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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Nachtrag.

Eine seitwärts von der Kirche liegende
Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge-
Mahlereien
von Dome-
nichino.

ziert. Sie machen das weitläuftigste Werk aus,
das man von diesem Meister kennt; die Süjets sind
aus der Geschichte des heil. Nilus genommen.

+ Der heilige Nilus heilet einen Befes-
senen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe.

Der Gedanke des Bildes ist gut, und die An-
ordnung vernünftig. Aber der Theil, der am meh-
resten unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist der
Ausdruck der Affekte.

Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den
Sohn mit der ängstlichen Unruhe hält, welche die
Folge eines heftigen aber zärtlichen Wunsches ist:
die Mutter, die mit gläubiger Zuversicht die ersten
Symptome der Besserung ausspähet: die älteren
Brüder, die mit Staunen und Furcht der Dinge
warten, die da kommen werden: das jüngste Kind,
das sich bange hinter die Mutter verkriecht: der An-
verwandte voll des gerührtesten Antheils: endlich der
Heilige im inbrünstigen Gebete zum Himmel; alles
dies ist so wahr, so sprechend, daß wir keiner Stimme
bedürfen, um die ganze Lage einer jeden dieser hier
versammelten Personen deutlich zu verstehen und zu
fühlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen,
aber treu. Die Zeichnung ist sehr fein, in den Ex-
tremitäten dürfte man sie correkter wünschen. Die
Stellung der Mutter ist reizend. Für Fresco ist das
Bild ziemlich kräftig colorirt.

+ Der heilige Nilus wird vom Kaiser
Otto dem Dritten umarmt.

Das
A a 2
Nachtrag.

Eine ſeitwaͤrts von der Kirche liegende
Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge-
Mahlereien
von Dome-
nichino.

ziert. Sie machen das weitlaͤuftigſte Werk aus,
das man von dieſem Meiſter kennt; die Suͤjets ſind
aus der Geſchichte des heil. Nilus genommen.

Der heilige Nilus heilet einen Befeſ-
ſenen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe.

Der Gedanke des Bildes iſt gut, und die An-
ordnung vernuͤnftig. Aber der Theil, der am meh-
reſten unſere Aufmerkſamkeit auf ſich zieht, iſt der
Ausdruck der Affekte.

Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den
Sohn mit der aͤngſtlichen Unruhe haͤlt, welche die
Folge eines heftigen aber zaͤrtlichen Wunſches iſt:
die Mutter, die mit glaͤubiger Zuverſicht die erſten
Symptome der Beſſerung ausſpaͤhet: die aͤlteren
Bruͤder, die mit Staunen und Furcht der Dinge
warten, die da kommen werden: das juͤngſte Kind,
das ſich bange hinter die Mutter verkriecht: der An-
verwandte voll des geruͤhrteſten Antheils: endlich der
Heilige im inbruͤnſtigen Gebete zum Himmel; alles
dies iſt ſo wahr, ſo ſprechend, daß wir keiner Stimme
beduͤrfen, um die ganze Lage einer jeden dieſer hier
verſammelten Perſonen deutlich zu verſtehen und zu
fuͤhlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen,
aber treu. Die Zeichnung iſt ſehr fein, in den Ex-
tremitaͤten duͤrfte man ſie correkter wuͤnſchen. Die
Stellung der Mutter iſt reizend. Fuͤr Freſco iſt das
Bild ziemlich kraͤftig colorirt.

Der heilige Nilus wird vom Kaiſer
Otto dem Dritten umarmt.

Das
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[371/0395] Nachtrag. Eine ſeitwaͤrts von der Kirche liegende Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge- ziert. Sie machen das weitlaͤuftigſte Werk aus, das man von dieſem Meiſter kennt; die Suͤjets ſind aus der Geſchichte des heil. Nilus genommen. Mahlereien von Dome- nichino. † Der heilige Nilus heilet einen Befeſ- ſenen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe. Der Gedanke des Bildes iſt gut, und die An- ordnung vernuͤnftig. Aber der Theil, der am meh- reſten unſere Aufmerkſamkeit auf ſich zieht, iſt der Ausdruck der Affekte. Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den Sohn mit der aͤngſtlichen Unruhe haͤlt, welche die Folge eines heftigen aber zaͤrtlichen Wunſches iſt: die Mutter, die mit glaͤubiger Zuverſicht die erſten Symptome der Beſſerung ausſpaͤhet: die aͤlteren Bruͤder, die mit Staunen und Furcht der Dinge warten, die da kommen werden: das juͤngſte Kind, das ſich bange hinter die Mutter verkriecht: der An- verwandte voll des geruͤhrteſten Antheils: endlich der Heilige im inbruͤnſtigen Gebete zum Himmel; alles dies iſt ſo wahr, ſo ſprechend, daß wir keiner Stimme beduͤrfen, um die ganze Lage einer jeden dieſer hier verſammelten Perſonen deutlich zu verſtehen und zu fuͤhlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen, aber treu. Die Zeichnung iſt ſehr fein, in den Ex- tremitaͤten duͤrfte man ſie correkter wuͤnſchen. Die Stellung der Mutter iſt reizend. Fuͤr Freſco iſt das Bild ziemlich kraͤftig colorirt. † Der heilige Nilus wird vom Kaiſer Otto dem Dritten umarmt. Das A a 2

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/395>, abgerufen am 29.04.2024.