Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Revolutionäres Zeitalter.

Der römische Hof schmeichelte sich noch einen Augen-
blick, dieser Bewegung durch eine innere Reaction Einhalt
gethan zu sehen; der Papst unterließ nichts, um dazu mit-
zuwirken. Er verwarf die neue Constitution, verdammte
die Bischöfe welche den Eid darauf geleistet, suchte durch
Zuspruch und Lob die noch immer zahlreiche Partei, die sich
in den Widerstand geworfen, darin zu bestärken; endlich
sprach er sogar über die einflußreichsten und namhaftesten
Mitglieder des constitutionellen Clerus den Bann aus.

Es war aber alles umsonst; die revolutionäre Ten-
denz behielt den Platz; der innere Bürgerkrieg, den haupt-
sächlich die religiösen Antriebe entzündeten, schlug zum Vor-
theil der Neuerung aus. Glücklich wäre der Papst gewe-
sen, wenn es nur dabei sein Bewenden gehabt, wenn Frank-
reich nichts weiter als sich von ihm losgerissen hätte.

Aber indeß war der allgemeine Krieg ausgebrochen,
der die Lage von Europa so von Grund aus umwandeln
sollte.

Mit jener unwiderstehlichen Wuth, einer Mischung
von Enthusiasmus, Begierde und Schrecken, die in dem
innern Kampfe entwickelt worden, ergoß sich die revolutio-
näre Gewalt auch über die französischen Grenzen.

Was sie berührte, Belgien, Holland, das überrheini-
sche Deutschland, wo gerade die geistliche Verfassung ihren
vornehmsten Sitz hatte, wandelte sie auf eine ihr analoge
Weise um: durch den Feldzug von 1796 ward sie Meiste-

unter Pius VI. hat B. VII, p. 32 ein Capitel über den Antheil
der Jansenisten an der neuen Verfassung, das aber sehr schwach aus-
gefallen ist.
Revolutionaͤres Zeitalter.

Der roͤmiſche Hof ſchmeichelte ſich noch einen Augen-
blick, dieſer Bewegung durch eine innere Reaction Einhalt
gethan zu ſehen; der Papſt unterließ nichts, um dazu mit-
zuwirken. Er verwarf die neue Conſtitution, verdammte
die Biſchoͤfe welche den Eid darauf geleiſtet, ſuchte durch
Zuſpruch und Lob die noch immer zahlreiche Partei, die ſich
in den Widerſtand geworfen, darin zu beſtaͤrken; endlich
ſprach er ſogar uͤber die einflußreichſten und namhafteſten
Mitglieder des conſtitutionellen Clerus den Bann aus.

Es war aber alles umſonſt; die revolutionaͤre Ten-
denz behielt den Platz; der innere Buͤrgerkrieg, den haupt-
ſaͤchlich die religioͤſen Antriebe entzuͤndeten, ſchlug zum Vor-
theil der Neuerung aus. Gluͤcklich waͤre der Papſt gewe-
ſen, wenn es nur dabei ſein Bewenden gehabt, wenn Frank-
reich nichts weiter als ſich von ihm losgeriſſen haͤtte.

Aber indeß war der allgemeine Krieg ausgebrochen,
der die Lage von Europa ſo von Grund aus umwandeln
ſollte.

Mit jener unwiderſtehlichen Wuth, einer Miſchung
von Enthuſiasmus, Begierde und Schrecken, die in dem
innern Kampfe entwickelt worden, ergoß ſich die revolutio-
naͤre Gewalt auch uͤber die franzoͤſiſchen Grenzen.

Was ſie beruͤhrte, Belgien, Holland, das uͤberrheini-
ſche Deutſchland, wo gerade die geiſtliche Verfaſſung ihren
vornehmſten Sitz hatte, wandelte ſie auf eine ihr analoge
Weiſe um: durch den Feldzug von 1796 ward ſie Meiſte-

unter Pius VI. hat B. VII, p. 32 ein Capitel uͤber den Antheil
der Janſeniſten an der neuen Verfaſſung, das aber ſehr ſchwach aus-
gefallen iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0219" n="207"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Revolutiona&#x0364;res Zeitalter</hi>.</fw><lb/>
          <p>Der ro&#x0364;mi&#x017F;che Hof &#x017F;chmeichelte &#x017F;ich noch einen Augen-<lb/>
blick, die&#x017F;er Bewegung durch eine innere Reaction Einhalt<lb/>
gethan zu &#x017F;ehen; der Pap&#x017F;t unterließ nichts, um dazu mit-<lb/>
zuwirken. Er verwarf die neue Con&#x017F;titution, verdammte<lb/>
die Bi&#x017F;cho&#x0364;fe welche den Eid darauf gelei&#x017F;tet, &#x017F;uchte durch<lb/>
Zu&#x017F;pruch und Lob die noch immer zahlreiche Partei, die &#x017F;ich<lb/>
in den Wider&#x017F;tand geworfen, darin zu be&#x017F;ta&#x0364;rken; endlich<lb/>
&#x017F;prach er &#x017F;ogar u&#x0364;ber die einflußreich&#x017F;ten und namhafte&#x017F;ten<lb/>
Mitglieder des con&#x017F;titutionellen Clerus den Bann aus.</p><lb/>
          <p>Es war aber alles um&#x017F;on&#x017F;t; die revolutiona&#x0364;re Ten-<lb/>
denz behielt den Platz; der innere Bu&#x0364;rgerkrieg, den haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich die religio&#x0364;&#x017F;en Antriebe entzu&#x0364;ndeten, &#x017F;chlug zum Vor-<lb/>
theil der Neuerung aus. Glu&#x0364;cklich wa&#x0364;re der Pap&#x017F;t gewe-<lb/>
&#x017F;en, wenn es nur dabei &#x017F;ein Bewenden gehabt, wenn Frank-<lb/>
reich nichts weiter als &#x017F;ich von ihm losgeri&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Aber indeß war der allgemeine Krieg ausgebrochen,<lb/>
der die Lage von Europa &#x017F;o von Grund aus umwandeln<lb/>
&#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Mit jener unwider&#x017F;tehlichen Wuth, einer Mi&#x017F;chung<lb/>
von Enthu&#x017F;iasmus, Begierde und Schrecken, die in dem<lb/>
innern Kampfe entwickelt worden, ergoß &#x017F;ich die revolutio-<lb/>
na&#x0364;re Gewalt auch u&#x0364;ber die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Grenzen.</p><lb/>
          <p>Was &#x017F;ie beru&#x0364;hrte, Belgien, Holland, das u&#x0364;berrheini-<lb/>
&#x017F;che Deut&#x017F;chland, wo gerade die gei&#x017F;tliche Verfa&#x017F;&#x017F;ung ihren<lb/>
vornehm&#x017F;ten Sitz hatte, wandelte &#x017F;ie auf eine ihr analoge<lb/>
Wei&#x017F;e um: durch den Feldzug von 1796 ward &#x017F;ie Mei&#x017F;te-<lb/><note xml:id="seg2pn_21_2" prev="#seg2pn_21_1" place="foot" n="2)">unter Pius <hi rendition="#aq">VI.</hi> hat B. <hi rendition="#aq">VII, p.</hi> 32 ein Capitel u&#x0364;ber den Antheil<lb/>
der Jan&#x017F;eni&#x017F;ten an der neuen Verfa&#x017F;&#x017F;ung, das aber &#x017F;ehr &#x017F;chwach aus-<lb/>
gefallen i&#x017F;t.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0219] Revolutionaͤres Zeitalter. Der roͤmiſche Hof ſchmeichelte ſich noch einen Augen- blick, dieſer Bewegung durch eine innere Reaction Einhalt gethan zu ſehen; der Papſt unterließ nichts, um dazu mit- zuwirken. Er verwarf die neue Conſtitution, verdammte die Biſchoͤfe welche den Eid darauf geleiſtet, ſuchte durch Zuſpruch und Lob die noch immer zahlreiche Partei, die ſich in den Widerſtand geworfen, darin zu beſtaͤrken; endlich ſprach er ſogar uͤber die einflußreichſten und namhafteſten Mitglieder des conſtitutionellen Clerus den Bann aus. Es war aber alles umſonſt; die revolutionaͤre Ten- denz behielt den Platz; der innere Buͤrgerkrieg, den haupt- ſaͤchlich die religioͤſen Antriebe entzuͤndeten, ſchlug zum Vor- theil der Neuerung aus. Gluͤcklich waͤre der Papſt gewe- ſen, wenn es nur dabei ſein Bewenden gehabt, wenn Frank- reich nichts weiter als ſich von ihm losgeriſſen haͤtte. Aber indeß war der allgemeine Krieg ausgebrochen, der die Lage von Europa ſo von Grund aus umwandeln ſollte. Mit jener unwiderſtehlichen Wuth, einer Miſchung von Enthuſiasmus, Begierde und Schrecken, die in dem innern Kampfe entwickelt worden, ergoß ſich die revolutio- naͤre Gewalt auch uͤber die franzoͤſiſchen Grenzen. Was ſie beruͤhrte, Belgien, Holland, das uͤberrheini- ſche Deutſchland, wo gerade die geiſtliche Verfaſſung ihren vornehmſten Sitz hatte, wandelte ſie auf eine ihr analoge Weiſe um: durch den Feldzug von 1796 ward ſie Meiſte- 2) 2) unter Pius VI. hat B. VII, p. 32 ein Capitel uͤber den Antheil der Janſeniſten an der neuen Verfaſſung, das aber ſehr ſchwach aus- gefallen iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/219
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/219>, abgerufen am 14.05.2024.