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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Annahme des Kaisertitels 1508.
das heilige Reich nicht bekenne. Doch werde er sich da-
bei nicht aufhalten. Habe er es in Ordnung gebracht, so
werde er es einem Hauptmann anvertrauen um selber ohne
Verzug gegen die Ungläubigen zu ziehen. Denn das habe
er dem allmächtigen Gott gelobt.

Der langsame Zuzug der Truppen des Reiches, die
Zögerungen der Schweizer, die wohlbesetzten venezianischen
Pässe, in der winterlichen Zeit die nun herangekommen
doppelt schwer zu überwinden, waren wohl geeignet ihn
von so schwärmerischen Idealen auf das Wirklich-Erreich-
bare aufmerksam zu machen. Aber er behielt guten Muth.
Am 2ten Februar ließ er bei seinem Eintritt in Trient
durch eine religiöse Ceremonie den Römerzug feiern den er
vorhabe. Ja als sey die Sache schon vollbracht, die er
begann: in denselben Tagen nahm er den Titel eines er-
wählten römischen Kaisers an. 1 Die Fremden nannten
ihn schon immer so, und er wußte sehr gut, daß der Papst,
in diesem Augenblick sein Verbündeter, nichts dagegen haben
werde. Ganz verschiedne Motive bewogen ihn dazu: auf
der einen Seite der Anblick der mächtigen Opposition auf
die er stieß, so daß er schon fürchtete, es werde ihm nicht
gelingen nach Rom zu kommen; auf der andern das Ge-
fühl der Macht und Unabhängigkeit des Reiches, dem er die
Prärogative, der Christenheit das oberste Haupt zu geben,
auf alle Fälle retten wollte: den Act der Krönung hielt er
nicht für so wesentlich. Für Deutschland war auch dieser
Entschluß von der größten Bedeutung. Die Nachfolger Ma-
ximilians haben den kaiserlichen Titel unmittelbar nach ih-

1 Eine nähere Erörterung hierüber in dem Excurs über Fugger.
Ranke d. Gesch. I. 12

Annahme des Kaiſertitels 1508.
das heilige Reich nicht bekenne. Doch werde er ſich da-
bei nicht aufhalten. Habe er es in Ordnung gebracht, ſo
werde er es einem Hauptmann anvertrauen um ſelber ohne
Verzug gegen die Ungläubigen zu ziehen. Denn das habe
er dem allmächtigen Gott gelobt.

Der langſame Zuzug der Truppen des Reiches, die
Zögerungen der Schweizer, die wohlbeſetzten venezianiſchen
Päſſe, in der winterlichen Zeit die nun herangekommen
doppelt ſchwer zu überwinden, waren wohl geeignet ihn
von ſo ſchwärmeriſchen Idealen auf das Wirklich-Erreich-
bare aufmerkſam zu machen. Aber er behielt guten Muth.
Am 2ten Februar ließ er bei ſeinem Eintritt in Trient
durch eine religiöſe Ceremonie den Römerzug feiern den er
vorhabe. Ja als ſey die Sache ſchon vollbracht, die er
begann: in denſelben Tagen nahm er den Titel eines er-
wählten römiſchen Kaiſers an. 1 Die Fremden nannten
ihn ſchon immer ſo, und er wußte ſehr gut, daß der Papſt,
in dieſem Augenblick ſein Verbündeter, nichts dagegen haben
werde. Ganz verſchiedne Motive bewogen ihn dazu: auf
der einen Seite der Anblick der mächtigen Oppoſition auf
die er ſtieß, ſo daß er ſchon fürchtete, es werde ihm nicht
gelingen nach Rom zu kommen; auf der andern das Ge-
fühl der Macht und Unabhängigkeit des Reiches, dem er die
Prärogative, der Chriſtenheit das oberſte Haupt zu geben,
auf alle Fälle retten wollte: den Act der Krönung hielt er
nicht für ſo weſentlich. Für Deutſchland war auch dieſer
Entſchluß von der größten Bedeutung. Die Nachfolger Ma-
ximilians haben den kaiſerlichen Titel unmittelbar nach ih-

1 Eine naͤhere Eroͤrterung hieruͤber in dem Excurs uͤber Fugger.
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[177/0195] Annahme des Kaiſertitels 1508. das heilige Reich nicht bekenne. Doch werde er ſich da- bei nicht aufhalten. Habe er es in Ordnung gebracht, ſo werde er es einem Hauptmann anvertrauen um ſelber ohne Verzug gegen die Ungläubigen zu ziehen. Denn das habe er dem allmächtigen Gott gelobt. Der langſame Zuzug der Truppen des Reiches, die Zögerungen der Schweizer, die wohlbeſetzten venezianiſchen Päſſe, in der winterlichen Zeit die nun herangekommen doppelt ſchwer zu überwinden, waren wohl geeignet ihn von ſo ſchwärmeriſchen Idealen auf das Wirklich-Erreich- bare aufmerkſam zu machen. Aber er behielt guten Muth. Am 2ten Februar ließ er bei ſeinem Eintritt in Trient durch eine religiöſe Ceremonie den Römerzug feiern den er vorhabe. Ja als ſey die Sache ſchon vollbracht, die er begann: in denſelben Tagen nahm er den Titel eines er- wählten römiſchen Kaiſers an. 1 Die Fremden nannten ihn ſchon immer ſo, und er wußte ſehr gut, daß der Papſt, in dieſem Augenblick ſein Verbündeter, nichts dagegen haben werde. Ganz verſchiedne Motive bewogen ihn dazu: auf der einen Seite der Anblick der mächtigen Oppoſition auf die er ſtieß, ſo daß er ſchon fürchtete, es werde ihm nicht gelingen nach Rom zu kommen; auf der andern das Ge- fühl der Macht und Unabhängigkeit des Reiches, dem er die Prärogative, der Chriſtenheit das oberſte Haupt zu geben, auf alle Fälle retten wollte: den Act der Krönung hielt er nicht für ſo weſentlich. Für Deutſchland war auch dieſer Entſchluß von der größten Bedeutung. Die Nachfolger Ma- ximilians haben den kaiſerlichen Titel unmittelbar nach ih- 1 Eine naͤhere Eroͤrterung hieruͤber in dem Excurs uͤber Fugger. Ranke d. Geſch. I. 12

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/195>, abgerufen am 29.04.2024.