Bekannt&#x017F;chaft<lb/>
des Mei&#x017F;ters mit der Antike.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">In der er&#x017F;ten Capelle rechter Hand ein<lb/>
heiliger Augu&#x017F;tin mit andern Heiligen</hi> von<lb/><hi rendition="#fr">Guercino da Cento,</hi> aber &#x017F;o &#x017F;ehr verdorben, daß<lb/>
man wenig davon erkennt.</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Ueber dem Grabmale des Cardinals Mar-<lb/>
gotti, de&#x017F;&#x017F;en Bildniß von Domenichino.</hi> <note xml:id="note-0359" next="#note-0360" place="foot" n="96)">Ob das Bildniß des Cardinals Agucchi an de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Grabmale gegen u&#x0364;ber gleichfalls von Domenichi-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">no</fw></note>
            </p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Auf</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0359] uͤber die einzelnen Kirchen. Man legte nunmehro den Ausdruck allein in die Stellung, verdrehte dieſe, uͤberhaͤufte die Muskeln, die nicht mehr in ihrer wahren Lage und Form blieben, und verſchwendete den mechaniſchen Fleiß an Neben- werke. Man erkennt Werke aus dieſer Zeit noch auſſerdem an den gezogenen Geſichtern der Weiber ohne beſtimmten Ausdruck, an dem poͤbelhaften An- ſtande der Helden, an dem finſtern Charakter der Alten, an den großen Bruͤſten, dicken Huͤften und Schenkeln, an den unproportionirlich kleinen Extre- mitaͤten, und den convulſiviſch verzerrten Fingern. Ueber M. Angelo als Bildhauer finde ich noch noͤthig zu erinnern, daß er zwei verſchiedene Manie- ren hatte. Die erſte aͤhnelt der des Donatello. Der Geſchmack iſt kleinlich, Koͤpfe und Koͤrper fuͤhren auf den Begriff durch Krankheit niedergedruͤckter und abgemergelter Perſonen zuruͤck, und die Gewaͤnder, wenn ſie gleich das Nackende gut andeuten, ſcheinen doch, als naß, zu feſt daran zu kleben: Die Falten gleichen den Beuteln des Albert Duͤrers. In der Folge vergroͤßerte er ſeine Manier: Hier iſt der Fal- tenſchlag freier, groͤßer, und zeigt die Bekanntſchaft des Meiſters mit der Antike. In der erſten Capelle rechter Hand ein heiliger Auguſtin mit andern Heiligen von Guercino da Cento, aber ſo ſehr verdorben, daß man wenig davon erkennt. Ueber dem Grabmale des Cardinals Mar- gotti, deſſen Bildniß von Domenichino. 96) Auf 96) Ob das Bildniß des Cardinals Agucchi an deſſen Grabmale gegen uͤber gleichfalls von Domenichi- no

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/359
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/359>, abgerufen am 28.04.2024.