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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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wohlwollendste Fürst, der von seinen Unterthanen angebetet wird, hat dennoch Mühe, einen Freund unter ihnen zu finden. Es wird zur Freundschaft nothwendig eine solche Uebereinstimmung des Geschmacks und der Verhältnisse vorausgesetzt, daß wir das Ganze der Person des Verbündeten auf die Art glücklich zu sehen wünschen, wie wir mit unserer Person im Ganzen es seyn möchten, und daß wir ihm eine ähnliche Gesinnung von seiner Seite zutrauen. Freunde müssen in ihrer Natur, in ihrer engsten Sinnlichkeit, in ihren herrschenden Trieben Aehnlichkeit mit einander haben, und in einerley Genuß zusammentreffen können. Wo dem anders ist, da bleiben die sogenannten Freunde nur treue Genossen.

Auch von der Zärtlichkeit der Kinder zu ihren Eltern, und dieser zu jenen, sondert sich Freundschaft ab. Ich verlor einen Freund an meinem Sohne! sagte der Vater, dem der Jüngling entrissen wurde, um den Genuß zu bestimmen, den er bereits von seinem Umgange hatte. Mein Vater war zugleich mein Freund! sagt die beraubte Waise, um die Art des Antheils zu bestimmen, den sie an dem Erzeuger nahm. Und diese Zeugnisse sind leider nur Ausnahmen.

Aber hier steh ich nun an der Grenze, welche Freundschaft von der Geschlechtszärtlichkeit absondert. O Freund! o traute selbstgewählte Schwester! daß das Bild des verschiedenen Antheils, den ich an euch nehme, in einem ruhigen Momente wie ein fernes Andenken vor meine Seele trete, damit mein Verstand die Gefühle entwickeln könne, die mein Herz gewöhnlich zu lebhaft empfindet, als daß ich ihre Eigenheiten nach deutlichen Merkmahlen unterscheiden könnte!

wohlwollendste Fürst, der von seinen Unterthanen angebetet wird, hat dennoch Mühe, einen Freund unter ihnen zu finden. Es wird zur Freundschaft nothwendig eine solche Uebereinstimmung des Geschmacks und der Verhältnisse vorausgesetzt, daß wir das Ganze der Person des Verbündeten auf die Art glücklich zu sehen wünschen, wie wir mit unserer Person im Ganzen es seyn möchten, und daß wir ihm eine ähnliche Gesinnung von seiner Seite zutrauen. Freunde müssen in ihrer Natur, in ihrer engsten Sinnlichkeit, in ihren herrschenden Trieben Aehnlichkeit mit einander haben, und in einerley Genuß zusammentreffen können. Wo dem anders ist, da bleiben die sogenannten Freunde nur treue Genossen.

Auch von der Zärtlichkeit der Kinder zu ihren Eltern, und dieser zu jenen, sondert sich Freundschaft ab. Ich verlor einen Freund an meinem Sohne! sagte der Vater, dem der Jüngling entrissen wurde, um den Genuß zu bestimmen, den er bereits von seinem Umgange hatte. Mein Vater war zugleich mein Freund! sagt die beraubte Waise, um die Art des Antheils zu bestimmen, den sie an dem Erzeuger nahm. Und diese Zeugnisse sind leider nur Ausnahmen.

Aber hier steh ich nun an der Grenze, welche Freundschaft von der Geschlechtszärtlichkeit absondert. O Freund! o traute selbstgewählte Schwester! daß das Bild des verschiedenen Antheils, den ich an euch nehme, in einem ruhigen Momente wie ein fernes Andenken vor meine Seele trete, damit mein Verstand die Gefühle entwickeln könne, die mein Herz gewöhnlich zu lebhaft empfindet, als daß ich ihre Eigenheiten nach deutlichen Merkmahlen unterscheiden könnte!

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wohlwollendste Fürst, der von seinen Unterthanen angebetet wird, hat dennoch Mühe, einen Freund unter ihnen zu finden. Es wird zur Freundschaft nothwendig eine solche Uebereinstimmung des Geschmacks und der Verhältnisse vorausgesetzt, daß wir das Ganze der Person des Verbündeten auf die Art glücklich zu sehen wünschen, wie wir mit unserer Person im Ganzen es seyn möchten, und daß wir ihm eine ähnliche Gesinnung von seiner Seite zutrauen. Freunde müssen in ihrer Natur, in ihrer engsten Sinnlichkeit, in ihren herrschenden Trieben Aehnlichkeit mit einander haben, und in einerley Genuß zusammentreffen können. Wo dem anders ist, da bleiben die sogenannten Freunde nur treue Genossen.</p>
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          <p>Aber hier steh ich nun an der Grenze, welche Freundschaft von der Geschlechtszärtlichkeit absondert. O Freund! o traute selbstgewählte Schwester! daß das Bild des verschiedenen Antheils, den ich an euch nehme, in einem ruhigen Momente wie ein fernes Andenken vor meine Seele trete, damit mein Verstand die Gefühle entwickeln könne, die mein Herz gewöhnlich zu lebhaft empfindet, als daß ich ihre Eigenheiten nach deutlichen Merkmahlen unterscheiden könnte!</p>
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[211/0211] wohlwollendste Fürst, der von seinen Unterthanen angebetet wird, hat dennoch Mühe, einen Freund unter ihnen zu finden. Es wird zur Freundschaft nothwendig eine solche Uebereinstimmung des Geschmacks und der Verhältnisse vorausgesetzt, daß wir das Ganze der Person des Verbündeten auf die Art glücklich zu sehen wünschen, wie wir mit unserer Person im Ganzen es seyn möchten, und daß wir ihm eine ähnliche Gesinnung von seiner Seite zutrauen. Freunde müssen in ihrer Natur, in ihrer engsten Sinnlichkeit, in ihren herrschenden Trieben Aehnlichkeit mit einander haben, und in einerley Genuß zusammentreffen können. Wo dem anders ist, da bleiben die sogenannten Freunde nur treue Genossen. Auch von der Zärtlichkeit der Kinder zu ihren Eltern, und dieser zu jenen, sondert sich Freundschaft ab. Ich verlor einen Freund an meinem Sohne! sagte der Vater, dem der Jüngling entrissen wurde, um den Genuß zu bestimmen, den er bereits von seinem Umgange hatte. Mein Vater war zugleich mein Freund! sagt die beraubte Waise, um die Art des Antheils zu bestimmen, den sie an dem Erzeuger nahm. Und diese Zeugnisse sind leider nur Ausnahmen. Aber hier steh ich nun an der Grenze, welche Freundschaft von der Geschlechtszärtlichkeit absondert. O Freund! o traute selbstgewählte Schwester! daß das Bild des verschiedenen Antheils, den ich an euch nehme, in einem ruhigen Momente wie ein fernes Andenken vor meine Seele trete, damit mein Verstand die Gefühle entwickeln könne, die mein Herz gewöhnlich zu lebhaft empfindet, als daß ich ihre Eigenheiten nach deutlichen Merkmahlen unterscheiden könnte!

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/211>, abgerufen am 26.04.2024.