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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
schichtlichen Wirkungen führen. Das Gewühl und der
Wahlkampf des Conclaves erhalten deshalb eine besondere
Bedeutung, und wir müssen hier ein Wort von denselben
einflechten.

In der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts
beherrschte das Uebergewicht der kaiserlichen oder der fran-
zösischen Faction in der Regel die Wählenden: die Cardinäle
hatten, wie ein Papst sagt, keine Freiheit der Stimmen
mehr. Seit der Mitte desselben ward diese Einwirkung
fremder Mächte um vieles unbedeutender: die Curie blieb
bei weitem mehr sich selbst überlassen. Da hatte sich
denn, in der Bewegung der innern Umtriebe, sagen wir,
ein Principo der eine Gewohnheit sehr besonderer Art aus-
gebildet.

Jeder Papst pflegte eine Anzahl Cardinäle zu ernen-
nen, die dann in dem nächsten Conclave sich um den Ne-
poten des Verstorbenen sammelten, eine neue Macht bilde-
ten, und in der Regel Einen aus ihrer Mitte auf den
Thron zu heben versuchten. Merkwürdig war es, daß es
ihnen hiemit nie gelang, daß die Opposition alle Mal siegte
und in der Regel einen Gegner des letzten Papstes beför-
derte.

Ich will nicht versuchen dieß ausführlich zu erör-
tern. Wir haben nicht ganz unglaubwürdige Mittheilun-
gen über diese Wahlen: allein es würde doch unmöglich
seyn die hiebei wirksamen persönlichen Verhältnisse zu
rechter Anschauung zu erheben: es würden immer Schatten
bleiben.

Genug wenn wir das Princip bemerken. Ohne Aus-

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
ſchichtlichen Wirkungen fuͤhren. Das Gewuͤhl und der
Wahlkampf des Conclaves erhalten deshalb eine beſondere
Bedeutung, und wir muͤſſen hier ein Wort von denſelben
einflechten.

In der erſten Haͤlfte des ſechszehnten Jahrhunderts
beherrſchte das Uebergewicht der kaiſerlichen oder der fran-
zoͤſiſchen Faction in der Regel die Waͤhlenden: die Cardinaͤle
hatten, wie ein Papſt ſagt, keine Freiheit der Stimmen
mehr. Seit der Mitte deſſelben ward dieſe Einwirkung
fremder Maͤchte um vieles unbedeutender: die Curie blieb
bei weitem mehr ſich ſelbſt uͤberlaſſen. Da hatte ſich
denn, in der Bewegung der innern Umtriebe, ſagen wir,
ein Principo der eine Gewohnheit ſehr beſonderer Art aus-
gebildet.

Jeder Papſt pflegte eine Anzahl Cardinaͤle zu ernen-
nen, die dann in dem naͤchſten Conclave ſich um den Ne-
poten des Verſtorbenen ſammelten, eine neue Macht bilde-
ten, und in der Regel Einen aus ihrer Mitte auf den
Thron zu heben verſuchten. Merkwuͤrdig war es, daß es
ihnen hiemit nie gelang, daß die Oppoſition alle Mal ſiegte
und in der Regel einen Gegner des letzten Papſtes befoͤr-
derte.

Ich will nicht verſuchen dieß ausfuͤhrlich zu eroͤr-
tern. Wir haben nicht ganz unglaubwuͤrdige Mittheilun-
gen uͤber dieſe Wahlen: allein es wuͤrde doch unmoͤglich
ſeyn die hiebei wirkſamen perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe zu
rechter Anſchauung zu erheben: es wuͤrden immer Schatten
bleiben.

Genug wenn wir das Princip bemerken. Ohne Aus-

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[218/0230] Buch VI. Innere Streitigkeiten. ſchichtlichen Wirkungen fuͤhren. Das Gewuͤhl und der Wahlkampf des Conclaves erhalten deshalb eine beſondere Bedeutung, und wir muͤſſen hier ein Wort von denſelben einflechten. In der erſten Haͤlfte des ſechszehnten Jahrhunderts beherrſchte das Uebergewicht der kaiſerlichen oder der fran- zoͤſiſchen Faction in der Regel die Waͤhlenden: die Cardinaͤle hatten, wie ein Papſt ſagt, keine Freiheit der Stimmen mehr. Seit der Mitte deſſelben ward dieſe Einwirkung fremder Maͤchte um vieles unbedeutender: die Curie blieb bei weitem mehr ſich ſelbſt uͤberlaſſen. Da hatte ſich denn, in der Bewegung der innern Umtriebe, ſagen wir, ein Principo der eine Gewohnheit ſehr beſonderer Art aus- gebildet. Jeder Papſt pflegte eine Anzahl Cardinaͤle zu ernen- nen, die dann in dem naͤchſten Conclave ſich um den Ne- poten des Verſtorbenen ſammelten, eine neue Macht bilde- ten, und in der Regel Einen aus ihrer Mitte auf den Thron zu heben verſuchten. Merkwuͤrdig war es, daß es ihnen hiemit nie gelang, daß die Oppoſition alle Mal ſiegte und in der Regel einen Gegner des letzten Papſtes befoͤr- derte. Ich will nicht verſuchen dieß ausfuͤhrlich zu eroͤr- tern. Wir haben nicht ganz unglaubwuͤrdige Mittheilun- gen uͤber dieſe Wahlen: allein es wuͤrde doch unmoͤglich ſeyn die hiebei wirkſamen perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe zu rechter Anſchauung zu erheben: es wuͤrden immer Schatten bleiben. Genug wenn wir das Princip bemerken. Ohne Aus-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/230>, abgerufen am 26.04.2024.