Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17 Jahrh.
den Einfluß des Hofes auf die Besetzung der geistlichen
Stellen im Lande, die Pensionen, die Anmaßungen der
Nepoten; bald fand Genua, bald Savoyen Anlaß, seinen
Gesandten von Rom abzuberufen; aber den lebhaftesten Wi-
derstand leistete, wie das auch schon im Princip ihrer
Restauration lag, die französische Kirche 1). Die Nuntien
finden kein Ende der Beschwerden, die sie machen zu müssen
glauben, vorzüglich über die Beschränkungen welche die
geistliche Jurisdiction erfahre: ehe sie noch einen Schritt
gethan, lege man schon Appellation ein; man entziehe ihr
die Ehesachen unter dem Vorwande, es sey eine Entfüh-
rung im Spiele; man schließe sie von den peinlichen Pro-
cessen aus; zuweilen werde ein Geistlicher hingerichtet ohne
erst degradirt zu seyn; ohne Rücksicht erlasse der König
Edicte über Ketzerei und Simonie: die Zehenten seyen all-
mählig zu einer immerwährenden Auflage geworden. Bedenk-
lichere Anhänger der Curie sahen in diesen Anmaßungen
schon die Vorboten zu einem Schisma.

Das Verhältniß, in das man durch diese Irrungen
gerieth, hing nothwendig auch mit andern Umständen, haupt-
sächlich mit der politischen Haltung die der römische Hof
annahm, zusammen.

Aus Rücksicht auf Spanien wagte weder Innocenz
noch Alexander, Portugal, das sich von dieser Monarchie
losgerissen, anzuerkennen, und den daselbst ernannten Bi-

1) Relatione della nuntiatura di Francia di monsr Scotti
1641 5 Aprile.
Er hat einen besondern Abschnitt dell' impedi-
menti della nuntiatura ordinaria: Li giudici regj si puo dire che
levino tutta la giurisdittione ecclca in Francia alli prelati.

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17 Jahrh.
den Einfluß des Hofes auf die Beſetzung der geiſtlichen
Stellen im Lande, die Penſionen, die Anmaßungen der
Nepoten; bald fand Genua, bald Savoyen Anlaß, ſeinen
Geſandten von Rom abzuberufen; aber den lebhafteſten Wi-
derſtand leiſtete, wie das auch ſchon im Princip ihrer
Reſtauration lag, die franzoͤſiſche Kirche 1). Die Nuntien
finden kein Ende der Beſchwerden, die ſie machen zu muͤſſen
glauben, vorzuͤglich uͤber die Beſchraͤnkungen welche die
geiſtliche Jurisdiction erfahre: ehe ſie noch einen Schritt
gethan, lege man ſchon Appellation ein; man entziehe ihr
die Eheſachen unter dem Vorwande, es ſey eine Entfuͤh-
rung im Spiele; man ſchließe ſie von den peinlichen Pro-
ceſſen aus; zuweilen werde ein Geiſtlicher hingerichtet ohne
erſt degradirt zu ſeyn; ohne Ruͤckſicht erlaſſe der Koͤnig
Edicte uͤber Ketzerei und Simonie: die Zehenten ſeyen all-
maͤhlig zu einer immerwaͤhrenden Auflage geworden. Bedenk-
lichere Anhaͤnger der Curie ſahen in dieſen Anmaßungen
ſchon die Vorboten zu einem Schisma.

Das Verhaͤltniß, in das man durch dieſe Irrungen
gerieth, hing nothwendig auch mit andern Umſtaͤnden, haupt-
ſaͤchlich mit der politiſchen Haltung die der roͤmiſche Hof
annahm, zuſammen.

Aus Ruͤckſicht auf Spanien wagte weder Innocenz
noch Alexander, Portugal, das ſich von dieſer Monarchie
losgeriſſen, anzuerkennen, und den daſelbſt ernannten Bi-

1) Relatione della nuntiatura di Francia di monsr Scotti
1641 5 Aprile.
Er hat einen beſondern Abſchnitt dell’ impedi-
menti della nuntiatura ordinaria: Li giudici regj si può dire che
levino tutta la giurisdittione ecclca in Francia alli prelati.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="154"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 17 Jahrh</hi>.</fw><lb/>
den Einfluß des Hofes auf die Be&#x017F;etzung der gei&#x017F;tlichen<lb/>
Stellen im Lande, die Pen&#x017F;ionen, die Anmaßungen der<lb/>
Nepoten; bald fand Genua, bald Savoyen Anlaß, &#x017F;einen<lb/>
Ge&#x017F;andten von Rom abzuberufen; aber den lebhafte&#x017F;ten Wi-<lb/>
der&#x017F;tand lei&#x017F;tete, wie das auch &#x017F;chon im Princip ihrer<lb/>
Re&#x017F;tauration lag, die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Kirche <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Relatione della nuntiatura di Francia di mons<hi rendition="#sup">r</hi> Scotti<lb/>
1641 5 Aprile.</hi> Er hat einen be&#x017F;ondern Ab&#x017F;chnitt <hi rendition="#aq">dell&#x2019; impedi-<lb/>
menti della nuntiatura ordinaria: Li giudici regj si può dire che<lb/>
levino tutta la giurisdittione eccl<hi rendition="#sup">ca</hi> in Francia alli prelati.</hi></note>. Die Nuntien<lb/>
finden kein Ende der Be&#x017F;chwerden, die &#x017F;ie machen zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
glauben, vorzu&#x0364;glich u&#x0364;ber die Be&#x017F;chra&#x0364;nkungen welche die<lb/>
gei&#x017F;tliche Jurisdiction erfahre: ehe &#x017F;ie noch einen Schritt<lb/>
gethan, lege man &#x017F;chon Appellation ein; man entziehe ihr<lb/>
die Ehe&#x017F;achen unter dem Vorwande, es &#x017F;ey eine Entfu&#x0364;h-<lb/>
rung im Spiele; man &#x017F;chließe &#x017F;ie von den peinlichen Pro-<lb/>
ce&#x017F;&#x017F;en aus; zuweilen werde ein Gei&#x017F;tlicher hingerichtet ohne<lb/>
er&#x017F;t degradirt zu &#x017F;eyn; ohne Ru&#x0364;ck&#x017F;icht erla&#x017F;&#x017F;e der Ko&#x0364;nig<lb/>
Edicte u&#x0364;ber Ketzerei und Simonie: die Zehenten &#x017F;eyen all-<lb/>
ma&#x0364;hlig zu einer immerwa&#x0364;hrenden Auflage geworden. Bedenk-<lb/>
lichere Anha&#x0364;nger der Curie &#x017F;ahen in die&#x017F;en Anmaßungen<lb/>
&#x017F;chon die Vorboten zu einem Schisma.</p><lb/>
          <p>Das Verha&#x0364;ltniß, in das man durch die&#x017F;e Irrungen<lb/>
gerieth, hing nothwendig auch mit andern Um&#x017F;ta&#x0364;nden, haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich mit der politi&#x017F;chen Haltung die der ro&#x0364;mi&#x017F;che Hof<lb/>
annahm, zu&#x017F;ammen.</p><lb/>
          <p>Aus Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf Spanien wagte weder Innocenz<lb/>
noch Alexander, Portugal, das &#x017F;ich von die&#x017F;er Monarchie<lb/>
losgeri&#x017F;&#x017F;en, anzuerkennen, und den da&#x017F;elb&#x017F;t ernannten Bi-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0166] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17 Jahrh. den Einfluß des Hofes auf die Beſetzung der geiſtlichen Stellen im Lande, die Penſionen, die Anmaßungen der Nepoten; bald fand Genua, bald Savoyen Anlaß, ſeinen Geſandten von Rom abzuberufen; aber den lebhafteſten Wi- derſtand leiſtete, wie das auch ſchon im Princip ihrer Reſtauration lag, die franzoͤſiſche Kirche 1). Die Nuntien finden kein Ende der Beſchwerden, die ſie machen zu muͤſſen glauben, vorzuͤglich uͤber die Beſchraͤnkungen welche die geiſtliche Jurisdiction erfahre: ehe ſie noch einen Schritt gethan, lege man ſchon Appellation ein; man entziehe ihr die Eheſachen unter dem Vorwande, es ſey eine Entfuͤh- rung im Spiele; man ſchließe ſie von den peinlichen Pro- ceſſen aus; zuweilen werde ein Geiſtlicher hingerichtet ohne erſt degradirt zu ſeyn; ohne Ruͤckſicht erlaſſe der Koͤnig Edicte uͤber Ketzerei und Simonie: die Zehenten ſeyen all- maͤhlig zu einer immerwaͤhrenden Auflage geworden. Bedenk- lichere Anhaͤnger der Curie ſahen in dieſen Anmaßungen ſchon die Vorboten zu einem Schisma. Das Verhaͤltniß, in das man durch dieſe Irrungen gerieth, hing nothwendig auch mit andern Umſtaͤnden, haupt- ſaͤchlich mit der politiſchen Haltung die der roͤmiſche Hof annahm, zuſammen. Aus Ruͤckſicht auf Spanien wagte weder Innocenz noch Alexander, Portugal, das ſich von dieſer Monarchie losgeriſſen, anzuerkennen, und den daſelbſt ernannten Bi- 1) Relatione della nuntiatura di Francia di monsr Scotti 1641 5 Aprile. Er hat einen beſondern Abſchnitt dell’ impedi- menti della nuntiatura ordinaria: Li giudici regj si può dire che levino tutta la giurisdittione ecclca in Francia alli prelati.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/166
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/166>, abgerufen am 15.05.2024.