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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Kap. I. Epochen des Papstthums.
wandtschaftliche Verbindungen leicht beschränkt, hatte den
größten Antheil an der Bildung des Alterthums. Man
war in enge Grenzen eingeschlossen, aber innerhalb dersel-
ben konnte sich die ganze Fülle eines jugendlichen sich sel-
ber überlassenen Daseyns in freien Trieben entwickeln.

Wie wurde dieß alles so ganz anders als die Macht
von Rom emporkam. Alle die Autonomien, welche die
Welt erfüllen, sehen wir eine nach der andern sich beugen
und verschwinden: wie ward die Erde plötzlich so öde an
freien Völkern.

Zu andern Zeiten sind die Staaten erschüttert worden,
weil man aufgehört hatte an die Religion zu glauben; da-
mals mußte die Unterjochung der Staaten den Verfall
ihrer Religionen nach sich ziehen. Mit Nothwendigkeit,
im Gefolge der politischen Gewalt, strömten sie nach Rom
zusammen: welche Bedeutung aber konnte ihnen noch bei-
wohnen, sobald sie von dem Boden losgerissen wurden,
auf dem sie einheimisch waren? Die Verehrung der Isis
hatte vielleicht einen Sinn in Egypten: sie vergötterte die
Naturkräfte, wie sie in diesem Lande erscheinen: in Rom
ward ein Götzendienst ohne allen Sinn daraus. Indem
dann die verschiedenen Mythologien einander berührten,
konnten sie nicht anders als sich wechselseitig bestreiten
und auflösen. Es war kein Philosophem zu erdenken, das
ihren Widerspruch zu beseitigen vermocht hätte.

Wäre dieß aber auch möglich gewesen, so hätte es
dem Bedürfniß der Welt schon nicht mehr genügt.

Bei aller Theilnahme, die wir dem Untergange so vie-
ler freien Staaten widmen, können wir doch nicht leugnen,

Kap. I. Epochen des Papſtthums.
wandtſchaftliche Verbindungen leicht beſchraͤnkt, hatte den
groͤßten Antheil an der Bildung des Alterthums. Man
war in enge Grenzen eingeſchloſſen, aber innerhalb derſel-
ben konnte ſich die ganze Fuͤlle eines jugendlichen ſich ſel-
ber uͤberlaſſenen Daſeyns in freien Trieben entwickeln.

Wie wurde dieß alles ſo ganz anders als die Macht
von Rom emporkam. Alle die Autonomien, welche die
Welt erfuͤllen, ſehen wir eine nach der andern ſich beugen
und verſchwinden: wie ward die Erde ploͤtzlich ſo oͤde an
freien Voͤlkern.

Zu andern Zeiten ſind die Staaten erſchuͤttert worden,
weil man aufgehoͤrt hatte an die Religion zu glauben; da-
mals mußte die Unterjochung der Staaten den Verfall
ihrer Religionen nach ſich ziehen. Mit Nothwendigkeit,
im Gefolge der politiſchen Gewalt, ſtroͤmten ſie nach Rom
zuſammen: welche Bedeutung aber konnte ihnen noch bei-
wohnen, ſobald ſie von dem Boden losgeriſſen wurden,
auf dem ſie einheimiſch waren? Die Verehrung der Iſis
hatte vielleicht einen Sinn in Egypten: ſie vergoͤtterte die
Naturkraͤfte, wie ſie in dieſem Lande erſcheinen: in Rom
ward ein Goͤtzendienſt ohne allen Sinn daraus. Indem
dann die verſchiedenen Mythologien einander beruͤhrten,
konnten ſie nicht anders als ſich wechſelſeitig beſtreiten
und aufloͤſen. Es war kein Philoſophem zu erdenken, das
ihren Widerſpruch zu beſeitigen vermocht haͤtte.

Waͤre dieß aber auch moͤglich geweſen, ſo haͤtte es
dem Beduͤrfniß der Welt ſchon nicht mehr genuͤgt.

Bei aller Theilnahme, die wir dem Untergange ſo vie-
ler freien Staaten widmen, koͤnnen wir doch nicht leugnen,

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[4/0030] Kap. I. Epochen des Papſtthums. wandtſchaftliche Verbindungen leicht beſchraͤnkt, hatte den groͤßten Antheil an der Bildung des Alterthums. Man war in enge Grenzen eingeſchloſſen, aber innerhalb derſel- ben konnte ſich die ganze Fuͤlle eines jugendlichen ſich ſel- ber uͤberlaſſenen Daſeyns in freien Trieben entwickeln. Wie wurde dieß alles ſo ganz anders als die Macht von Rom emporkam. Alle die Autonomien, welche die Welt erfuͤllen, ſehen wir eine nach der andern ſich beugen und verſchwinden: wie ward die Erde ploͤtzlich ſo oͤde an freien Voͤlkern. Zu andern Zeiten ſind die Staaten erſchuͤttert worden, weil man aufgehoͤrt hatte an die Religion zu glauben; da- mals mußte die Unterjochung der Staaten den Verfall ihrer Religionen nach ſich ziehen. Mit Nothwendigkeit, im Gefolge der politiſchen Gewalt, ſtroͤmten ſie nach Rom zuſammen: welche Bedeutung aber konnte ihnen noch bei- wohnen, ſobald ſie von dem Boden losgeriſſen wurden, auf dem ſie einheimiſch waren? Die Verehrung der Iſis hatte vielleicht einen Sinn in Egypten: ſie vergoͤtterte die Naturkraͤfte, wie ſie in dieſem Lande erſcheinen: in Rom ward ein Goͤtzendienſt ohne allen Sinn daraus. Indem dann die verſchiedenen Mythologien einander beruͤhrten, konnten ſie nicht anders als ſich wechſelſeitig beſtreiten und aufloͤſen. Es war kein Philoſophem zu erdenken, das ihren Widerſpruch zu beſeitigen vermocht haͤtte. Waͤre dieß aber auch moͤglich geweſen, ſo haͤtte es dem Beduͤrfniß der Welt ſchon nicht mehr genuͤgt. Bei aller Theilnahme, die wir dem Untergange ſo vie- ler freien Staaten widmen, koͤnnen wir doch nicht leugnen,

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/30>, abgerufen am 27.04.2024.