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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Alexander VII.
cana verwickeln: -- Andere bestätigten dieß nicht allein,
sie fügten hinzu, der Papst werde ein noch besseres Bei-
spiel geben, wenn er seine Verwandten zwar annehme, aber in
Schranken zu halten wisse, als wenn er sie ganz entferne: --
den meisten Eindruck aber machte ohne Zweifel der Rector
des Jesuitencollegiums Oliva, der geradezu erklärte, der
Papst begehe eine Sünde, wenn er seine Nepoten nicht her-
beirufe: zu einem bloßen Minister würden die fremden
Gesandten niemals so viel Vertrauen haben, wie zu einem
Blutsverwandten des Papstes: der h. Vater werde um so
viel schlechter unterrichtet werden und sein Amt nicht so
gut verwalten können 1).

Kaum bedurfte es so vieler Gründe, um den Papst
zu bewegen, der ohnehin dahin neigte: am 24. April 1656
stellte er in dem Consistorium die Frage auf, ob es den
Cardinälen seinen Brüdern gut scheine, daß er sich seiner
Verwandten zum Dienste des apostolischen Stuhles bediene.
Man wagte nicht zu widersprechen: kurz darauf langten sie
an 2). Der Bruder des Papstes Don Mario bekam die
einträglichsten Aemter, die Aufsicht über die Annona, die
Gerechtigkeitspflege im Borgo: dessen Sohn Flavio ward
Cardinal Padrone und hatte in kurzem 100000 Sc. geistli-

1) Scritture politiche etc. "Un giorno Oliva prese occa-
sione di dire al padre Luti"
-- P. Luti war mit dem Papst auf-
gewachsen, besuchte ihn häufig, und wünschte die Berufung der Ne-
poten -- "che il papa era in obligo sotto peccato mortale di
chiamare a Roma i suoi nepoti."
Dann führte er jene Gründe an.
2) Pallavicini: In quei primi giorni i partiali d'Alessandro
non potean comparir in publico senza soggiacere a mordaci
scherni.

Alexander VII.
cana verwickeln: — Andere beſtaͤtigten dieß nicht allein,
ſie fuͤgten hinzu, der Papſt werde ein noch beſſeres Bei-
ſpiel geben, wenn er ſeine Verwandten zwar annehme, aber in
Schranken zu halten wiſſe, als wenn er ſie ganz entferne: —
den meiſten Eindruck aber machte ohne Zweifel der Rector
des Jeſuitencollegiums Oliva, der geradezu erklaͤrte, der
Papſt begehe eine Suͤnde, wenn er ſeine Nepoten nicht her-
beirufe: zu einem bloßen Miniſter wuͤrden die fremden
Geſandten niemals ſo viel Vertrauen haben, wie zu einem
Blutsverwandten des Papſtes: der h. Vater werde um ſo
viel ſchlechter unterrichtet werden und ſein Amt nicht ſo
gut verwalten koͤnnen 1).

Kaum bedurfte es ſo vieler Gruͤnde, um den Papſt
zu bewegen, der ohnehin dahin neigte: am 24. April 1656
ſtellte er in dem Conſiſtorium die Frage auf, ob es den
Cardinaͤlen ſeinen Bruͤdern gut ſcheine, daß er ſich ſeiner
Verwandten zum Dienſte des apoſtoliſchen Stuhles bediene.
Man wagte nicht zu widerſprechen: kurz darauf langten ſie
an 2). Der Bruder des Papſtes Don Mario bekam die
eintraͤglichſten Aemter, die Aufſicht uͤber die Annona, die
Gerechtigkeitspflege im Borgo: deſſen Sohn Flavio ward
Cardinal Padrone und hatte in kurzem 100000 Sc. geiſtli-

1) Scritture politiche etc. „Un giorno Oliva prese occa-
sione di dire al padre Luti“
— P. Luti war mit dem Papſt auf-
gewachſen, beſuchte ihn haͤufig, und wuͤnſchte die Berufung der Ne-
poten — „che il papa era in obligo sotto peccato mortale di
chiamare a Roma i suoi nepoti.“
Dann fuͤhrte er jene Gruͤnde an.
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non potean comparir in publico senza soggiacere a mordaci
scherni.
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[53/0065] Alexander VII. cana verwickeln: — Andere beſtaͤtigten dieß nicht allein, ſie fuͤgten hinzu, der Papſt werde ein noch beſſeres Bei- ſpiel geben, wenn er ſeine Verwandten zwar annehme, aber in Schranken zu halten wiſſe, als wenn er ſie ganz entferne: — den meiſten Eindruck aber machte ohne Zweifel der Rector des Jeſuitencollegiums Oliva, der geradezu erklaͤrte, der Papſt begehe eine Suͤnde, wenn er ſeine Nepoten nicht her- beirufe: zu einem bloßen Miniſter wuͤrden die fremden Geſandten niemals ſo viel Vertrauen haben, wie zu einem Blutsverwandten des Papſtes: der h. Vater werde um ſo viel ſchlechter unterrichtet werden und ſein Amt nicht ſo gut verwalten koͤnnen 1). Kaum bedurfte es ſo vieler Gruͤnde, um den Papſt zu bewegen, der ohnehin dahin neigte: am 24. April 1656 ſtellte er in dem Conſiſtorium die Frage auf, ob es den Cardinaͤlen ſeinen Bruͤdern gut ſcheine, daß er ſich ſeiner Verwandten zum Dienſte des apoſtoliſchen Stuhles bediene. Man wagte nicht zu widerſprechen: kurz darauf langten ſie an 2). Der Bruder des Papſtes Don Mario bekam die eintraͤglichſten Aemter, die Aufſicht uͤber die Annona, die Gerechtigkeitspflege im Borgo: deſſen Sohn Flavio ward Cardinal Padrone und hatte in kurzem 100000 Sc. geiſtli- 1) Scritture politiche etc. „Un giorno Oliva prese occa- sione di dire al padre Luti“ — P. Luti war mit dem Papſt auf- gewachſen, beſuchte ihn haͤufig, und wuͤnſchte die Berufung der Ne- poten — „che il papa era in obligo sotto peccato mortale di chiamare a Roma i suoi nepoti.“ Dann fuͤhrte er jene Gruͤnde an. 2) Pallavicini: In quei primi giorni i partiali d’Alessandro non potean comparir in publico senza soggiacere a mordaci scherni.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/65>, abgerufen am 15.05.2024.