Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

mithin bloß egoistische Gründe, sollen uns zur Liebe einladen. 4)

Helvetius hat in seinem Buche sur l'esprit, (einer Sammlung von Paradoxen und Anekdoten, deren Berichtigung nur darum schwer ist, weil sie zu weitläuftig werden würde, und beynahe jeden Perioden umfassen müsste,) die Freundschaft geradezu für die Wirkung des gröbsten Eigennutzes, und die Liebe für den Trieb nach physischem Vergnügen erklärt. Leider! muß man sagen, daß nach der Art, wie beydes unter dem großen Haufen in Frankreich getrieben wurde, viel Lokalwahres in diesen Behauptungen liegt.

Rousseau wird der Plato unsers Jahrhunderts genannt. Möglich! Man sagt, er sagt es selbst von sich: er sey der Liebendste der Menschen gewesen! Unmöglich!

Rousseau kannte den Rausch der Sinne und der Imagination: er kannte den Trieb nach engerem traulichen Zusammenleben mit der Gattin: hinreißende Stellen in seinen Schriften schildern den Einfluß der Geschlechtsverbindung auf Seelenerhebung; aber - wahre Liebe und Zärtlichkeit hat er nie gekannt.

Rousseau's Lebensgeschichte liefert eine Gallerie von Gemählden, worin alle verschiedenen Wirkungen der Geschlechtssympathie, alle verschiedenen Arten der Vereinigung mit Weibern, bis auf die einzige noch, die auf wahrer Liebe beruht, vorkommen. Aus ihr

4) Essays sur divers sujets interessans de Politique et de Morale 1761 ohne Druckort. T. I. Ess. 2. sur l'amour et la Jalousie.

mithin bloß egoistische Gründe, sollen uns zur Liebe einladen. 4)

Helvetius hat in seinem Buche sur l’esprit, (einer Sammlung von Paradoxen und Anekdoten, deren Berichtigung nur darum schwer ist, weil sie zu weitläuftig werden würde, und beynahe jeden Perioden umfassen müsste,) die Freundschaft geradezu für die Wirkung des gröbsten Eigennutzes, und die Liebe für den Trieb nach physischem Vergnügen erklärt. Leider! muß man sagen, daß nach der Art, wie beydes unter dem großen Haufen in Frankreich getrieben wurde, viel Lokalwahres in diesen Behauptungen liegt.

Rousseau wird der Plato unsers Jahrhunderts genannt. Möglich! Man sagt, er sagt es selbst von sich: er sey der Liebendste der Menschen gewesen! Unmöglich!

Rousseau kannte den Rausch der Sinne und der Imagination: er kannte den Trieb nach engerem traulichen Zusammenleben mit der Gattin: hinreißende Stellen in seinen Schriften schildern den Einfluß der Geschlechtsverbindung auf Seelenerhebung; aber – wahre Liebe und Zärtlichkeit hat er nie gekannt.

Rousseau’s Lebensgeschichte liefert eine Gallerie von Gemählden, worin alle verschiedenen Wirkungen der Geschlechtssympathie, alle verschiedenen Arten der Vereinigung mit Weibern, bis auf die einzige noch, die auf wahrer Liebe beruht, vorkommen. Aus ihr

4) Essays sur divers sujets interessans de Politique et de Morale 1761 ohne Druckort. T. I. Ess. 2. sur l’amour et la Jalousie.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0290" n="290"/>
mithin bloß egoistische Gründe, sollen uns zur Liebe einladen. <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Essays sur divers sujets interessans de Politique et de Morale 1761</hi> ohne Druckort. <hi rendition="#aq">T. I. Ess. 2. sur l&#x2019;amour et la Jalousie.</hi></note></p>
          <p>Helvetius hat in seinem Buche <hi rendition="#aq">sur l&#x2019;esprit,</hi> (einer Sammlung von Paradoxen und Anekdoten, deren Berichtigung nur darum schwer ist, weil sie zu weitläuftig werden würde, und beynahe jeden Perioden umfassen müsste,) die Freundschaft geradezu für die Wirkung des gröbsten Eigennutzes, und die Liebe für den Trieb nach physischem Vergnügen erklärt. Leider! muß man sagen, daß nach der Art, wie beydes unter dem großen Haufen in Frankreich getrieben wurde, viel Lokalwahres in diesen Behauptungen liegt.</p>
          <p>Rousseau wird der Plato unsers Jahrhunderts genannt. Möglich! Man sagt, er sagt es selbst von sich: er sey der Liebendste der Menschen gewesen! Unmöglich!</p>
          <p>Rousseau kannte den Rausch der Sinne und der Imagination: er kannte den Trieb nach engerem <choice><sic>traulichem</sic><corr>traulichen</corr></choice> Zusammenleben mit der Gattin: hinreißende Stellen in seinen Schriften schildern den Einfluß der Geschlechtsverbindung auf Seelenerhebung; aber &#x2013; wahre Liebe und Zärtlichkeit hat er nie gekannt.</p>
          <p>Rousseau&#x2019;s Lebensgeschichte liefert eine Gallerie von Gemählden, worin alle verschiedenen Wirkungen der Geschlechtssympathie, alle verschiedenen Arten der Vereinigung mit Weibern, bis auf die einzige noch, die auf wahrer Liebe beruht, vorkommen. Aus ihr
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0290] mithin bloß egoistische Gründe, sollen uns zur Liebe einladen. 4) Helvetius hat in seinem Buche sur l’esprit, (einer Sammlung von Paradoxen und Anekdoten, deren Berichtigung nur darum schwer ist, weil sie zu weitläuftig werden würde, und beynahe jeden Perioden umfassen müsste,) die Freundschaft geradezu für die Wirkung des gröbsten Eigennutzes, und die Liebe für den Trieb nach physischem Vergnügen erklärt. Leider! muß man sagen, daß nach der Art, wie beydes unter dem großen Haufen in Frankreich getrieben wurde, viel Lokalwahres in diesen Behauptungen liegt. Rousseau wird der Plato unsers Jahrhunderts genannt. Möglich! Man sagt, er sagt es selbst von sich: er sey der Liebendste der Menschen gewesen! Unmöglich! Rousseau kannte den Rausch der Sinne und der Imagination: er kannte den Trieb nach engerem traulichen Zusammenleben mit der Gattin: hinreißende Stellen in seinen Schriften schildern den Einfluß der Geschlechtsverbindung auf Seelenerhebung; aber – wahre Liebe und Zärtlichkeit hat er nie gekannt. Rousseau’s Lebensgeschichte liefert eine Gallerie von Gemählden, worin alle verschiedenen Wirkungen der Geschlechtssympathie, alle verschiedenen Arten der Vereinigung mit Weibern, bis auf die einzige noch, die auf wahrer Liebe beruht, vorkommen. Aus ihr 4) Essays sur divers sujets interessans de Politique et de Morale 1761 ohne Druckort. T. I. Ess. 2. sur l’amour et la Jalousie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/290
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/290>, abgerufen am 10.05.2024.