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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Hof in Erstaunen, der doch an Umwandlungen aller Art
gewöhnt war: er fühlte sich aber auch zugleich gebunden,
verpflichtet. Mit derselben Unbeugsamkeit, mit der er in
seinen bisherigen Aemtern den Buchstaben des Gesetzes ge-
handhabt, nahm er sich vor auch die höchste Würde zu
verwalten.

Andere Päpste pflegten ihre Thronbesteigung mit Gna-
den zu bezeichnen. Paul V. begann mit einem Richter-
spruch, der noch heute Grauen erregt.

Ein armer Autor, Cremonese von Geburt, Piccinardi,
hatte sich ich weiß nicht aus welchem Verdruß in seiner
Einsamkeit damit beschäftigt, eine Lebensbeschreibung Cle-
mens des VIII. aufzusetzen, in der er diesen Papst mit
dem Kaiser Tiberius verglich, so wenig Aehnlichkeit auch
diese Regenten mit einander haben mögen. Er hatte dieß selt-
same Werk nicht allein nicht drucken lassen, sondern ganz
für sich behalten und so gut wie Niemand mitgetheilt:
eine Frau, die er früher im Hause gehabt, gab ihn an.
Paul V. äußerte sich hierüber anfangs mit viel Ruhe, und
es schien um so weniger zu besorgen, da sich mächtige Per-
sonen selbst Botschafter für ihn verwandten. Wie sehr
erstaunte man, als Piccinardi eines Tages auf der En-
gelsbrücke enthauptet wurde. Was auch zu seiner Entschul-
digung gesagt werden mochte, so hatte er doch das Ver-
brechen der beleidigten Majestät begangen, für das die Ge-
setze diese Strafe bestimmen. Bei einem Papst wie Paul,
war keine Gnade: auch die Habseligkeiten des armen Men-
schen wurden eingezogen 1).


1) Jene Gesandten erzählen diesen Fall. "Si congettura",

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Hof in Erſtaunen, der doch an Umwandlungen aller Art
gewoͤhnt war: er fuͤhlte ſich aber auch zugleich gebunden,
verpflichtet. Mit derſelben Unbeugſamkeit, mit der er in
ſeinen bisherigen Aemtern den Buchſtaben des Geſetzes ge-
handhabt, nahm er ſich vor auch die hoͤchſte Wuͤrde zu
verwalten.

Andere Paͤpſte pflegten ihre Thronbeſteigung mit Gna-
den zu bezeichnen. Paul V. begann mit einem Richter-
ſpruch, der noch heute Grauen erregt.

Ein armer Autor, Cremoneſe von Geburt, Piccinardi,
hatte ſich ich weiß nicht aus welchem Verdruß in ſeiner
Einſamkeit damit beſchaͤftigt, eine Lebensbeſchreibung Cle-
mens des VIII. aufzuſetzen, in der er dieſen Papſt mit
dem Kaiſer Tiberius verglich, ſo wenig Aehnlichkeit auch
dieſe Regenten mit einander haben moͤgen. Er hatte dieß ſelt-
ſame Werk nicht allein nicht drucken laſſen, ſondern ganz
fuͤr ſich behalten und ſo gut wie Niemand mitgetheilt:
eine Frau, die er fruͤher im Hauſe gehabt, gab ihn an.
Paul V. aͤußerte ſich hieruͤber anfangs mit viel Ruhe, und
es ſchien um ſo weniger zu beſorgen, da ſich maͤchtige Per-
ſonen ſelbſt Botſchafter fuͤr ihn verwandten. Wie ſehr
erſtaunte man, als Piccinardi eines Tages auf der En-
gelsbruͤcke enthauptet wurde. Was auch zu ſeiner Entſchul-
digung geſagt werden mochte, ſo hatte er doch das Ver-
brechen der beleidigten Majeſtaͤt begangen, fuͤr das die Ge-
ſetze dieſe Strafe beſtimmen. Bei einem Papſt wie Paul,
war keine Gnade: auch die Habſeligkeiten des armen Men-
ſchen wurden eingezogen 1).


1) Jene Geſandten erzaͤhlen dieſen Fall. „Si congettura“,
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[322/0334] Buch VI. Innere Streitigkeiten. Hof in Erſtaunen, der doch an Umwandlungen aller Art gewoͤhnt war: er fuͤhlte ſich aber auch zugleich gebunden, verpflichtet. Mit derſelben Unbeugſamkeit, mit der er in ſeinen bisherigen Aemtern den Buchſtaben des Geſetzes ge- handhabt, nahm er ſich vor auch die hoͤchſte Wuͤrde zu verwalten. Andere Paͤpſte pflegten ihre Thronbeſteigung mit Gna- den zu bezeichnen. Paul V. begann mit einem Richter- ſpruch, der noch heute Grauen erregt. Ein armer Autor, Cremoneſe von Geburt, Piccinardi, hatte ſich ich weiß nicht aus welchem Verdruß in ſeiner Einſamkeit damit beſchaͤftigt, eine Lebensbeſchreibung Cle- mens des VIII. aufzuſetzen, in der er dieſen Papſt mit dem Kaiſer Tiberius verglich, ſo wenig Aehnlichkeit auch dieſe Regenten mit einander haben moͤgen. Er hatte dieß ſelt- ſame Werk nicht allein nicht drucken laſſen, ſondern ganz fuͤr ſich behalten und ſo gut wie Niemand mitgetheilt: eine Frau, die er fruͤher im Hauſe gehabt, gab ihn an. Paul V. aͤußerte ſich hieruͤber anfangs mit viel Ruhe, und es ſchien um ſo weniger zu beſorgen, da ſich maͤchtige Per- ſonen ſelbſt Botſchafter fuͤr ihn verwandten. Wie ſehr erſtaunte man, als Piccinardi eines Tages auf der En- gelsbruͤcke enthauptet wurde. Was auch zu ſeiner Entſchul- digung geſagt werden mochte, ſo hatte er doch das Ver- brechen der beleidigten Majeſtaͤt begangen, fuͤr das die Ge- ſetze dieſe Strafe beſtimmen. Bei einem Papſt wie Paul, war keine Gnade: auch die Habſeligkeiten des armen Men- ſchen wurden eingezogen 1). 1) Jene Geſandten erzaͤhlen dieſen Fall. „Si congettura“,

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/334>, abgerufen am 30.04.2024.