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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Das Papstthum u. das fränkische Reich.
sitzen wollte, bedurfte er, er fühlte es wohl, einer höheren
Sanction; der Papst gewährte sie ihm. Dafür übernahm
dann der neue König den Papst, "die heilige Kirche und
Republik Gottes" gegen die Lombarden zu vertheidigen. Zu
vertheidigen, genügte seinem Eifer noch nicht. Gar bald
zwang er die Lombarden, auch das dem oströmischen Reiche
in Italien entrissene Gebiet, das Exarchat, herauszugeben.
Wohl hätte die Gerechtigkeit verlangt, daß es dem Kaiser,
dem es gehörte, zurückgestellt würde, und man machte Pip-
pin den Antrag. Er erwiederte, "nicht zu Gunsten eines
Menschen sey er in den Kampf gegangen, sondern allein
aus Verehrung für St. Peter, um die Vergebung seiner
Sünden zu erwerben" 1). Auf den Altar St. Peters ließ
er die Schlüssel der gewonnenen Städte niederlegen. Es
ist dieß die Grundlage der ganzen weltlichen Herrschaft der
Päpste.

In so lebhafter Gegenseitigkeit bildete sich diese Ver-
bindung weiter aus. Der seit so langer Zeit beschwerlichen
und drückenden Nachbarschaft lombardischer Fürsten entle-
digte endlich Carl der Große den Papst. Er selber zeigte die
tiefste Ergebenheit; er kam nach Rom, die Stufen von St.
Peter küssend stieg er den Vorhof hinan, wo ihn der
Papst erwartete; er bestätigte ihm die Schenkungen Pip-
pins. Dagegen war auch der Papst sein unerschütterlicher
Freund; die Verhältnisse des geistlichen Oberhauptes zu
den italienischen Bischöfen machten es Carln so leicht,

1) Anastasius: affirmans etiam sub juramento, quod per
nullius hominis favorem sese certamini saepius dedisset, nisi
pro amore Petri et venia delictorum.
2*

Das Papſtthum u. das fraͤnkiſche Reich.
ſitzen wollte, bedurfte er, er fuͤhlte es wohl, einer hoͤheren
Sanction; der Papſt gewaͤhrte ſie ihm. Dafuͤr uͤbernahm
dann der neue Koͤnig den Papſt, „die heilige Kirche und
Republik Gottes“ gegen die Lombarden zu vertheidigen. Zu
vertheidigen, genuͤgte ſeinem Eifer noch nicht. Gar bald
zwang er die Lombarden, auch das dem oſtroͤmiſchen Reiche
in Italien entriſſene Gebiet, das Exarchat, herauszugeben.
Wohl haͤtte die Gerechtigkeit verlangt, daß es dem Kaiſer,
dem es gehoͤrte, zuruͤckgeſtellt wuͤrde, und man machte Pip-
pin den Antrag. Er erwiederte, „nicht zu Gunſten eines
Menſchen ſey er in den Kampf gegangen, ſondern allein
aus Verehrung fuͤr St. Peter, um die Vergebung ſeiner
Suͤnden zu erwerben“ 1). Auf den Altar St. Peters ließ
er die Schluͤſſel der gewonnenen Staͤdte niederlegen. Es
iſt dieß die Grundlage der ganzen weltlichen Herrſchaft der
Paͤpſte.

In ſo lebhafter Gegenſeitigkeit bildete ſich dieſe Ver-
bindung weiter aus. Der ſeit ſo langer Zeit beſchwerlichen
und druͤckenden Nachbarſchaft lombardiſcher Fuͤrſten entle-
digte endlich Carl der Große den Papſt. Er ſelber zeigte die
tiefſte Ergebenheit; er kam nach Rom, die Stufen von St.
Peter kuͤſſend ſtieg er den Vorhof hinan, wo ihn der
Papſt erwartete; er beſtaͤtigte ihm die Schenkungen Pip-
pins. Dagegen war auch der Papſt ſein unerſchuͤtterlicher
Freund; die Verhaͤltniſſe des geiſtlichen Oberhauptes zu
den italieniſchen Biſchoͤfen machten es Carln ſo leicht,

1) Anastasius: affirmans etiam sub juramento, quod per
nullius hominis favorem sese certamini saepius dedisset, nisi
pro amore Petri et venia delictorum.
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[19/0045] Das Papſtthum u. das fraͤnkiſche Reich. ſitzen wollte, bedurfte er, er fuͤhlte es wohl, einer hoͤheren Sanction; der Papſt gewaͤhrte ſie ihm. Dafuͤr uͤbernahm dann der neue Koͤnig den Papſt, „die heilige Kirche und Republik Gottes“ gegen die Lombarden zu vertheidigen. Zu vertheidigen, genuͤgte ſeinem Eifer noch nicht. Gar bald zwang er die Lombarden, auch das dem oſtroͤmiſchen Reiche in Italien entriſſene Gebiet, das Exarchat, herauszugeben. Wohl haͤtte die Gerechtigkeit verlangt, daß es dem Kaiſer, dem es gehoͤrte, zuruͤckgeſtellt wuͤrde, und man machte Pip- pin den Antrag. Er erwiederte, „nicht zu Gunſten eines Menſchen ſey er in den Kampf gegangen, ſondern allein aus Verehrung fuͤr St. Peter, um die Vergebung ſeiner Suͤnden zu erwerben“ 1). Auf den Altar St. Peters ließ er die Schluͤſſel der gewonnenen Staͤdte niederlegen. Es iſt dieß die Grundlage der ganzen weltlichen Herrſchaft der Paͤpſte. In ſo lebhafter Gegenſeitigkeit bildete ſich dieſe Ver- bindung weiter aus. Der ſeit ſo langer Zeit beſchwerlichen und druͤckenden Nachbarſchaft lombardiſcher Fuͤrſten entle- digte endlich Carl der Große den Papſt. Er ſelber zeigte die tiefſte Ergebenheit; er kam nach Rom, die Stufen von St. Peter kuͤſſend ſtieg er den Vorhof hinan, wo ihn der Papſt erwartete; er beſtaͤtigte ihm die Schenkungen Pip- pins. Dagegen war auch der Papſt ſein unerſchuͤtterlicher Freund; die Verhaͤltniſſe des geiſtlichen Oberhauptes zu den italieniſchen Biſchoͤfen machten es Carln ſo leicht, 1) Anastasius: affirmans etiam sub juramento, quod per nullius hominis favorem sese certamini saepius dedisset, nisi pro amore Petri et venia delictorum. 2*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/45>, abgerufen am 27.04.2024.