Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch IV. Staat und Hof.
Rückwirkung. Dessenungeachtet sollte ich glauben, wenn
er es dahin gebracht hätte, daß die päpstliche Casse so-
wohl neuer Auflagen als der Anleihe in Zukunft hätte ent-
behren können, so würde dieß eine sehr wohlthätige Wir-
kung hervorgerufen, der Kirchenstaat vielleicht eine glückli-
chere Entwickelung genommen haben.

Allein es fehlte Gregorn zumal in den spätern Jah-
ren an der Kraft, seine Gedanken durchzusetzen.

Grade durch diese vollführende Kraft zeichnete sich Six-
tus aus. Sein Thesauriren durch Anleihen, Aemterverkauf
und neue Auflagen häufte Last auf Last; wir werden die
Folgen davon beobachten: aber daß es gelang, blendete die
Welt, und für den Augenblick gab es wirklich dem Papst-
thum eine neue Bedeutung.

In der Mitte von Staaten, denen es meistentheils an
Geld fehlte, bekamen die Päpste durch den Besitz eines
Schatzes eine größere Zuversicht auf sich selbst, ein unge-
wohntes Ansehn bei den Uebrigen.

In der That gehörte diese Staatsverwaltung recht ei-
gentlich mit zu dem katholischen Systeme jener Zeit.

Indem sie alle finanziellen Kräfte des Staates in die
Hände des kirchlichen Oberhauptes legte, machte sie den-
selben erst vollkommen zu einem Organe geistlicher Gewalt.

Denn wozu anders konnte dieß Geld angewendet wer-
den, als zur Vertheidigung und Ausbreitung des katholi-
schen Glaubens?

Sixtus V. lebte und webte in Entwürfen, die dahin
zielten. Zuweilen betrafen sie den Orient und die Türken,
öfter den Occident und die Protestanten. Zwischen den

Buch IV. Staat und Hof.
Ruͤckwirkung. Deſſenungeachtet ſollte ich glauben, wenn
er es dahin gebracht haͤtte, daß die paͤpſtliche Caſſe ſo-
wohl neuer Auflagen als der Anleihe in Zukunft haͤtte ent-
behren koͤnnen, ſo wuͤrde dieß eine ſehr wohlthaͤtige Wir-
kung hervorgerufen, der Kirchenſtaat vielleicht eine gluͤckli-
chere Entwickelung genommen haben.

Allein es fehlte Gregorn zumal in den ſpaͤtern Jah-
ren an der Kraft, ſeine Gedanken durchzuſetzen.

Grade durch dieſe vollfuͤhrende Kraft zeichnete ſich Six-
tus aus. Sein Theſauriren durch Anleihen, Aemterverkauf
und neue Auflagen haͤufte Laſt auf Laſt; wir werden die
Folgen davon beobachten: aber daß es gelang, blendete die
Welt, und fuͤr den Augenblick gab es wirklich dem Papſt-
thum eine neue Bedeutung.

In der Mitte von Staaten, denen es meiſtentheils an
Geld fehlte, bekamen die Paͤpſte durch den Beſitz eines
Schatzes eine groͤßere Zuverſicht auf ſich ſelbſt, ein unge-
wohntes Anſehn bei den Uebrigen.

In der That gehoͤrte dieſe Staatsverwaltung recht ei-
gentlich mit zu dem katholiſchen Syſteme jener Zeit.

Indem ſie alle finanziellen Kraͤfte des Staates in die
Haͤnde des kirchlichen Oberhauptes legte, machte ſie den-
ſelben erſt vollkommen zu einem Organe geiſtlicher Gewalt.

Denn wozu anders konnte dieß Geld angewendet wer-
den, als zur Vertheidigung und Ausbreitung des katholi-
ſchen Glaubens?

Sixtus V. lebte und webte in Entwuͤrfen, die dahin
zielten. Zuweilen betrafen ſie den Orient und die Tuͤrken,
oͤfter den Occident und die Proteſtanten. Zwiſchen den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0494" n="468"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Staat und Hof</hi>.</fw><lb/>
Ru&#x0364;ckwirkung. De&#x017F;&#x017F;enungeachtet &#x017F;ollte ich glauben, wenn<lb/>
er es dahin gebracht ha&#x0364;tte, daß die pa&#x0364;p&#x017F;tliche Ca&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o-<lb/>
wohl neuer Auflagen als der Anleihe in Zukunft ha&#x0364;tte ent-<lb/>
behren ko&#x0364;nnen, &#x017F;o wu&#x0364;rde dieß eine &#x017F;ehr wohltha&#x0364;tige Wir-<lb/>
kung hervorgerufen, der Kirchen&#x017F;taat vielleicht eine glu&#x0364;ckli-<lb/>
chere Entwickelung genommen haben.</p><lb/>
              <p>Allein es fehlte Gregorn zumal in den &#x017F;pa&#x0364;tern Jah-<lb/>
ren an der Kraft, &#x017F;eine Gedanken durchzu&#x017F;etzen.</p><lb/>
              <p>Grade durch die&#x017F;e vollfu&#x0364;hrende Kraft zeichnete &#x017F;ich Six-<lb/>
tus aus. Sein The&#x017F;auriren durch Anleihen, Aemterverkauf<lb/>
und neue Auflagen ha&#x0364;ufte La&#x017F;t auf La&#x017F;t; wir werden die<lb/>
Folgen davon beobachten: aber daß es gelang, blendete die<lb/>
Welt, und fu&#x0364;r den Augenblick gab es wirklich dem Pap&#x017F;t-<lb/>
thum eine neue Bedeutung.</p><lb/>
              <p>In der Mitte von Staaten, denen es mei&#x017F;tentheils an<lb/>
Geld fehlte, bekamen die Pa&#x0364;p&#x017F;te durch den Be&#x017F;itz eines<lb/>
Schatzes eine gro&#x0364;ßere Zuver&#x017F;icht auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, ein unge-<lb/>
wohntes An&#x017F;ehn bei den Uebrigen.</p><lb/>
              <p>In der That geho&#x0364;rte die&#x017F;e Staatsverwaltung recht ei-<lb/>
gentlich mit zu dem katholi&#x017F;chen Sy&#x017F;teme jener Zeit.</p><lb/>
              <p>Indem &#x017F;ie alle finanziellen Kra&#x0364;fte des Staates in die<lb/>
Ha&#x0364;nde des kirchlichen Oberhauptes legte, machte &#x017F;ie den-<lb/>
&#x017F;elben er&#x017F;t vollkommen zu einem Organe gei&#x017F;tlicher Gewalt.</p><lb/>
              <p>Denn wozu anders konnte dieß Geld angewendet wer-<lb/>
den, als zur Vertheidigung und Ausbreitung des katholi-<lb/>
&#x017F;chen Glaubens?</p><lb/>
              <p>Sixtus <hi rendition="#aq">V.</hi> lebte und webte in Entwu&#x0364;rfen, die dahin<lb/>
zielten. Zuweilen betrafen &#x017F;ie den Orient und die Tu&#x0364;rken,<lb/>
o&#x0364;fter den Occident und die Prote&#x017F;tanten. Zwi&#x017F;chen den<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[468/0494] Buch IV. Staat und Hof. Ruͤckwirkung. Deſſenungeachtet ſollte ich glauben, wenn er es dahin gebracht haͤtte, daß die paͤpſtliche Caſſe ſo- wohl neuer Auflagen als der Anleihe in Zukunft haͤtte ent- behren koͤnnen, ſo wuͤrde dieß eine ſehr wohlthaͤtige Wir- kung hervorgerufen, der Kirchenſtaat vielleicht eine gluͤckli- chere Entwickelung genommen haben. Allein es fehlte Gregorn zumal in den ſpaͤtern Jah- ren an der Kraft, ſeine Gedanken durchzuſetzen. Grade durch dieſe vollfuͤhrende Kraft zeichnete ſich Six- tus aus. Sein Theſauriren durch Anleihen, Aemterverkauf und neue Auflagen haͤufte Laſt auf Laſt; wir werden die Folgen davon beobachten: aber daß es gelang, blendete die Welt, und fuͤr den Augenblick gab es wirklich dem Papſt- thum eine neue Bedeutung. In der Mitte von Staaten, denen es meiſtentheils an Geld fehlte, bekamen die Paͤpſte durch den Beſitz eines Schatzes eine groͤßere Zuverſicht auf ſich ſelbſt, ein unge- wohntes Anſehn bei den Uebrigen. In der That gehoͤrte dieſe Staatsverwaltung recht ei- gentlich mit zu dem katholiſchen Syſteme jener Zeit. Indem ſie alle finanziellen Kraͤfte des Staates in die Haͤnde des kirchlichen Oberhauptes legte, machte ſie den- ſelben erſt vollkommen zu einem Organe geiſtlicher Gewalt. Denn wozu anders konnte dieß Geld angewendet wer- den, als zur Vertheidigung und Ausbreitung des katholi- ſchen Glaubens? Sixtus V. lebte und webte in Entwuͤrfen, die dahin zielten. Zuweilen betrafen ſie den Orient und die Tuͤrken, oͤfter den Occident und die Proteſtanten. Zwiſchen den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/494
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/494>, abgerufen am 01.05.2024.