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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Heimfall von Urbino.
Geschäfte wider Willen führen, und in den bittern Begeg-
nungen mit dem römischen Stuhle aushalten mußte 1).

Von allem Anfange glaubte er fürchten zu müssen,
daß sich die Varberini der Tochter die von seinem Sohne
übrig war, eines Kindes von einem Jahre, bemächtigen
würden. Um sie ihren Werbungen auf immer zu entziehen,
ließ er sie mit einem Prinzen von Toscana versprechen und
auf der Stelle in das benachbarte Land hinüberbringen.

Aber es entspann sich sogleich ein anderes Mißverhältniß.

Auch der Kaiser machte Ansprüche auf einige urbina-
tische Landestheile: Urban VIII. forderte eine Erklärung von
dem Herzoge, daß er alles was er besitze von dem päpst-
lichen Stuhle zu Lehen trage. Lange weigerte sich Franz
Maria: er fand diese Erklärung wider sein Gewissen: end-
lich gab er sie doch von sich: "aber seitdem", sagt unser
Berichterstatter, "ist er nie wieder heiter geworden: er
fühlte sich dadurch in seiner Seele gedrückt."

Bald darauf mußte er zulassen, daß die Befehlshaber
seiner festen Plätze dem Papste den Eid leisteten. Endlich
-- es war in der That das Beste -- gab er die Regie-
rung des Landes ganz und gar an die Bevollmächtigten
des Papstes auf.

Lebensmüde, altersschwach, von Herzeleid gebeugt, nach-
dem er alle seine vertrauten Freunde hatte sterben sehen,
fand der Herzog seinen einigen Trost in den Uebungen der
Frömmigkeit. Er starb im Jahre 1631.

Auf der Stelle eilte Taddeo Barberini herbei, um das

1) P. Contarini: trovandosi il duca per gli anni e per
l'indispositione gia cadente prosternato et avvilito d'animo
.

Heimfall von Urbino.
Geſchaͤfte wider Willen fuͤhren, und in den bittern Begeg-
nungen mit dem roͤmiſchen Stuhle aushalten mußte 1).

Von allem Anfange glaubte er fuͤrchten zu muͤſſen,
daß ſich die Varberini der Tochter die von ſeinem Sohne
uͤbrig war, eines Kindes von einem Jahre, bemaͤchtigen
wuͤrden. Um ſie ihren Werbungen auf immer zu entziehen,
ließ er ſie mit einem Prinzen von Toscana verſprechen und
auf der Stelle in das benachbarte Land hinuͤberbringen.

Aber es entſpann ſich ſogleich ein anderes Mißverhaͤltniß.

Auch der Kaiſer machte Anſpruͤche auf einige urbina-
tiſche Landestheile: Urban VIII. forderte eine Erklaͤrung von
dem Herzoge, daß er alles was er beſitze von dem paͤpſt-
lichen Stuhle zu Lehen trage. Lange weigerte ſich Franz
Maria: er fand dieſe Erklaͤrung wider ſein Gewiſſen: end-
lich gab er ſie doch von ſich: „aber ſeitdem“, ſagt unſer
Berichterſtatter, „iſt er nie wieder heiter geworden: er
fuͤhlte ſich dadurch in ſeiner Seele gedruͤckt.“

Bald darauf mußte er zulaſſen, daß die Befehlshaber
ſeiner feſten Plaͤtze dem Papſte den Eid leiſteten. Endlich
— es war in der That das Beſte — gab er die Regie-
rung des Landes ganz und gar an die Bevollmaͤchtigten
des Papſtes auf.

Lebensmuͤde, altersſchwach, von Herzeleid gebeugt, nach-
dem er alle ſeine vertrauten Freunde hatte ſterben ſehen,
fand der Herzog ſeinen einigen Troſt in den Uebungen der
Froͤmmigkeit. Er ſtarb im Jahre 1631.

Auf der Stelle eilte Taddeo Barberini herbei, um das

1) P. Contarini: trovandosi il duca per gli anni e per
l’indispositione già cadente prosternato et avvilito d’animo
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[9/0021] Heimfall von Urbino. Geſchaͤfte wider Willen fuͤhren, und in den bittern Begeg- nungen mit dem roͤmiſchen Stuhle aushalten mußte 1). Von allem Anfange glaubte er fuͤrchten zu muͤſſen, daß ſich die Varberini der Tochter die von ſeinem Sohne uͤbrig war, eines Kindes von einem Jahre, bemaͤchtigen wuͤrden. Um ſie ihren Werbungen auf immer zu entziehen, ließ er ſie mit einem Prinzen von Toscana verſprechen und auf der Stelle in das benachbarte Land hinuͤberbringen. Aber es entſpann ſich ſogleich ein anderes Mißverhaͤltniß. Auch der Kaiſer machte Anſpruͤche auf einige urbina- tiſche Landestheile: Urban VIII. forderte eine Erklaͤrung von dem Herzoge, daß er alles was er beſitze von dem paͤpſt- lichen Stuhle zu Lehen trage. Lange weigerte ſich Franz Maria: er fand dieſe Erklaͤrung wider ſein Gewiſſen: end- lich gab er ſie doch von ſich: „aber ſeitdem“, ſagt unſer Berichterſtatter, „iſt er nie wieder heiter geworden: er fuͤhlte ſich dadurch in ſeiner Seele gedruͤckt.“ Bald darauf mußte er zulaſſen, daß die Befehlshaber ſeiner feſten Plaͤtze dem Papſte den Eid leiſteten. Endlich — es war in der That das Beſte — gab er die Regie- rung des Landes ganz und gar an die Bevollmaͤchtigten des Papſtes auf. Lebensmuͤde, altersſchwach, von Herzeleid gebeugt, nach- dem er alle ſeine vertrauten Freunde hatte ſterben ſehen, fand der Herzog ſeinen einigen Troſt in den Uebungen der Froͤmmigkeit. Er ſtarb im Jahre 1631. Auf der Stelle eilte Taddeo Barberini herbei, um das 1) P. Contarini: trovandosi il duca per gli anni e per l’indispositione già cadente prosternato et avvilito d’animo.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/21>, abgerufen am 29.04.2024.