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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ich meine Hoffnung für erfüllt, mein Wunsch schien mir
Thatsache, Besitzthum geworden zu seyn" 1). Die Mei-
nung, sagt ein andrer, die man von der Güte und unver-
gleichlichen Weisheit dieses Papstes hatte, erhob die Welt
zu der Hoffnung: wenn jemals, so werde es der Kirche
jetzt möglich werden, die ketzerischen Meinungen auszulö-
schen, die Mißbräuche und das verdorbene Leben abzustel-
len, gesund zu werden und sich wieder zu vereinigen 2).
Ganz in diesem Sinne begann Marcellus. Er duldete
nicht, daß seine Verwandten nach Rom kämen; in dem
Hofhalt führte er eine Menge Ersparnisse ein; er soll ein
Memorial über die in dem Institute der Kirche vorzu-
nehmenden Verbesserungen verfaßt haben; zunächst den Got-
tesdienst suchte er zu seiner ächten Feierlichkeit wieder zu-
rückzuführen; alle seine Gedanken gingen auf Concilium
und Reform 3). In politischer Hinsicht nahm er eine
neutrale Stellung an, mit welcher der Kaiser sich begnügte.
"Jedoch," sagen jene Zeitgenossen, "die Welt war seiner
nicht werth:" sie wenden die Worte Virgils von einem
andern Marcellus "Ihn wollte das Schicksal der Erde
nur zeigen" auf diesen an. Schon am 22sten Tage sei-
nes Pontificates starb er.

Wir können nicht von einer Wirkung reden, die eine

1) Seripando al Vescovo di Fiesole. Lettere di principi
III
, 162.
2) Lettere di principi III, 141. Der Herausgeber selbst hat
hier das Wort genommen.
3) Petri Polidori de vita Marcelli II. commentarius 1744.
p.
119.

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ich meine Hoffnung fuͤr erfuͤllt, mein Wunſch ſchien mir
Thatſache, Beſitzthum geworden zu ſeyn“ 1). Die Mei-
nung, ſagt ein andrer, die man von der Guͤte und unver-
gleichlichen Weisheit dieſes Papſtes hatte, erhob die Welt
zu der Hoffnung: wenn jemals, ſo werde es der Kirche
jetzt moͤglich werden, die ketzeriſchen Meinungen auszuloͤ-
ſchen, die Mißbraͤuche und das verdorbene Leben abzuſtel-
len, geſund zu werden und ſich wieder zu vereinigen 2).
Ganz in dieſem Sinne begann Marcellus. Er duldete
nicht, daß ſeine Verwandten nach Rom kaͤmen; in dem
Hofhalt fuͤhrte er eine Menge Erſparniſſe ein; er ſoll ein
Memorial uͤber die in dem Inſtitute der Kirche vorzu-
nehmenden Verbeſſerungen verfaßt haben; zunaͤchſt den Got-
tesdienſt ſuchte er zu ſeiner aͤchten Feierlichkeit wieder zu-
ruͤckzufuͤhren; alle ſeine Gedanken gingen auf Concilium
und Reform 3). In politiſcher Hinſicht nahm er eine
neutrale Stellung an, mit welcher der Kaiſer ſich begnuͤgte.
„Jedoch,“ ſagen jene Zeitgenoſſen, „die Welt war ſeiner
nicht werth:“ ſie wenden die Worte Virgils von einem
andern Marcellus „Ihn wollte das Schickſal der Erde
nur zeigen“ auf dieſen an. Schon am 22ſten Tage ſei-
nes Pontificates ſtarb er.

Wir koͤnnen nicht von einer Wirkung reden, die eine

1) Seripando al Vescovo di Fiesole. Lettere di principi
III
, 162.
2) Lettere di principi III, 141. Der Herausgeber ſelbſt hat
hier das Wort genommen.
3) Petri Polidori de vita Marcelli II. commentarius 1744.
p.
119.
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[278/0304] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. ich meine Hoffnung fuͤr erfuͤllt, mein Wunſch ſchien mir Thatſache, Beſitzthum geworden zu ſeyn“ 1). Die Mei- nung, ſagt ein andrer, die man von der Guͤte und unver- gleichlichen Weisheit dieſes Papſtes hatte, erhob die Welt zu der Hoffnung: wenn jemals, ſo werde es der Kirche jetzt moͤglich werden, die ketzeriſchen Meinungen auszuloͤ- ſchen, die Mißbraͤuche und das verdorbene Leben abzuſtel- len, geſund zu werden und ſich wieder zu vereinigen 2). Ganz in dieſem Sinne begann Marcellus. Er duldete nicht, daß ſeine Verwandten nach Rom kaͤmen; in dem Hofhalt fuͤhrte er eine Menge Erſparniſſe ein; er ſoll ein Memorial uͤber die in dem Inſtitute der Kirche vorzu- nehmenden Verbeſſerungen verfaßt haben; zunaͤchſt den Got- tesdienſt ſuchte er zu ſeiner aͤchten Feierlichkeit wieder zu- ruͤckzufuͤhren; alle ſeine Gedanken gingen auf Concilium und Reform 3). In politiſcher Hinſicht nahm er eine neutrale Stellung an, mit welcher der Kaiſer ſich begnuͤgte. „Jedoch,“ ſagen jene Zeitgenoſſen, „die Welt war ſeiner nicht werth:“ ſie wenden die Worte Virgils von einem andern Marcellus „Ihn wollte das Schickſal der Erde nur zeigen“ auf dieſen an. Schon am 22ſten Tage ſei- nes Pontificates ſtarb er. Wir koͤnnen nicht von einer Wirkung reden, die eine 1) Seripando al Vescovo di Fiesole. Lettere di principi III, 162. 2) Lettere di principi III, 141. Der Herausgeber ſelbſt hat hier das Wort genommen. 3) Petri Polidori de vita Marcelli II. commentarius 1744. p. 119.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/304>, abgerufen am 28.04.2024.