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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Krieg von Castro.
die Este ihre ferraresischen, die Medici gewisse urbinatische
Ansprüche nicht aufgegeben: durch die Anmaaßungen Don
Taddeos waren sie sämmtlich beleidigt: die Venezianer dop-
pelt, da Urban VIII. vor kurzem eine Inschrift in der Sala
Regia, in der sie wegen jener ihrer fabelhaften Vertheidi-
gung Alexanders III. gepriesen wurden, hatte vernichten
lassen: was sie für einen großen Schimpf hielten 1): --
auch allgemeinere politische Rücksichten gesellten sich hinzu.
Wie früher die spanische, so erregte jetzt die französische
Uebermacht die Bedenklichkeiten der Italiener. Allenthal-
ben erlitt die spanische Monarchie die größten Verluste:
die Italiener fürchteten, es möchte auch bei ihnen eine all-
gemeine Umwälzung erfolgen, wenn Urban VIII, den sie
für einen entschiedenen Verbündeten der Franzosen hielten,
noch mächtiger werde. Aus allen diesen Gründen beschlos-
sen sie sich ihm zu widersetzen. Ihre Truppen vereinigten
sich im Modenesischen. Die Barberini mußten den Durch-
zug durch dieß Gebiet aufgeben, den Verbündeten gegen-
über bezog die päpstliche Heeresmacht ihre Quartiere um
Ferrara.

Gewissermaßen wiederholte sich demnach hier der Ge-
gensatz des französischen und des spanischen Interesse, der
Europa überhaupt in Bewegung hielt. Allein wie viel
schwächer waren doch die Beweggründe, die Kräfte, die An-
strengungen, die es hier zu einer Art von Kampf brachten!

Ein Zug, den der Herzog von Parma, der sich nun-
mehr ohne viel Zuthun von seiner Seite beschützt und doch
nicht gebunden sah, auf eigene Hand unternahm, offenbart

1) Ich werde diesen Gegenstand in dem Anhang berühren.

Krieg von Caſtro.
die Eſte ihre ferrareſiſchen, die Medici gewiſſe urbinatiſche
Anſpruͤche nicht aufgegeben: durch die Anmaaßungen Don
Taddeos waren ſie ſaͤmmtlich beleidigt: die Venezianer dop-
pelt, da Urban VIII. vor kurzem eine Inſchrift in der Sala
Regia, in der ſie wegen jener ihrer fabelhaften Vertheidi-
gung Alexanders III. geprieſen wurden, hatte vernichten
laſſen: was ſie fuͤr einen großen Schimpf hielten 1): —
auch allgemeinere politiſche Ruͤckſichten geſellten ſich hinzu.
Wie fruͤher die ſpaniſche, ſo erregte jetzt die franzoͤſiſche
Uebermacht die Bedenklichkeiten der Italiener. Allenthal-
ben erlitt die ſpaniſche Monarchie die groͤßten Verluſte:
die Italiener fuͤrchteten, es moͤchte auch bei ihnen eine all-
gemeine Umwaͤlzung erfolgen, wenn Urban VIII, den ſie
fuͤr einen entſchiedenen Verbuͤndeten der Franzoſen hielten,
noch maͤchtiger werde. Aus allen dieſen Gruͤnden beſchloſ-
ſen ſie ſich ihm zu widerſetzen. Ihre Truppen vereinigten
ſich im Modeneſiſchen. Die Barberini mußten den Durch-
zug durch dieß Gebiet aufgeben, den Verbuͤndeten gegen-
uͤber bezog die paͤpſtliche Heeresmacht ihre Quartiere um
Ferrara.

Gewiſſermaßen wiederholte ſich demnach hier der Ge-
genſatz des franzoͤſiſchen und des ſpaniſchen Intereſſe, der
Europa uͤberhaupt in Bewegung hielt. Allein wie viel
ſchwaͤcher waren doch die Beweggruͤnde, die Kraͤfte, die An-
ſtrengungen, die es hier zu einer Art von Kampf brachten!

Ein Zug, den der Herzog von Parma, der ſich nun-
mehr ohne viel Zuthun von ſeiner Seite beſchuͤtzt und doch
nicht gebunden ſah, auf eigene Hand unternahm, offenbart

1) Ich werde dieſen Gegenſtand in dem Anhang beruͤhren.
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[31/0043] Krieg von Caſtro. die Eſte ihre ferrareſiſchen, die Medici gewiſſe urbinatiſche Anſpruͤche nicht aufgegeben: durch die Anmaaßungen Don Taddeos waren ſie ſaͤmmtlich beleidigt: die Venezianer dop- pelt, da Urban VIII. vor kurzem eine Inſchrift in der Sala Regia, in der ſie wegen jener ihrer fabelhaften Vertheidi- gung Alexanders III. geprieſen wurden, hatte vernichten laſſen: was ſie fuͤr einen großen Schimpf hielten 1): — auch allgemeinere politiſche Ruͤckſichten geſellten ſich hinzu. Wie fruͤher die ſpaniſche, ſo erregte jetzt die franzoͤſiſche Uebermacht die Bedenklichkeiten der Italiener. Allenthal- ben erlitt die ſpaniſche Monarchie die groͤßten Verluſte: die Italiener fuͤrchteten, es moͤchte auch bei ihnen eine all- gemeine Umwaͤlzung erfolgen, wenn Urban VIII, den ſie fuͤr einen entſchiedenen Verbuͤndeten der Franzoſen hielten, noch maͤchtiger werde. Aus allen dieſen Gruͤnden beſchloſ- ſen ſie ſich ihm zu widerſetzen. Ihre Truppen vereinigten ſich im Modeneſiſchen. Die Barberini mußten den Durch- zug durch dieß Gebiet aufgeben, den Verbuͤndeten gegen- uͤber bezog die paͤpſtliche Heeresmacht ihre Quartiere um Ferrara. Gewiſſermaßen wiederholte ſich demnach hier der Ge- genſatz des franzoͤſiſchen und des ſpaniſchen Intereſſe, der Europa uͤberhaupt in Bewegung hielt. Allein wie viel ſchwaͤcher waren doch die Beweggruͤnde, die Kraͤfte, die An- ſtrengungen, die es hier zu einer Art von Kampf brachten! Ein Zug, den der Herzog von Parma, der ſich nun- mehr ohne viel Zuthun von ſeiner Seite beſchuͤtzt und doch nicht gebunden ſah, auf eigene Hand unternahm, offenbart 1) Ich werde dieſen Gegenſtand in dem Anhang beruͤhren.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/43>, abgerufen am 29.04.2024.