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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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vielfache Freuden führt er in seinem Gefolge! Jenes süße Versinken in dem Gefühle eines so vollkommenen Besitzes, - jene köstliche Ermattung, Folge eines theuer erkauften Sieges, - jene zärtlichen Liebkosungen, jene Herzergießungen, jene täuschende Ruhe unserer Begierden, jenes Vorgefühl einer Seligkeit ohne weitere Wünsche, unter denen das Verlangen bald mit neuer Stärke erwacht! - Nun die zitternde Wiederannäherung an die Wohlthäterin, von der man so viel empfing und noch so viel erwartet. - Endlich, o wem schwindelt nicht bey dem Gedanken! jenes erste Erwachen einer Hoffnung, daß vielleicht ein Keim zu einem Wesen, in dem beyde auf immer zusammenschmelzen, - ein ewiges Denkmahl ihrer Verbindung, - ein empfindendes, - zu unzähligen Reprodukzionen unter gleichen Freuden bestimmt, - ewige Erinnerung an eine Art von Liebe, - Gegenstand, Quelle einer andern, der elterlichen, - die oft jene aufnimmt, immer verstärkt; - Dieser Genuß sollte die Männer aus den Armen der Geliebten los winden, diese allein fester in die unsrigen einschlingen? Es ist nicht wahr! Nur dann wahr, wenn er als ein rohes Opfer auf dem Altare der irdischen Venus ohne Liebe, ohne Sinn des Edeln und Schönen dargebracht wird! Nicht aber wenn das Herz ihn darbiethet, und Venus Urania mit weiser Mäßigkeit und wahren Reitzen seine Freuden austheilt!

Inzwischen mag ich nicht leugnen, daß dieser Genuß zugleich eine der höchsten Prüfungen ist, womit die Göttin die Wahrheit und Heiligkeit der Gesinnungen ihrer angeblichen Anbeter zu erforschen strebt! Zu welchen Entdeckungen physisch und moralisch giebt er Anlaß! Wie viel glaubt man für Herz und Charakter des geliebten

vielfache Freuden führt er in seinem Gefolge! Jenes süße Versinken in dem Gefühle eines so vollkommenen Besitzes, – jene köstliche Ermattung, Folge eines theuer erkauften Sieges, – jene zärtlichen Liebkosungen, jene Herzergießungen, jene täuschende Ruhe unserer Begierden, jenes Vorgefühl einer Seligkeit ohne weitere Wünsche, unter denen das Verlangen bald mit neuer Stärke erwacht! – Nun die zitternde Wiederannäherung an die Wohlthäterin, von der man so viel empfing und noch so viel erwartet. – Endlich, o wem schwindelt nicht bey dem Gedanken! jenes erste Erwachen einer Hoffnung, daß vielleicht ein Keim zu einem Wesen, in dem beyde auf immer zusammenschmelzen, – ein ewiges Denkmahl ihrer Verbindung, – ein empfindendes, – zu unzähligen Reprodukzionen unter gleichen Freuden bestimmt, – ewige Erinnerung an eine Art von Liebe, – Gegenstand, Quelle einer andern, der elterlichen, – die oft jene aufnimmt, immer verstärkt; – Dieser Genuß sollte die Männer aus den Armen der Geliebten los winden, diese allein fester in die unsrigen einschlingen? Es ist nicht wahr! Nur dann wahr, wenn er als ein rohes Opfer auf dem Altare der irdischen Venus ohne Liebe, ohne Sinn des Edeln und Schönen dargebracht wird! Nicht aber wenn das Herz ihn darbiethet, und Venus Urania mit weiser Mäßigkeit und wahren Reitzen seine Freuden austheilt!

Inzwischen mag ich nicht leugnen, daß dieser Genuß zugleich eine der höchsten Prüfungen ist, womit die Göttin die Wahrheit und Heiligkeit der Gesinnungen ihrer angeblichen Anbeter zu erforschen strebt! Zu welchen Entdeckungen physisch und moralisch giebt er Anlaß! Wie viel glaubt man für Herz und Charakter des geliebten

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[293/0293] vielfache Freuden führt er in seinem Gefolge! Jenes süße Versinken in dem Gefühle eines so vollkommenen Besitzes, – jene köstliche Ermattung, Folge eines theuer erkauften Sieges, – jene zärtlichen Liebkosungen, jene Herzergießungen, jene täuschende Ruhe unserer Begierden, jenes Vorgefühl einer Seligkeit ohne weitere Wünsche, unter denen das Verlangen bald mit neuer Stärke erwacht! – Nun die zitternde Wiederannäherung an die Wohlthäterin, von der man so viel empfing und noch so viel erwartet. – Endlich, o wem schwindelt nicht bey dem Gedanken! jenes erste Erwachen einer Hoffnung, daß vielleicht ein Keim zu einem Wesen, in dem beyde auf immer zusammenschmelzen, – ein ewiges Denkmahl ihrer Verbindung, – ein empfindendes, – zu unzähligen Reprodukzionen unter gleichen Freuden bestimmt, – ewige Erinnerung an eine Art von Liebe, – Gegenstand, Quelle einer andern, der elterlichen, – die oft jene aufnimmt, immer verstärkt; – Dieser Genuß sollte die Männer aus den Armen der Geliebten los winden, diese allein fester in die unsrigen einschlingen? Es ist nicht wahr! Nur dann wahr, wenn er als ein rohes Opfer auf dem Altare der irdischen Venus ohne Liebe, ohne Sinn des Edeln und Schönen dargebracht wird! Nicht aber wenn das Herz ihn darbiethet, und Venus Urania mit weiser Mäßigkeit und wahren Reitzen seine Freuden austheilt! Inzwischen mag ich nicht leugnen, daß dieser Genuß zugleich eine der höchsten Prüfungen ist, womit die Göttin die Wahrheit und Heiligkeit der Gesinnungen ihrer angeblichen Anbeter zu erforschen strebt! Zu welchen Entdeckungen physisch und moralisch giebt er Anlaß! Wie viel glaubt man für Herz und Charakter des geliebten

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/293>, abgerufen am 27.04.2024.