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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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fassen zu lassen. Der Mann ist dagegen von seiner Seite dem Fehler ausgesetzt, zu viel von dem Kinde in früheren Zeiten zu verlangen, und dabey nicht selten mehr auf seine Ruhe und die Ausführung seiner Grundsätze, als auf das Beste des Kindes Rücksicht zu nehmen. Auch hierin ist der Keim zu manchen Zwisten unter Gatten zu suchen. Wie leicht wird die Frau eine vernünftige Strenge auf Rechnung egoistischer Härte setzen! Wie leicht wird der Mann eine eben so vernünftige Langmuth einer Schwäche des Charakters zuschreiben! Gegenseitige Achtung und Liebe werden diese Gefahren mindern, aber schwerlich ganz aufheben. Jeder Theil hält sich um so mehr berechtigt, hier seiner Ueberzeugung zu folgen, da er einen gleichen Antheil an dem Wohl des gemeinschaftlichen Gegenstandes ihrer Pflichten und ihrer Sorgen nimmt. Verzeiht es, ihr weichgeschaffenen Mütter! Am Ende bleibt doch auch hier dem Vater das Recht zu bestimmen, und der Mutter nur das, bey der Ausführung das Fehlerhafte seiner Grundsätze zu mildern. Sie kann es mit desto größerer Sicherheit thun, da, nach allen meinen Erfahrungen, ein Uebermaß von Strenge immer weniger schadet, als übertriebene Nachgiebigkeit. Aber wie wird auch der Mann, wie ich ihn mir denke, sanften und vernünftigen Vorstellungen der Geliebten seines Herzens, der Genossin seines Schicksals, der Mitzeugerin, der Mitbilderin seiner Kinder nicht gern Gehör geben! Sollte ihn aber die Hitze übereilen, o Weiber, laßt die Mutter einen Augenblick der Geliebten nachstehen, um jener im folgenden ihren Sieg zu sichern! Welcher Mann würde dem Beweise der Zärtlichkeit widerstehen, den ihm die Geliebte durch Aufopferung der Ausbrüche der Mutterliebe bringt; welcher Unmensch würde einen wiederholten

fassen zu lassen. Der Mann ist dagegen von seiner Seite dem Fehler ausgesetzt, zu viel von dem Kinde in früheren Zeiten zu verlangen, und dabey nicht selten mehr auf seine Ruhe und die Ausführung seiner Grundsätze, als auf das Beste des Kindes Rücksicht zu nehmen. Auch hierin ist der Keim zu manchen Zwisten unter Gatten zu suchen. Wie leicht wird die Frau eine vernünftige Strenge auf Rechnung egoistischer Härte setzen! Wie leicht wird der Mann eine eben so vernünftige Langmuth einer Schwäche des Charakters zuschreiben! Gegenseitige Achtung und Liebe werden diese Gefahren mindern, aber schwerlich ganz aufheben. Jeder Theil hält sich um so mehr berechtigt, hier seiner Ueberzeugung zu folgen, da er einen gleichen Antheil an dem Wohl des gemeinschaftlichen Gegenstandes ihrer Pflichten und ihrer Sorgen nimmt. Verzeiht es, ihr weichgeschaffenen Mütter! Am Ende bleibt doch auch hier dem Vater das Recht zu bestimmen, und der Mutter nur das, bey der Ausführung das Fehlerhafte seiner Grundsätze zu mildern. Sie kann es mit desto größerer Sicherheit thun, da, nach allen meinen Erfahrungen, ein Uebermaß von Strenge immer weniger schadet, als übertriebene Nachgiebigkeit. Aber wie wird auch der Mann, wie ich ihn mir denke, sanften und vernünftigen Vorstellungen der Geliebten seines Herzens, der Genossin seines Schicksals, der Mitzeugerin, der Mitbilderin seiner Kinder nicht gern Gehör geben! Sollte ihn aber die Hitze übereilen, o Weiber, laßt die Mutter einen Augenblick der Geliebten nachstehen, um jener im folgenden ihren Sieg zu sichern! Welcher Mann würde dem Beweise der Zärtlichkeit widerstehen, den ihm die Geliebte durch Aufopferung der Ausbrüche der Mutterliebe bringt; welcher Unmensch würde einen wiederholten

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fassen zu lassen. Der Mann ist dagegen von seiner Seite dem Fehler ausgesetzt, zu viel von dem Kinde in früheren Zeiten zu verlangen, und dabey nicht selten mehr auf seine Ruhe und die Ausführung seiner Grundsätze, als auf das Beste des Kindes Rücksicht zu nehmen. Auch hierin ist der Keim zu manchen Zwisten unter Gatten zu suchen. Wie leicht wird die Frau eine vernünftige Strenge auf Rechnung egoistischer Härte setzen! Wie leicht wird der Mann eine eben so vernünftige Langmuth einer Schwäche des Charakters zuschreiben! Gegenseitige Achtung und Liebe werden diese Gefahren mindern, aber schwerlich ganz aufheben. Jeder Theil hält sich um so mehr berechtigt, hier seiner Ueberzeugung zu folgen, da er einen gleichen Antheil an dem Wohl des gemeinschaftlichen Gegenstandes ihrer Pflichten und ihrer Sorgen nimmt. Verzeiht es, ihr weichgeschaffenen Mütter! Am Ende bleibt doch auch hier dem Vater das Recht zu bestimmen, und der Mutter nur das, bey der Ausführung das Fehlerhafte seiner Grundsätze zu mildern. Sie kann es mit desto größerer Sicherheit thun, da, nach allen meinen Erfahrungen, ein Uebermaß von Strenge immer weniger schadet, als übertriebene Nachgiebigkeit. Aber wie wird auch der Mann, wie ich ihn mir denke, sanften und vernünftigen Vorstellungen der Geliebten seines Herzens, der Genossin seines Schicksals, der Mitzeugerin, der Mitbilderin seiner Kinder nicht gern Gehör geben! Sollte ihn aber die Hitze übereilen, o Weiber, laßt die Mutter einen Augenblick der Geliebten nachstehen, um jener im folgenden ihren Sieg zu sichern! Welcher Mann würde dem Beweise der Zärtlichkeit widerstehen, den ihm die Geliebte durch Aufopferung der Ausbrüche der Mutterliebe bringt; welcher Unmensch würde einen wiederholten
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[376/0376] fassen zu lassen. Der Mann ist dagegen von seiner Seite dem Fehler ausgesetzt, zu viel von dem Kinde in früheren Zeiten zu verlangen, und dabey nicht selten mehr auf seine Ruhe und die Ausführung seiner Grundsätze, als auf das Beste des Kindes Rücksicht zu nehmen. Auch hierin ist der Keim zu manchen Zwisten unter Gatten zu suchen. Wie leicht wird die Frau eine vernünftige Strenge auf Rechnung egoistischer Härte setzen! Wie leicht wird der Mann eine eben so vernünftige Langmuth einer Schwäche des Charakters zuschreiben! Gegenseitige Achtung und Liebe werden diese Gefahren mindern, aber schwerlich ganz aufheben. Jeder Theil hält sich um so mehr berechtigt, hier seiner Ueberzeugung zu folgen, da er einen gleichen Antheil an dem Wohl des gemeinschaftlichen Gegenstandes ihrer Pflichten und ihrer Sorgen nimmt. Verzeiht es, ihr weichgeschaffenen Mütter! Am Ende bleibt doch auch hier dem Vater das Recht zu bestimmen, und der Mutter nur das, bey der Ausführung das Fehlerhafte seiner Grundsätze zu mildern. Sie kann es mit desto größerer Sicherheit thun, da, nach allen meinen Erfahrungen, ein Uebermaß von Strenge immer weniger schadet, als übertriebene Nachgiebigkeit. Aber wie wird auch der Mann, wie ich ihn mir denke, sanften und vernünftigen Vorstellungen der Geliebten seines Herzens, der Genossin seines Schicksals, der Mitzeugerin, der Mitbilderin seiner Kinder nicht gern Gehör geben! Sollte ihn aber die Hitze übereilen, o Weiber, laßt die Mutter einen Augenblick der Geliebten nachstehen, um jener im folgenden ihren Sieg zu sichern! Welcher Mann würde dem Beweise der Zärtlichkeit widerstehen, den ihm die Geliebte durch Aufopferung der Ausbrüche der Mutterliebe bringt; welcher Unmensch würde einen wiederholten

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/376>, abgerufen am 27.04.2024.