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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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ganz andern Plane behandelt. Wir suchen es nach und nach zu dem Genusse der Wohlthaten, die wir ihm zugedacht haben, vorzubereiten; wir suchen ihm den Geschmack an einer höheren Bestimmung einzuflößen. Es gelingt. Diese Menschen fühlen sich jetzt glücklich. Ich empfinde die höchste Wonne darüber, ob ich gleich nichts davon habe, als das Gelingen des Bestrebens nach der Ueberzeugung, daß sie sich glücklich fühlen. - Ich sympathisiere; ich liebe!

Und während daß ich so an dem Glücke des Volks, unter dem ich lebe, Antheil nehme, findet jeder Unbekannte in meiner einsamen Wohnung eine gastfreundschaftliche Aufnahme. Ich empfinde ein wonnevolles Bestreben, dem Wanderer einen schattigen Ruheplatz vor meiner Wohnung zu bereiten, und ihn gelabt mit Speise und Trank den Stab weiter setzen zu sehen. Unter ihnen kommt auch der große Mann zu mir, den ich ehmahls bewundert, und dem ich nach seinen Unfällen den Tod gewünscht hatte, damit ich durch sein längeres ruhmloses Leben nicht in der Beschauungswonne seines Glücks gestört würde. Er kommt zu mir auf der Flucht vor seinen Verfolgern; er sucht bey mir einen Schutzort. Sein Unglück hat ihn um allen den Glanz gebracht, mit dem er mir ehmahls erschienen war. Ich sehe nur in ihm den Menschen, den ich durch eine Freystatt beglücken kann. So gefährlich es ist, ihm diese zu geben, so thu ich es dennoch mit Wonne, um der bloßen Ueberzeugung willen, daß er sich glücklich fühlt. - Ich sympathisiere, ich liebe!

ganz andern Plane behandelt. Wir suchen es nach und nach zu dem Genusse der Wohlthaten, die wir ihm zugedacht haben, vorzubereiten; wir suchen ihm den Geschmack an einer höheren Bestimmung einzuflößen. Es gelingt. Diese Menschen fühlen sich jetzt glücklich. Ich empfinde die höchste Wonne darüber, ob ich gleich nichts davon habe, als das Gelingen des Bestrebens nach der Ueberzeugung, daß sie sich glücklich fühlen. – Ich sympathisiere; ich liebe!

Und während daß ich so an dem Glücke des Volks, unter dem ich lebe, Antheil nehme, findet jeder Unbekannte in meiner einsamen Wohnung eine gastfreundschaftliche Aufnahme. Ich empfinde ein wonnevolles Bestreben, dem Wanderer einen schattigen Ruheplatz vor meiner Wohnung zu bereiten, und ihn gelabt mit Speise und Trank den Stab weiter setzen zu sehen. Unter ihnen kommt auch der große Mann zu mir, den ich ehmahls bewundert, und dem ich nach seinen Unfällen den Tod gewünscht hatte, damit ich durch sein längeres ruhmloses Leben nicht in der Beschauungswonne seines Glücks gestört würde. Er kommt zu mir auf der Flucht vor seinen Verfolgern; er sucht bey mir einen Schutzort. Sein Unglück hat ihn um allen den Glanz gebracht, mit dem er mir ehmahls erschienen war. Ich sehe nur in ihm den Menschen, den ich durch eine Freystatt beglücken kann. So gefährlich es ist, ihm diese zu geben, so thu ich es dennoch mit Wonne, um der bloßen Ueberzeugung willen, daß er sich glücklich fühlt. – Ich sympathisiere, ich liebe!

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[58/0058] ganz andern Plane behandelt. Wir suchen es nach und nach zu dem Genusse der Wohlthaten, die wir ihm zugedacht haben, vorzubereiten; wir suchen ihm den Geschmack an einer höheren Bestimmung einzuflößen. Es gelingt. Diese Menschen fühlen sich jetzt glücklich. Ich empfinde die höchste Wonne darüber, ob ich gleich nichts davon habe, als das Gelingen des Bestrebens nach der Ueberzeugung, daß sie sich glücklich fühlen. – Ich sympathisiere; ich liebe! Und während daß ich so an dem Glücke des Volks, unter dem ich lebe, Antheil nehme, findet jeder Unbekannte in meiner einsamen Wohnung eine gastfreundschaftliche Aufnahme. Ich empfinde ein wonnevolles Bestreben, dem Wanderer einen schattigen Ruheplatz vor meiner Wohnung zu bereiten, und ihn gelabt mit Speise und Trank den Stab weiter setzen zu sehen. Unter ihnen kommt auch der große Mann zu mir, den ich ehmahls bewundert, und dem ich nach seinen Unfällen den Tod gewünscht hatte, damit ich durch sein längeres ruhmloses Leben nicht in der Beschauungswonne seines Glücks gestört würde. Er kommt zu mir auf der Flucht vor seinen Verfolgern; er sucht bey mir einen Schutzort. Sein Unglück hat ihn um allen den Glanz gebracht, mit dem er mir ehmahls erschienen war. Ich sehe nur in ihm den Menschen, den ich durch eine Freystatt beglücken kann. So gefährlich es ist, ihm diese zu geben, so thu ich es dennoch mit Wonne, um der bloßen Ueberzeugung willen, daß er sich glücklich fühlt. – Ich sympathisiere, ich liebe!

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/58>, abgerufen am 26.04.2024.